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Halsbach
"Ein Traum, den ich weiter leben will": Manuel Müller aus Rieneck betreibt die Brauerei Goikelbräu in Halsbach
Qualitätskontrolle: Manuel Müller entnimmt aus einem der Tanks in seiner Halsbacher Kleinbrauerei eine Probe zur Beurteilung von Optik und Geschmack.
Foto: Johannes Ungemach | Qualitätskontrolle: Manuel Müller entnimmt aus einem der Tanks in seiner Halsbacher Kleinbrauerei eine Probe zur Beurteilung von Optik und Geschmack.
Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 09.09.2024 02:31 Uhr

Wie man Brauereibesitzer wird? Ganz einfach: indem man Bierdeckel sammelt. So jedenfalls hat es bei Manuel Müller angefangen. Er hat als Kind die bunten Pappunterleger verschiedenster Brauereien gehortet. "Dadurch kam das Interesse am Bier und am Beruf", sagt Müller. Seit mittlerweile elf Jahren lässt der heute 43-Jährige seine eigenen Bierdeckel bedrucken: für seine Ein-Mann-Brauerei Goikelbräu. Die betreibt Müller im Lohrer Stadtteil Halsbach. Über die Jahre hat sich die Kleinbrauerei stetig gewandelt, auch wegen Corona. Heute hat Müller ein Konstrukt aus Brauerei und Dienstleistungen gefunden, über das er sagt: "Es läuft."

Den Traum der eigenen Brauerei habe jeder Brauer, ist Müller überzeugt. Er selbst verwirklichte ihn sich 2013, nach etlichen Jahren im weltweiten Einsatz in Sachen Brautechnik (siehe "Zur Person"). "Irgendwann will man sein eigenes Ding machen. Ich war wild entschlossen", schildert der Braumeister seinen damaligen Antrieb. Allerdings sei es zu Beginn gar nicht sein Ziel gewesen, sich mit einer Brauerei selbstständig zu machen. "Es sollte klein und überschaubar bleiben, ein großes Hobby", erinnert sich Müller.

Zwei Jahre Vorlaufzeit

Eine wichtige Voraussetzung zur Brauereigründung war gegeben: Platz. Im landwirtschaftlichen Anwesen seiner Schwiegereltern boten zwei Garagen den benötigten Raum für Sudkessel, Gärtanks und sonstige Brautechnik. Der Vorlauf der Brauereigründung habe sich über rund zwei Jahre erstreckt, sagt Müller: Anträge, Genehmigungen, Wirtschaftsplan, natürlich auch die technische Planung der Anlage; und nicht zuletzt die Finanzierung. Einen "niedrigen sechsstelligen Betrag" habe er in den Start der Brauerei gesteckt, gibt Müller Einblick.

Im Oktober 2013 war es so weit: In der Goikelbräu wurde das erste Bier gebraut, ein Festbier für den örtlichen Gesangsverein. "Total stolz" sei er gewesen, als der Bürgermeister und sonstige Prominenz vor Ort gewesen seien, sagt Müller. Danach entwickelten sich die Dinge prächtig. Die verschiedenen, im 500-Liter-Kessel gebrauten Biere seien ihm "mehr oder weniger aus der Hand gerissen" worden.

Bei der Vermarktung setzte Müller auf Ein-Liter-Flaschen und Fässer von zehn bis 50 Liter. Bei den Biersorten auf einen Grundstock im Wechsel aus Kellerbier, einem Hellen, Weißbier und einem Urtyp, dazu saisonale Ergänzungen wie etwa ein Winterbock. Und natürlich Festbiere zu allen möglichen Anlässen, wobei die Obergrenze beispielsweise bei Feuerwehrfesten mit bis zu 1500 Liter Bierausschank liegt.

Fässer und Säcke: Das Bierbrauen ist eine auch körperlich anstrengende Arbeit.
Foto: Johannes Ungemach | Fässer und Säcke: Das Bierbrauen ist eine auch körperlich anstrengende Arbeit.

Vier Sude pro Woche nennt Müller als Schnitt. Das sind in der Summe 2000 Liter. Der Jahresausstoß der Goikelbräu stieg bald auf über 700 Hektoliter. Das ist zwar weniger, als während der zehntägigen Lohrer Spessartfestwoche ausgeschenkt wird, für eine Brauerei aber in der laut Müller kleinsten sinnvollen Größe.

Mit dem Bierausstoß wurde auch die Arbeit immer mehr. Das führte 2015 zum nächsten Schritt: Müller kündigte seinen Job im Brauereianlagenbau und konzentrierte sich komplett auf die eigene Braustätte. Der Betrieb wuchs weiter. Müller entschied sich 2018, einen Auszubildenden einzustellen, investierte in Fahrzeuge, Ausschankwagen und sonstiges Equipment. Es habe gar die Überlegung gegeben, eine eigene, größere Halle für die Brauerei zu bauen, erinnert sich Müller.

