
Dass Menschen für einen Urlaub nach Mallorca fliegen, hat man schon gehört. Aber um eine Stunde auf einem Heavy-Metal-Festival zu spielen? Das hat vergangene Woche die Band "Oversense" aus dem Raum Gemünden gemacht. Sie war eine von rund 30 Metal-Bands, die bei dem exklusiven, einwöchigen Festival "Full Metal Holiday" auf der Mittelmeerinsel auf die Pauke gehauen haben.
Die Bandmitglieder haben zwar noch einen Tag drangehängt, mit einem klassischem Mallorca-Urlaub hatte der Aufenthalt – trotz all-inclusive – aber wenig zu tun, berichten sie nach ihrer Rückkehr. Das Festivalgelände war eine Vier-Sterne-Hotelanlage an einer Bucht im Süden von Mallorca, die in der Woche allein den Festivalgästen und Bands vorbehalten war. Bis zum Abflug am Samstag sahen die Bandmitglieder keinen Grund, das Resort zu verlassen – Strand und Pool gab es ja auf dem Gelände.
Wie transportierte die Band ihre Instrumente nach Mallorca?
Frontmann Danny Meyer aus Obersinn erzählt, dass die Band die Anfrage für das Festival, das zur Familie des großen Wacken-Metal-Festivals gehöre, erst zwei Monate vorher erhalten hätte. "Können wir das überhaupt realisieren?", sei deshalb eine der ersten Fragen gewesen. Dass sie mitmachen wollten, sei ihnen aber gleich klar gewesen. Aber wie fliegt man eigentlich mit Instrumenten? Denn "Oversense" reisen normalerweise mit einem Bus an. Die Gitarren konnten mit, das Schlagzeug musste daheim bleiben. Letzteres wurde vom Festival, das zum dritten Mal stattfand, gestellt und sei professionell gewesen, erzählen sie.
Am späten Mittwochabend kamen Jasmin Pabst (Gitarre), Marco Volpert (Bass), Danny Meyer und Patrick Lippert (Schlagzeug) dann im Hotel an, am nächsten Tag um 15.30 Uhr hatten sie als Auftaktband am Donnerstag ihren Auftritt. Sie hatten etwas Zweifel, ob sie zu dieser frühen Zeit schon viele Zuhörerinnen und Zuhörer haben oder ob viele noch beim Essen, am Pool oder am Strand sein würden. Aber die Zweifel waren unberechtigt. "Im Laufe des Gigs war vorne alles voll, die Leute haben absolut mitgefeiert", erzählt Meyer. Das Publikum sei "richtig dankbar" gewesen.
Auch sonst sei der Auftritt besonders gewesen: "Es war sakrisch heiß in der prallen Sonne." Seine dicke, lange Lederjacke, die er normalerweise trägt, habe er zum Glück spontan doch nicht angezogen, sagt Meyer. Elf Songs spielte die Band aus Main-Spessart, dann war "Metal-Urlaub" mallorquinischer Art angesagt. Weitere Bands waren etwa "Blind Guardian", "Tankard" oder "Feuerschwanz", die vor einem Jahr auf der Ruine Homburg ein Musikvideo gedreht hatten.
Vereinzelt hätten die Zuschauerinnen und Zuschauer bei ihrem Auftritt sogar "Oversense"-Shirts getragen, weitere seien später verkauft worden. "Es hat wohl gefallen", folgert Schlagzeuger Patrick Lippert. Ganz unbekannt ist die Band, die schon mit Metal-Ikone Doro Pesch auf Tour war, also auch auf Mallorca nicht.
Die Mitglieder der Bands bewegten sich, anders als bei sonstigen Festivals, frei unter den rund 2000 Besucherinnen und Besuchern, wodurch es zu allerlei Gesprächen und positivem Feedback gekommen sei. "Wir haben euch vorher gar nicht gekannt, aber es war richtig cool", hätten sie auch Tage nach ihrem Auftritt noch gesagt bekommen, erzählt Gitarristin Jasmin Pabst aus Darmstadt. "Die haben uns tatsächlich erkannt, das hat uns ziemlich geflasht." Die Atmosphäre sei sehr herzlich und familiär gewesen.
Pabst, die auf YouTube ihren eigenen Kanal "JJ's One Girl Band" betreibt, hatte am Freitagnachmittag noch einen kleinen Soloauftritt mit ihrer Gitarre. Was genau sie da machen sollte, sei auch den Festival-Organisatoren nicht ganz klar gewesen. "Also habe ich das aufgezogen wie eine kleine Fragerunde und Lehrstunde." Sie beantwortete Fragen, erzählte etwa, wie sie zum Gitarrespielen kam und zeigte zwischendurch ihr Können. "Das kam ziemlich gut an", sagt Pabst.
Nächte ohne Generator und Musik vom Zelt nebenan waren deutlich ruhiger
Das Gros der Bands, wie auch geschätzt 90 Prozent des Publikums, sei deutsch gewesen, berichten die Bandmitglieder. Es seien aber auch Niederländer, Spanier und Engländer darunter gewesen. Der Altersdurchschnitt der Besucherinnen und Besucher auf diesem ungewöhnlichen Festival sei deutlich höher gewesen als auf normalen Festivals, zelten musste ja keiner.
So seien auch die Nächte ohne Generator und Musik vom Zelt nebenan deutlich ruhiger gewesen, um elf Uhr abends habe der Headliner eingepackt. Der Preis von 1500 Euro für die ganze Woche mag bei der Zusammensetzung des Publikums eine Rolle gespielt haben. Weil es überall Zapfhähne gegeben habe, sei aber nicht weniger Bier geflossen als auf normalen Festivals, sagen die Bandmitglieder. Jedoch sei es wesentlich gesitteter zugegangen.
Am 4. November bringt die Band online ihre neue Single heraus. Bandleader Meyer verspricht einen moderneren Sound, der etwas "heavier" werde, dazu ein "sehr, sehr aufwendiges" Musikvideo im "Mad-Max-Flair". Bisher habe sich die Band im "melodischen Metal" bewegt, jetzt soll es "brachialer, lauter" werden, der Gesang aggressiver. "Wir nennen das Ganze 'Rebel Metal', ein ganz neuer eigener Style."
Ihren voraussichtlich letzten Auftritt in diesem Jahr hat die Band am 19. November – und zwar auf einem weiteren Festival, dem "Metal Hammer Paradise" am Weißenhäuser Strand an der Ostsee. Danach folge wieder eine produktive Phase, kündigt Meyer an.