Optik Wolf ist das älteste Optikergeschäft in Marktheidenfeld. Die 78-jährige Seniorchefin Karin Barrois ist seit 50 Jahren Augenoptikermeisterin und arbeitet noch immer im Familienbetrieb mit. Mittlerweile stehen mit Sohn Claus Barrois und Enkeltochter Coralie zwei weitere Generationen des Fachs in der Werkstatt und den beiden Ladengeschäften.
Im Interview erzählen sie zusammen mit Geschäftsführerin Géraldine Barrois, wie es ist, gemeinsam mit der Familie zu arbeiten, wie sich der Beruf verändert hat, das Handwerk aber dennoch Bestand hat.
Karin Barrois: Eigentlich wollte ich beruflich etwas anderes machen. Aber mein Vater Ottokar Wolf bestand darauf, dass ich Optikerin werde. Nach meiner Ausbildung in Aschaffenburg und einigen Gesellenjahren hat er mich 1967 in seinen Laden nach Marktheidenfeld geholt. Dort habe ich die Optikabteilung ausgebaut. Später habe ich den Meisterkurs besucht, den ich 1973 abgeschlossen habe.
Claus Barrois: Für mich war von Anfang an klar, dass ich Optiker werden möchte. Ich habe meine Ausbildung in einem Betrieb in Lohr absolviert. Nach dem Wehrdienst wurde ich im Familienbetrieb gebraucht. Nebenberuflich habe ich im Jahr 2000 den Meisterkurs abgeschlossen.
Géraldine Barrois: Ich habe keine Ausbildung in der Optik, habe aber ab 2005 in der Werkstatt mitgeholfen und mir vieles angeeignet. Seit 2008 führe ich die Geschäfte von Optik Wolf und kümmere mich im Hintergrund darum, dass der Laden läuft. Es sah lange so aus, als ob keines unserer Kinder das Geschäft übernehmen wird. Umso mehr freut es uns, dass Coralie in unsere Fußstapfen tritt.
Coralie Barrois: Bevor ich die Ausbildung im Familiengeschäft begonnen habe, hatte ich eine Ausbildung zur Kinderpflegerin gemacht. Ich wollte aber in dem Beruf nicht bleiben. Ich war schon als Kind gerne in unserer Werkstatt und habe gefeilt. Da dachte ich mir: "Optikerin, das könnte passen".
Coralie Barrois: Jeder von uns hat einen Schwerpunkt. Oma ist Filialleiterin im Brilleneck in der Obertorstraße. Papa macht Messungen und bespricht mit den Kunden Materialien und Eigenschaften. Handwerkliche Tätigkeiten in der Werkstatt übernehmen wir beide gerne. Ich liebe es, Kunden zu beraten, zum Beispiel wenn es darum geht, ob eine Fassung zum Gesicht passt. Es macht mir Spaß, mit dem richtigen Gestell das Beste aus den Menschen herauszuholen.
Géraldine Barrois: Trotz, dass ich keine Ausbildung in dem Handwerk habe, helfe ich bei der Beratung, wenn nötig. Wenn es zu sehr ins Detail geht, lasse ich lieber meinen Mann oder meine Tochter ran.
Géraldine Barrois: Oft kommen wir im Arbeitsalltag gar nicht dazu, private Belange zu besprechen, weil so viel zu tun ist.
Karin Barrois: Obwohl wir alle sehr unterschiedliche Charaktere haben, gibt es keinen Streit. Ich habe schon immer besonders viel Wert darauf gelegt, dass wir Zuhause und in der Firma einen angemessenen Ton anschlagen.
Claus Barrois: Optiker ist ein Handwerksberuf. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern.
Géraldine Barrois: Wir haben – verglichen mit anderen Betrieben – eine große Werkstatt. Wir versuchen zum Beispiel defekte Brillen unserer Kunden zu reparieren, anstatt ihnen sofort ein neues Gestell zu verkaufen. Claus tüftelt gerne an Herausforderungen, von denen andere Optiker die Finger lassen. Da fängt für ihn der Spaß erst an.
Karin Wolf-Barrois: Die meisten Optiker lassen ihre Gläser heute industriell einschleifen. Wir machen das noch selbst. Das heißt, wir können schnell auf Kundenwünsche reagieren. Die Krankenkassen haben früher vorgeschrieben, dass wir Gläser in jeder Stärke auf Vorrat haben müssen. Wir haben aus den Zeiten, als mein Vater das Geschäft geführt hat, noch ein umfangreiches Gläserlager.
Coralie Barrois: Mit das Wichtigste ist die persönliche Beratung unserer Kunden. Die hat man nicht, wenn man eine Brille zum Beispiel im Internet kauft.
Géraldine Barrois: Wir haben einen Blick dafür, was Menschen steht und was ihnen gefällt. Auch wenn manche Kunden denken, alle Brillengestelle würden gleich aussehen, kommt es doch auf die Details an. Um beim Internetkauf zu bleiben: Es reicht nicht, fünf standardisierte Fragen zu stellen und man hat das Passende gefunden. Wir waren mal bei einem großen Filialisten um zu schauen, wie es dort läuft. Wir waren erschrocken, wie wenig Zeit sich die Mitarbeiterin für die Beratung genommen hat. Der Verkaufsdruck schien sehr hoch zu sein.
Karin Barrois: Die perfekte Brille muss nicht nur gut aussehen, sondern auch gut sitzen. Um eine Brille anzupassen, braucht man neben dem Können und Zeit auch das richtige Gefühl. Das ist nichts, was man lernen kann. Entweder man hat es, oder man hat es nicht.
Claus Barrois: Bei mir war es noch so, dass man drei Gesellenjahre lang Erfahrungen sammeln musste, bis man den Meisterkurs besuchen durfte. Das ist heute anders.
Coralie Barrois: Im Gegensatz zu meinen Mitschülern lag der Schwerpunkt meiner Ausbildung in unserem Betrieb auf dem Handwerk, viele sind nur noch geschulte Verkäufer. Im Meisterkurs haben wir das gelernt, was man braucht, um einen Betrieb zu führen. Im Bereich Optik ging es vor allem um optometrische Themen (Anm. d. Red.: Optometrie ist die Wissenschaft der Vermessung von nicht krankhaften Sehfehlern und der Korrektur von visuellen Problemen.). Ich musste Kontaktlinsen ausmessen und Hornhautverkrümmungen und Radien berechnen.
Karin Barrois: Da hat sich sehr viel entwickelt. Wir hatten damals nur einen Drei-Wochen-Kurs zum Thema Kontaktlinsen. Weiche Linsen, zum Beispiel, waren kaum verbreitet.
Géraldine Barrois: Messungen haben früher ausschließlich Augenärzte gemacht. Weil es aber immer weniger Augenärzte gibt, übernimmt der Optiker heute einen Teil der Screenings und Vorsorgeuntersuchungen.
Claus Barrois: Bis 2002 haben die Krankenkasse die Kosten für die Gläser übernommen. Bis dahin war die Beratung relativ einfach. Es gab lange Zeit nur vier verschiedene Gläser aus zwei verschiedenen Materialien. Mittlerweile werden Gläser immer dünner, sind zu 97 Prozent aus Kunststoff und Gleitsichtgläser sind weit verbreitet. Dementsprechend werden Beratungsgespräche immer komplexer.