Dann kam Corona. Für zwei Jahre sei das Geschäft "ziemlich eingebrochen", beschreibt der Braumeister die Folgen. Schnell habe man einen Lieferservice auf Bestellung aufgebaut und die Ware im ganzen Landkreis ausgefahren. Doch der Wegfall von Festen und Feiern schlug voll durch. Nur als "gesunder Ein-Mann-Betrieb" könne man eine solche Phase überstehen, noch dazu, wo seine Frau auch berufstätig sei und man Ferienwohnungen vermiete, sagt Müller.

500 Liter fasst der Sudkessel der Goikelbräu. Das Malz füllt Braumeister Müller aus einem Sack hinein.
Foto: Johannes Ungemach | 500 Liter fasst der Sudkessel der Goikelbräu. Das Malz füllt Braumeister Müller aus einem Sack hinein.

Nach Corona habe sich das Geschäft wieder erholt, jedoch noch nicht wieder den Stand wie zuvor erreicht, schildert Müller. Aufgrund von Inflation und wirtschaftlicher Unsicherheit achteten viele Menschen mehr aufs Geld. Gerade beim Bier werde die Masse im Handel über den Preis und Angebote verkauft. Zu den Erzeugnissen von Kleinbrauereien hingegen griffen vor allem echte Bierliebhaber. Generell gebe es am Biermarkt immer noch einen Trend der Konzentration auf immer weniger Anbieter. Brauereien würden aufgekauft oder gingen insolvent, schildert Müller.

Zuwächse habe es in den vergangenen Jahren eigentlich nur bei den Kleinbrauereien gegeben. Allein in der näheren Umgebung gebe es eine Handvoll. Müller spricht von einer großen Solidarität unter diesen Kleinbrauereien. Man helfe sich bei Bedarf mit Material aus. Die Großen im Markt sähen die Kleinen nicht wirklich als Konkurrenz, sondern vielmehr als Botschafter in Sachen Braukultur und -tradition. In diesem Sinne hat sich Müller für das kommende Jahr eine Besonderheit einfallen lassen: Für die Feierlichkeiten anlässlich 500 Jahre Fasching in Rieneck wird er ein "Urkorn-Bier" brauen. Dieses Urkorn, eine alte Getreidesorte, hat ein Bekannter bereits für ihn angebaut und geerntet. Aktuell sei es in der Mälzerei, freut sich Müller merklich auf das Projekt.

Von Hofverkauf bis Dorfladen

Seine sonstigen Biere setzt er zum einen über einen Hofverkauf an jedem Freitag ab. Zum anderen beliefert er Feste und Feiern, aber auch einige Dorfläden, Getränkemärkte und einzelne Gastronomen im Landkreis. Um sich breiter aufzustellen, hat Müller seit Corona neben den Literflaschen und Fässern eine neue Schiene aufgebaut. Flaschen mit 0,33 Liter Inhalt. Allerdings braut er dieses Bier nicht selbst. Vielmehr kooperiert er da mit der Wiesener Brauerei. Die braut nach Müllers Rezept ein "Schnüdele". Der Name soll in Anlehnung an den gebürtigen Lohrer, den Mopper, und den Zugereisten, eben dem Schnüdel, verdeutlichen, dass das Bier nicht direkt in der Halsbacher Goikelbräu entsteht, sondern quasi aus Wiesen zugezogen ist.

Und noch zwei weitere Standbeine hat sich Müller geschaffen: Seit einem Jahr ist er meist an einem Tag in der Woche unterfrankenweit als Servicedienstleister in der Wartung und Reinigung von Schankanlagen unterwegs, viel in Gaststätten, teilweise auch auf Veranlassung der Berufsgenossenschaft. Im Winterhalbjahr bietet der Braumeister außerdem im hauseigenen Gastraum Bierproben für Gruppen an, zu denen ein naher Schweinezüchter das Spanferkel liefert. Das Vermitteln von Bierwissen mache ihm nicht nur einen "riesigen Spaß", sondern eröffne auch neue Kundenkreise, sagt Müller über die Bierproben. Werbung in eigener Sache macht er schließlich noch mit zwei größeren Festen auf dem Hof, eines am Vatertag, das andere kurz vor dem Jahreswechsel.

Und so hat sich der ehemalige Bierdeckelsammler mit der eigenen Brauerei und dem Drumrum eine Nische geschaffen, über die er für sich und seine Frau sagt: "Wir sind mit dem Gesamtpaket zufrieden." Zwar habe er sich die Sache vorher einfacher vorgestellt. "Aber uns geht es gut." Sein zweiter Auszubildender, der gerade noch als Geselle bei ihm arbeite, werde den Betrieb bald gen Meisterschule verlassen. Der vorherige Auszubildende studiert. Er will Berufsschullehrer für Brauer werden.

Müller indes will bei seiner Brauerei bleiben. Diese bringe einerseits viel auch körperliche Arbeit und Stress mit sich, aber auch viel Freude. Wenn ihm die Menschen dann für sein Bier auf die Schultern klopften, wiege dies alle Lasten auf, schildert Müller und sagt: "Es ist ein Traum, den ich weiter leben will."

 
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