
Im Dezember 2023 kam für Ricarda Grausnick der Wendepunkt. Sie putzte ihre Wohnung in Schwerin, und stellte fest: "Mir liegt alles im Weg". Überfüllte Küchenschubladen und ein aufgeplatzter Kleiderschrank machten es ihr schwer, beim Reinigen in jede Ecke zu kommen und danach mussten alle Dinge wieder an ihren ursprünglichen Platz. Das kostete sie Zeit und Nerven.
Die Anfang 30-Jährige, die bei einer Krankenkasse arbeitet, wollte ihren Lebensraum nicht mit immer mehr Dingen vollstellen. Also fing sie an ihre Wohnung, in der sie mit ihrem Mann und Sohn lebte, auszusortieren. Zuerst Handtücher, denn die hatten keinen emotionalen Wert für sie, erzählt Grausnick. Nachdem diese eine Zeit lang im Keller verstaut waren, stellte sie fest, dass sie ihr nicht fehlten. Nun konnte es richtig losgehen: Es ging dem Kleiderschrank, gefüllt mit Fast Fashion, an den Kragen. Tag für Tag wurde es mehr, Grausnick ließ sich dabei auch von Beiträgen aus den sozialen Medien inspirieren.
Wie man sich von Dingen trennt, ohne sie zu vermissen
Die aussortierten Handtücher spendete Grausnick an das lokale Tierheim. Weitere ausrangierte Teile wie Dekoartikel, Geschirr und Kleidung bekamen bei Freunden und Familie eine zweite Chance. Vieles verschenkt sie auf Kleinanzeigen oder stellt Kisten mit Sachen auf den Gehweg, die immer gerne mitgenommen werden, so ihre Erfahrung.
Der Umzug ihrer Familie nach Lohr Ende 2024 war somit schon um einiges leichter. Doch dort ging es erst so richtig los. Grausnick startete einen Instagram- und YouTube-Kanal, beide unter dem Namen "wir.leben.einfach", und baute sich dort eine Community von Gleichgesinnten auf. Gegenseitig werden dort Tipps und Meinungen ausgetauscht, um das eigene Zuhause zu einem Raum ohne Ballast zu machen.
Doch nicht immer ist der Austausch konstruktiv: Manchmal gebe es auch Hasskommentare, erzählt Grausnick, die ihr unterstellen, dass sie ein trauriges Leben führen würde und warum sie ihrem Kind so etwas antue. Doch ihre 80 Quadratmeter große Wohnung in Lohr ist bunt und voller Leben, entgegnet sie.

Der Grundsatz des Minimalismus ist es, sich auf Dinge zu beschränken, die man nutzt, erklärt Grausnick. Man dürfe natürlich eine Blumenvase auf dem Tisch stehen haben oder Bilder an die Wand hängen. Wenn man aber merke, man brauche eine Sache nicht mehr, dann schenkt man ihr eine zweite Chance und gibt sie weg. Dinge einfach wegzuwerfen sei in minimalistischen Kreisen jedoch verpönt, schließlich gehe es auch darum, der Umwelt etwas Gutes zu tun, indem man bewusst konsumiert.
Der mentale Ballast geht mit dem Krempel
"Man hat mehr Zeit für Schönes", erzählt Grausnick mit einem Lächeln im Gesicht. Wenn man weniger Dinge habe, um die man sich kümmern müsse, bleibe mehr Zeit für Familie und Hobbies. Sie stellt zum Beispiel WC-Tabs aus Natron und Zitrone selbst her und hat eine "Wurmkiste" in der Küche stehen, in der Würmer mithilfe ihres Bioabfalls natürlichen Dünger für ihren Bonsaibaum herstellen. Das alles mag für andere zeitaufwendig wirken, aber im Endeffekt erleichtere es ihr das Leben. Zudem helfe es dabei, nachhaltiger zu leben. Bei Ricarda Grausnick und ihrer Familie kommt nur noch selten Plastik ins Haus, die selbstgemachten Reinigungsmittel findet sie besonders mit einem Kind im Haus praktisch.

