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Karlstadt
Zwischen Applaus und Anfeindungen: Feministische Mahnwache auf dem Karlstadter Marktplatz
Mit Schuhen und Geschichten der Opfer wurden auf dem Karlstadter Marktplatz Femizide sichtbar gemacht.
Foto: Frieda Wecklein | Mit Schuhen und Geschichten der Opfer wurden auf dem Karlstadter Marktplatz Femizide sichtbar gemacht.
Frieda Wecklein
 |  aktualisiert: 15.03.2025 02:35 Uhr

Fragt man Gisela Kleinwechter am Weltfrauentag nach ihren größten Sorgen, kommt sie schon im ersten Satz auf die AfD zu sprechen. Deren Frauenbild mache ihr Angst. "Wir Omas gegen Rechts kämpfen für mehr weibliche Selbstbestimmung", erklärt die 72-Jährige. Der Karlstadter Marktplatz steht in strahlendem Sonnenschein, als die Karlstadter Regionalgruppe der "Omas gegen Rechts" sowie das Frauennetzwerk FeMSP vergangenen Samstag kurz vor 11 Uhr ihren gemeinsamen Infostand aufbauen.

Umringt von Stühlen liegen mittig weiße Blätter auf dem Kopfsteinpflaster. 119 Stück, jedes bedruckt mit der Geschichte eines Femizids, der 2023 begangen wurde. Die ersten Neugierigen nähern sich schon, da stellen die Aktivistinnen die letzten Paar Schuhe als Symbol für die Opfer auf jedes Blatt. Femizide sind Tötungsdelikte an Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts.

Feminismus ist genauso für Männer gut

"Es wäre besser, wenn es uns nicht mehr bräuchte", ruft Verena Frey energisch und blickt über die rund 60 Menschen, die sich vor dem Infostand versammelt haben. Die Sprecherin des Frauennetzwerkes FeMSP hat sich für ihre Rede auf einen Stuhl gestellt, auch ohne Mikrofon ist ihre Stimme selbst von der Rathaustreppe deutlich hörbar. "Feminismus ist genauso für Männer gut, wir brauchen gleiche Rechte für alle", fordert Frey.

Jeder solle so leben und lieben können wie er wolle, und Gewalt gegen Frauen dürfe nicht mehr toleriert werden. "Frauenmorde müssen aufhören - und das ist nicht zu viel verlangt", führt sie weiter aus und deutet auf die zu Boden liegenden Blätter. Mit Verweis auf ein kürzlich viral gegangenes Foto von Friedrich Merz und ausschließlich männlichen Sondierungspartner ruft sie auf: "Frauen, setzt euch mit an den Tisch!" Applaus kommt auf.

Verena Frey erinnert in ihrer Rede mit emotionalen Worten an die Gewalt und Benachteiligungen, die viele Frauen tagtäglich erleben.
Foto: Frieda Wecklein | Verena Frey erinnert in ihrer Rede mit emotionalen Worten an die Gewalt und Benachteiligungen, die viele Frauen tagtäglich erleben.

Ein paar Meter abseits spielt sich zeitgleich auf einer Sitzbank eine Szene ab, die nur im Kontext der Veranstaltung verstanden werden kann: Vier ältere Männer sitzen dort, verschränkte Arme und spöttische Blicke. Genau sechs Minuten vor offiziellem Beginn des feministischen Mahnmals kommt es zu den ersten Pöbeleien, vulgären Anfeindungen in Richtung der Frauen. Im Laufe der Veranstaltung machen sie ihre Verachtung durch höhnisches Gelächter immer wieder hörbar.

Freys Rede unterbrechen sie mehrfach, woraufhin erst zwei, dann drei weitere junge Männer sich aus der Zuschauertraube vor der Rednerin lösen und sich dicht neben die Zwischenrufer auf die Bank setzen und diese mit ihrer Anwesenheit konfrontieren. Mit deutlichem Unwohlsein stehen die Störer auf, bleiben kurz neben der Bank stehen, verlassen wenig später den Marktplatz.

Zahl der Omas gegen Rechts in Karlstadt stetig angewachsen

Die Zahl der Omas gegen Rechts in Karlstadt ist seit ihrer regionalen Gründung vor einem Jahr stetig angewachsen. Rund 34 Mitglieder ab 40 Jahren zählt die Gruppe inzwischen. Am Weltfrauentag tragen sie alle auffallend pinken und roten Lippenstift, als Zeichen der Stärke und Unabhängigkeit. Sie trage sonst nie Lippenstift, verrät eine der Omas, doch heute tue sie das voller Stolz.

Ingrid Knodt ist mit 81 Jahren das älteste Mitglied der Karlstadter Omas gegen Rechts, für mehr Feminismus kämpft sie seit vielen Jahrzehnten: "Wir haben uns früher schon bei den Jungsozialisten für all diese Themen eingesetzt und viel erreicht", erzählt sie. Frauen, die nur mit Erlaubnis des Mannes arbeiten dürfen oder schwule Männer, die Strafverfolgung fürchten, das alles sei inzwischen Geschichte. Das mache ihr Hoffnung.

 
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  • Erich Spiegel
    So einiges ist schräg an dem Bericht bzw. am Feminismus allgemein. Im Bericht heisst es "Frauenmorde müssen aufhören - und das ist nicht zu viel verlangt" Meine Frage: Sind dann Morde an Männern okay? Wenn Frauen bei politischen Entscheidungen mitreden wollen, dann müssen sie in die Parteien gehen. Meine Damen: Ist es gerecht, wenn man 50% der Führungspositionen in einer Partei (z.b. SPD) mit Frauen besetzt, obwohl ihr Mitgliederanteil nur 33% ausmacht? Ein Mann hat dann weniger Chancen auf eine Führungsposition, weil er mehr Konkurrenz hat. Ist das nicht Benachteiligung von Männern? Oder haben Männer keine Rechte?
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