Im Speisesaal stehen Teller und Tassen schon im Regal, in etlichen Zimmern sind die Betten bezogen, am letzten Feinschliff wird mit Hochdruck gearbeitet: An diesem Samstag empfangen Eli und Christoph von Hutten die ersten Gäste in ihrer "Bike Lodge Spessart" in Steinbach. Hinter dem 98-Betten-Hotel steht ein Konzept, das in dieser Form entlang des Maintalradwegs einzigartig sein dürfte. Denn in dem Haus ist alles auf eine Zielgruppe ausgerichtet: Radfahrer, die auf dem nahen Maintalradweg unterwegs sind.
Rund 16 Monate haben das Aufstocken und der Umbau des ehemaligen Betriebshofs auf dem früheren RMD-Areal zum Radhotel mit 42 Zimmern gedauert. Es war eine Zeit, in der er viel gelernt, gestaunt und manchmal auch schlecht geschlafen habe, sagt Christoph von Hutten (58), dessen berufliches Metier bislang vor allem das Bauen skandinavischer Wohnhäuser und die Forstwirtschaft im eigenen Wald waren.
Hutten: Aufwand unterschätzt
Bau und Betrieb eines Hotels hingegen seien für ihn Neuland, sagt Hutten. Die Auflagen, die es speziell für die Gebäudeklasse eines Hotels beispielsweise beim Brandschutz gebe, habe er unterschätzt, gesteht der 58-Jährige. Er betont jedoch auch, dass er die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt bei diesem Projekt als gut empfunden habe.
Anders als bei einem nach seinen Worten unter anderem an Schallschutzvorgaben gescheiterten Wohnbauvorhaben, das er vor dem Radhotel an gleicher Stelle geplant gehabt habe, habe er sich beim Vorhaben Radhotel durch die Behörde unterstützt gefühlt, sagt Hutten. "Man hat gemerkt, dass sie es auch wollen." Trotz aller Auflagen und der Knappheit an Baumaterialien hat von Hutten sein Ziel nie aus den Augen verloren: Ein Hotel zu bauen, das anders ist. Und so steht es nun am Steinbacher Ortsrand, das Gebäude, das sich Hutten auch gut in den nordamerikanischen Rocky Mountains vorstellen könnte: zweigeschossig, in U-Form und mit einem umlaufenden Außengang im ersten Stock. Vor allem aber ist die Bike Lodge Spessart von Holz geprägt.
Das ist nicht etwa in den Rocky Mountains gewachsen, sondern in Sichtweite des Radhotels in Huttens eigenem Wald. Mehrere hundert Festmeter habe er einschlagen und in einem regionalen Sägewerk schneiden lassen, sagt von Hutten. Fichten-, Eichen- und vor allem das die komplette Fassade verkleidende Lärchenholz verleihen der Bike Lodge einen ausgesprochen rustikalen Charakter.
Radurlaub liegt voll im Trend: 100 Stellplätze für Fahrräder
Doch es sind andere Faktoren, die das Hotel zum Magneten speziell für Radfahrer machen sollen. Hutten verweist auf 100 größtenteils überdachte Fahrradstellplätze und eine für Bedürfnisse der Radler ausgestattete Werkstatt, die von Gästen genutzt werden kann. Auch einen Waschsalon gibt es, in dem die Radler ihre vom Strampeln verschwitzten Klamotten über Nacht auffrischen können.
Um das Hotel mit Gästen zu füllen, setzten die Huttens zum einen auf die üblichen Internetportale. Sie stehen aber auch in Gesprächen mit Anbietern von Radreisen. Die, so sagt Hutten, hätten mitunter Probleme, größere Gruppen adäquat unterzubringen. Davon, dass sein Konzept eines Radhotels Zukunft hat, ist Hutten fest überzeugt. Radurlaub liege voll im Trend. Um zu erfahren, was sich Radtouristen wünschen, habe man vor einigen Sommern eigens eine Umfrage am Maintalradweg in Steinbach durchgeführt.
Eine Aussage lautete dabei, dass es bei der Unterkunft auf Gemütlichkeit ankomme. Auch deshalb haben Eli (48) und Christoph von Hutten bei der Ausstattung Wert auf Individualität gelegt. Ein Beispiel ist das Interieur des Speisesaals. Dort findet sich nicht nur über 100 Jahre altes Mobiliar aus einem Gasthaus im Allgäu. Manche Stühle stammen auch aus dem vor einigen Wochen geschlossenen Steinbacher Gasthof Adler. Und einige fünf Zentimeter dicken Tischplatten wurden aus einer im Steinbacher Schlosspark gefällten Eiche gesägt. Eine Kaminecke komplettiert das Speisesaal-Ambiente. Eine ganz besondere Form der Regionalität bietet die Theke. Ihre Oberfläche besteht laut von Hutten aus einer Tür des 1983 abgerissenen Lohrer Gefängnisses. Seine Mutter habe damals einige der Türen gekauft. Die Kupferspüle stamme aus der Gambrinus-Stube der längst abgerissenen Lohrer Brauerei.
Zu den Baukosten schweigt Hutten
Zu den Baukosten seines zusammen mit einigen Mitinvestoren finanzierten Radhotels hält sich Hutten bedeckt. Vor einiger Zeit hatte er von einem niedrigen siebenstelligen Betrag gesprochen.
Der Betrieb des Hotels soll bewusst langsam anlaufen. Man werde zu Beginn nur einige Zimmer belegen und die Kapazität Schritt für Schritt hochfahren, sagt Christoph von Hutten. "Wir tasten uns ran", beschreibt er die Devise für die kommenden Wochen. Das Personal soll bei vollem Betrieb aufsummiert aus sieben Vollzeitkräften bestehen. Aktuell suche man noch Servicepersonal in Teilzeit, so Eli von Hutten.
Offiziell eröffnet werden soll die Bike Lodge am 12. Mai – mit Landrätin, Bürgermeister und einem Fest für die Handwerker. Danach soll der Betrieb des Radhotels bis in den Herbst laufen. Im Winter, so Huttens Idee, werde man eventuell an Monteure oder Forstschüler vermieten.
Infos im Internet unter www.bikelodge.de
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management