Niemand muss von heute auf morgen alles wegwerfen
Sie gibt Minimalismus-Interessierten den Tipp, nicht wahllos alles wegzuwerfen, was einem in die Quere kommt. "Man kann sich 15 Minuten lang eine Schublade im Schrank vornehmen, den Inhalt anschauen und überlegen, was einem keine Freude mehr macht. Am nächsten Tag geht man dann an die nächste Schublade", erklärt sie. So taste man sich langsam an den Lebenswandel heran. Außerdem betont sie, es sei "kein Wettbewerb" und jeder solle sich von Dingen in seinem eigenen Tempo trennen. Nur so würde man langfristig Erfolg haben. Grausnick erzählt, sie könnte zum Beispiel ohne Probleme auf den Fernseher im Wohnzimmer verzichten, aber ihr Mann wolle ihn gerne behalten. Beide sind sich einig, dass ein Sofa und ein Bett unverzichtbar wären.

Das Bedürfnis, shoppen zu gehen, hat Grausnick nicht mehr. Werbung würde an ihr abprallen, seitdem sie einen Monat lang eine "No-Buy-Challenge" gemacht hat. Das bedeutet, sie hat einen Monat lang bewusst auf Käufe verzichtet. Dadurch habe sie gemerkt, wie oft Käufe impulsiv, aber eigentlich gar nicht nötig seien. Wenn sie neue Kleidung benötige, kaufe sie Gebrauchtes. Sie hat sich eine "Capsule-Wardrobe" aufgebaut. Das bedeutet, sie hat für jede Jahreszeit nur eine kleine Auswahl an Kleidungsstücken im Schrank. Auch für ihren dreijährigen Sohn besorgt sie Kleidung aus zweiter Hand, da Kinder ohnehin schnell aus ihren Sachen herauswachsen, meint sie.
Einem Kind im Kindergartenalter falle es gar nicht auf, wenn es nur wenige Spielzeuge habe und diese immer wieder rotiert werden, erzählt die junge Mutter aus Erfahrung. Bei Büchern setzt sie auf die Lohrer Stadtbücherei. Auch Werkzeuge könne man oft ausleihen, zum Beispiel in Baumärkten. Ihr Mann, der ein Bastler sei, lege auch Wert darauf, Dinge zu reparieren statt sie wegzuwerfen.
"Es ist besser, klein anzufangen als gar nicht. Jeder Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und Konsumbewusstsein bringt einen näher an sein Ziel." Mit diesem Mantra will Ricarda Grausnick Menschen in den sozialen Medien inspirieren und weiter an ihrem Zuhause arbeiten.
Sie kommen mit wenigen Dingen gut aus.
Das müssen sie doch selbst entscheiden.
Gruß Klaus Habermann, Estenfeld ! ! !
Leider hat sich die Qualität von vielen Produkten in den letzten Jahren/Jahrzehnten verschlechtert. Natürlich sind sie deswegen nicht billiger - aber die Marge erhöht sich. Ich stehe vor der Entscheidung eine neue Waschmaschine anzuschaffen. "Früher" hat man gesagt "Kauf Dir ne Miele, die hält deutlich länger als eine Billige". Diese Zeiten sind wohl vorbei, was man so hört. Meine alte Miele läuft seit 25 Jahren und das bei unserem Kalkwasser.
Auch ich verzichte schon seit mehreren Jahren auf allen unnötigen materiellem und immateriellem Konsum und bin damit zufrieden und glücklich.
Vorteile einer solchen Lebensweise sind beispielsweise, dass man durch einen überschaubaren Umfang an Dingen und Input den Stress reduziert.
Ebenso hat man mehr Zeit und Freiheit für sich selbst.
Darüber hinaus benötige ich durch eine minimalistische Lebensweise weniger Geld und auch mein CO2-Fußabdruck verkleinert sich erheblich.