Wer auf das neue Gebäude an alter Stelle zufährt, dem glänzen seit Dezember 2020 zwei Dinge entgegen: Zum einen der Weihnachtsbaum, der auf der vorderen Ecke des Flachdach-Gebäudes thront. Zum anderen die verzinkte Stahlblech-Fassade, die pünktlich zur Weihnachtspause von ihrem Gerüst befreit wurde und sich nun in voller Breite entlang des Nordrings präsentiert. Zu beiden gibt es eine Geschichte. Was man dem Weihnachtsbaum nicht ansieht: Er steckt in einem professionell betonierten Ständer und war ein spezieller Lehrlingsauftrag, wie Bernhard Nees, Kommandant der Marktheidenfelder Wehr weiß.
Was die silbrig-glänzende Fassade angeht, steht sie sinnbildlich für das ganze Gebäude, soll Robustheit, Klarheit und Widerstandsfähigkeit demonstrieren und den "technischen Inhalt des Gebäudes an der städtebaulich prägnanten Stelle nach außen tragen", so erklärt es der planende Architekt Georg Redelbach. Gemeinsam mit seiner Projektleiterin, der Architektin Carolin Dahinten, und dem Feuerwehrkommandanten führt er durch die Baustelle.
Ein Feuerwehrhaus in dieser Dimension zu planen und zu bauen, das war auch für den Architekten Redelbach neu. Besonders herausfordernd: Die Topographie, also das Gefälle des Geländes an dieser Stelle. Die Lösung: "Wir nutzen den Höhenunterschied aus und drehen das Gebäude um", so Redelbach. Sprich: Entließen die Fahrzeughallen die Feuerwehrfahrzeuge früher direkt auf die Straße, öffnen sich die Tore nun in den großen Innenhof. Der Vorteil: Die Ausfahrsituation wird nicht vom Straßenverkehr tangiert.
Zudem biete der Hof die Möglichkeit, mal ein Fahrzeug aus der Halle zu fahren und Wartungsarbeiten zu erledigen, ohne unter ständiger Beobachtung der vorbeifahrenden Autofahrer zu stehen, erklärt Kommandant Nees, während er in die größere der beiden neuen Fahrzeughallen führt.
Neubau als "intelligentes Gebäude" angelegt
Hier wird es künftig neun Stellplätze geben. In der angrenzenden Nebenhalle gibt es fünf weitere Stellplätze für Fahrzeuge, die nicht so "zeitkritisch" sind, wie zum Beispiel die Fahrzeuge der Ölwehr. Bis auf die Steuertechnik sind die Hallen fertig. Von der Decke hängen bereits die Absaugstutzen, die an die Fahrzeuge angeschlossen werden, um die Abgase bis zur Ausfahrt abzusaugen. Sie sind mit Magneten ausgestattet und fallen erst in dem Moment ab, da das Fahrzeug tatsächlich die Halle verlässt, um die Abgasbelastung in der Halle möglichst gering zu halten.
"Das ganze Haus hat sehr viel Technik. Das wird spannend, wie und ob alles wie geplant zusammenläuft", erläutert Nees. Als "intelligentes Gebäude" ist der Neubau angelegt. Sprich, bei Alarmierung passieren viele Dinge automatisch, wie zum Beispiel das Öffnen der Tore oder die Hofbeleuchtung, die sofort anspringt.
An die Fahrzeughallen angrenzend liegen neben Umkleideräumen und einem Raum für die Einsatzleitplanung auch eine eigene Wäscherei sowie die Atemschutz- und Schlauchwerkstatt. Eine eigene Werkstatt im Gebäude hat zukünftig der hauptamtliche Gerätewart Michael Schmelz.
Zurückhaltung in der Farbe: Rot der Fahrzeuge prägnant genug
Was den Fahrzeughallen derzeit von außen noch fehlt ist der Oberputz. Dieser soll vom Farbton her gräulich-grün werden. Die Zurückhaltung in der Farbe sei gewollt. Die käme schließlich automatisch durch die Fahrzeuge, erläutert Projektleiterin Dahinten. Die einzige rote Farbe außen am Gebäude findet man im Schriftzug "Feuerwehr Marktheidenfeld" und der großen "112", die zweimal aufgebracht ist.
