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Marktheidenfeld
FDP-Landeschef Föst: "Die Politik überhöht sich selbst"
Er kritisiert "staatlichen Regulierungswahn" und präsentiert sich als glühender Europäer. Im Interview erklärt FDP-Chef Daniel Föst zudem, warum er Probleme mit AKK hat.
Daniel Föst, Landesvorsitzender der Bayern-FDP.
Foto: Daniel Peter | Daniel Föst, Landesvorsitzender der Bayern-FDP.
Moritz Baumann
Moritz Baumann
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:59 Uhr

2013 flog die FDP aus dem Bundestag. Bis sie 2017 die Rückkehr schaffte, kämpfte sie ums Überleben. Und mit dem Wiedereinzug in den bayerischen Landtag im vergangenen Jahr soll nun "Phase 3" des Erneuerungsprozesses starten – die "Expansion". Im Interview – am Rande des Neujahrsempfangs der FDP Main-Spessart – erklärt der Landesvorsitzende Daniel Föst, wie er die FDP zur festen politischen Kraft in Bayern machen will und was er sich vom Bündnis mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron für die Europawahl verspricht.

Frage: Seit der letzten Wahl sitzt die FDP als kleinste Oppositionspartei im Landtag. Eine schwierige Rolle?

Daniel Föst: Nicht unbedingt. Zwischen der konservativen Koalition aus CSU und Freien Wählern und einer Opposition, der es weitgehend an Wirtschaftskompetenz fehlt, ist noch viel Platz für die FDP.

Machen Sie es konkret. Woran soll man die FDP in fünf Jahren messen? 

Föst: Das wichtigste Themenfeld ist für uns die Wirtschaftspolitik. Wir sind die Einzigen, die wissen, dass man Geld erst erarbeiten muss, bevor man es verteilen kann. Außerdem nehmen wir den ländlichen Raum in den Blick. Anders als die Freien Wähler wollen wir primär in ärztliche Versorgung, Schulen und Infrastruktur investieren statt in Ortskernverschönerung und Gasthausförderung. Auch bei gesellschaftlichen Themen braucht es eine starke liberale Stimme.

Gerade wenn es um Technologien der Zukunft geht, werden wir derzeit von anderen Ländern abgehängt.

Föst: Das kommt, weil die Politik sich selbst überhöht und glaubt, auf dem Linoleumflur der Behörden alles regulieren zu können. Deutschland entwickelt Jahrespläne bis 2030. Das hat sich nicht mal die Sowjetunion zugetraut. Bei der Mobilität beispielsweise sollten wir technologieoffen denken und die Ingenieure und Tüftler die besten Lösungen entwickeln lassen.

Glauben Sie ernsthaft, dass sich Konzerne wie Volkswagen freiwillig von den fossilen Brennstoffen losgesagt hätten?

Föst: Es ist illusorisch zu glauben, dass das kleine 80-Millionen-Einwohner-Deutschland VW vorschreiben kann, was zu tun ist. Sie können davon ausgehen, dass auch die Ingenieure bei VW die Entwicklung von Tesla auf dem Schirm hatten.

Emmanuel Macron während seiner Europarede an der Pariser Sorbonne-Universität
Foto: Ludovic Marin, dpa | Emmanuel Macron während seiner Europarede an der Pariser Sorbonne-Universität

Für die Europawahl im Mai haben Sie als Liberale ein Bündnis mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron geschmiedet. Was versprechen Sie sich davon?

Föst: Europa darf kein dirigistisches Konstrukt sein, das uns im Alltag mit Verboten drangsaliert. Stattdessen wollen wir Liberale als glühende Europäer gemeinsam für die großen Projekte kämpfen: eine gemeinsame Armee, einen europäischen Pass, effektive Grenzsicherung.

Doch Sie sind nicht bereit – im Sinne eines europäischen Haushalts – mehr dafür zu zahlen. Hier geht Macrons Vision wesentlich weiter. 

Föst: Da muss ich widersprechen. Deutschland ist schon jetzt der größte Nettozahler. Es stimmt, dass wir mit zwei Punkten seiner großen Europarede nicht einverstanden sind, uns eint aber der Glaube an Europa. Für einen eigenen Haushalt ist es noch zu früh.

Warum?

Föst: Ein solcher Haushalt ist ein starker Anreiz, dass sich Mitgliedstaaten an dem Geld bedienen, ohne die eigenen Hausaufgaben bei Stabilität, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum zu erledigen.

Die SPD zeichnet gerade die Vision eines sozialen Europas und will in eine europäische Arbeitslosenversicherung investieren. 

Föst: Nur weil man mehr verteilt, wird Europa nicht sozialer. Wir wollen ein System, das den Menschen beispielsweise durch Bildungsfreizügigkeit Chancen eröffnet. Es gibt in Europa schon vielfältige Strukturfonds um schwache Staaten zu unterstützen. Wichtiger wäre es, endlich die Gewinne von Google und Facebook zu besteuern. Dafür brauchen wir ein Initiativrecht des EU-Parlaments, ein Ende des Veto-Rechts einzelner Mitgliedstaaten und einen Korridor, in dem sich die nationalen Steuern bewegen dürfen.

"Eine Finanztransaktionssteuer wäre ein massiver Eingriff in das Eigentum der Bürger"
Daniel Föst, bayerischer FDP-Landesvorsitzender

Eine Finanztransaktionssteuer aber lehnen Sie ab. 

Föst: Natürlich. Eine solche Steuer würde nur dazu führen, dass Banken, Börsen und Versicherungen in die USA oder China abwandern. Außerdem wäre es ein massiver Eingriff in das Eigentum der Bürger.

Das heißt, die Ungleichheit wird immer größer, weil die Rendite aus Dividenden und Zinsen das Wachstum von Einkommen und Produktion übersteigt, und Sie kapitulieren?

Föst: Tatsächlich empfinden es viele als ungerecht, dass Arbeit höher besteuert wird als Finanzströme. Da müssen wir sicherlich ran. Gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass wir auch in Deutschland eine stärkere Aktien- und Eigentümerkultur hätten. Dafür müssten wir aber erstmal die Bürger entlasten – zum Beispiel bei der Einkommensteuer.

Stichwort "Sozialer Wohnungsbau": Sind die Steuergelder hier richtig angelegt?

Föst: Wir sind in einer Phase, wo mehr Geld das Problem nicht löst. Wir haben drei große Engpässe im Wohnungsbau: Bauland, Baukapazität und Baugenehmigungen. Indem wir Verfahren entbürokratisieren, mehr Bauland ausweisen und die Bauwirtschaft in mehr Personal investiert, zerschlagen wir diese drei Flaschenhälse. 

Trotzdem wird das Wohnen immer teurer. Ist ein Mietpreisstopp, wie ihn die SPD vorgeschlagen hat, dann nicht der richtige Weg?

Föst: In der Umsetzung würde ein solcher Eingriff Investitionen in dringend benötigen Wohnraum hemmen. Dabei ist der Mietmarkt schon jetzt stark überreguliert. Wo wir ein Problem haben, ist beim sogenannten "Herausmodernisieren". Da müssen wir ran.

Wenn die Koalition in Berlin zerbricht, haben Sie die Chance, es besser zu machen. Auch wenn das mit einem Kanzler Merz leichter wäre als mit Annegret Kramp-Karrenbauer, oder?

Föst: Mir persönlich ist Friedrich Merz lieber als AKK, die die "Ehe für alle" in einem Satz mit Bigamie und Inzest nennt. Ihr Gesellschaftsbild könnte in Koalitionsverhandlungen zum Problem werden. 

Daniel Föst
2005 trat Daniel Föst (42), der in Schweinfurt geboren und in Mellrichstadt und Niederlauer (Lkr. Rhön-Grabfeld) aufgewachsen ist, in die FDP ein. Schon fünf Jahre später war er Chef der Liberalen in München. Nach der Wahlniederlage 2013 wurde er zum Generalsekretär im Freistaat gewählt und arbeitete mit am Comeback seiner Partei. Als bayerischer Spitzenkandidat zog der verheiratete Familienvater 2017 in den Deutschen Bundestag ein. Kurz danach rückte er an die Spitze der Bayern-FDP. Föst ist Mitglied im FDP-Bundesvorstand.
 
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  • Arcus
    Manchmal frag ich mich, wer da so alles Mitglied in diesem Posterboyfanclub ist.
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  • uwe.luz@t-online.de
    Warum fragen Sie noch? Ihr Weltbild, welches sich um eine vermeintlich richtige Moral dreht - die "natürlich" ausschließlich bei den GRÜNEN zu Hause ist - und Fakten negiert, hat die Antwort doch schon parat.
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  • matthias@rupsch-online.de
    Zum Beispiel ich. Ist Ihre Frage damit beantwortet?
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