Auch von innen soll das Gebäude funktional und strapazierfähig wirken. Aus diesem Grund werden die Betonoberflächen an vielen Stellen so belassen. Zudem sind in den Hallen sämtliche Kabel, Rohre und Zugänge in "offener Struktur" verbaut, sprich sie liegen oben auf und verschwinden nicht hinter einer Verkleidung. "Das hat den Vorteil, dass sie auch jederzeit greifbar und veränderbar sind", so die Architekten.
Von diesem Konzept abgewichen sind die Planer in den Verwaltungs-, Schulungs- und Aufenthaltsräumen, die in dem zweigeschossigen Baukörper an die Fahrzeughallen angrenzen. Hier soll es es "wohnlicher" werden. In den Räumen der ersten Etage liegt das Büro von Vorstand und Kommandant mit Blick in die Fahrzeughalle. Außerdem befindet sich hier die Kleiderkammer und ein barrierefreies WC.
In der zweiten Etage entsteht der große Lehr- und Veranstaltungssaal. Bis zu 160 Personen fasst der Raum, bei Schulungsbetrieb mit Tischen und Stühlen ungefähr die Hälfte. Geplant sind hier: Ein fest eingebauter Beamer, eine Leinwand, eine Lautsprecheranlage. Neben Schulungen rund um den Feuerwehrbetrieb soll der Raum zum Beispiel auch als Wahllokal dienen. Inwiefern ihn auch die städtischen Vereine nutzen dürfen, müsse noch abgestimmt werden, so Nees. Damit externe Besucher gezielt zu dem Raum gelangen, gibt es einen barrierefreien, externen Eingang vom Nordring.
Auf Wunsch: Eine Thekenanlage für den Vereinsraum
Als Vereinsraum gedacht ist der hintere Bereich des Schulungssaales. Er kann mit einer mobilen Wand abgetrennt werden, bekommt eine eigene Küche und - auf Wunsch hin - auch eine Thekenanlage. "Der Verein beteiligt sich an Teilen der Ausstattung", erläutert Nees. Rund 20 000 Euro seien es, die auf diesen zu kämen.
Von dem Raum aus gelangt man auch auf die breite Dachterasse, die sich sozusagen durch den Unterbau, die darunter liegende Fahrzeughalle, ergibt. Sie gibt den Blick auf den Feuerwehrhof frei. Noch fehlt hier die Asphaltschicht. Ist er fertig, bietet er rund 35 Parkplätze. Zudem bleibt der Blick automatisch an dem Nebengebäude mit den markanten Türmen hängen: Hier entsteht ein Übungs-Turm, zum Training fiktiver Einsätze mit tragbaren Leitern und Drehleiter. Zudem kommt in das Gebäude noch ein stadtnahes Salz-Silo für den Bauhof, eine eigene Tankstelle für die Feuerwehrfahrzeuge sowie die Notstromanlage der Wache.
Lesen Sie auch:
Nach rund zwei Stunden ist der Rundgang durch die Baustelle beendet. Was gefällt Architekten und Kommandant jetzt schon am besten an der neuen Wache? "Wir freuen uns auf ein Gebäude, in dem wir viel Platz haben", antwortet der Kommandant. Und so mancher Kollege freue sich wahrscheinlich auch auf vernünftige Umkleiden und die Aussicht, nach einem Einsatz zu duschen. "Manche Einsätze hängen einem ganz schön nach", so Nees. Da tue es der Psyche manchmal gut, zumindest nicht mehr den Rauchgeruch mit nach Hause zu nehmen.
Und die Architekten? Sie freuen sich auf ein ordentliches Gebäude und einen schönen Stadteingang. Ansporn und Herausforderung zugleich: Ein Gebäude zusammen mit den Nutzern so auszutüfteln, dass es funktioniert. "Wenn wir dann auch noch gute Architektur schaffen – umso schöner", beschreibt es Georg Redelbach.
Bleibt die Frage, was mit der Interimswache geschieht, in der die Wehr während der Bauphase seit 2018 untergebracht war? "Der Mietvertrag läuft Ende Juli aus und die Container werden abgebaut", erläutert Nees. Entstehen soll an dieser Stelle ein Parkplatz.