"Offenes Visier", so lautete Titel und Versprechen für den Auftritt des Kabarettisten Django Asül in Marktheidenfeld. Etwas mehr als gut 200 Gäste hätte das fulminante satirische Solo verdient gehabt, das die Reihe "Kabarett am Main" abschloss. Natürlich zeigte sich am Sonntag das Wetter wieder wenig einladend für eine Open-Air-Veranstaltung.
Die glänzende Spiellaune des Kabarettisten beeinträchtigte dies nicht. Zum Warm-Up am Beginn gab es eine ironisch-liebevolle Verneigung vor Marktheidenfeld, dem Sehnsuchtsort vieler Niederbayern, dem Kitzbühel Würzburgs. Asül entdeckte die historischen Stätten zwischen Wohnmobilstellplatz und Supermärkten wie die Intellektuellen - Sternekoch Benedikt Faust oder den Fußballer Sigi Held, der in der Stadt aufwuchs. Im P&G-Werksverkauf könne man gebrauchte Zahnbürsten zum halben Preis erwerben und der Bund Naturschutz sei einst in Marktheidenfeld aus Trotz gegründet worden, weil die Freien Wähler damals keine Vegetarier bei sich aufnahmen.
Textsicher und rasend schnell
Soviel der freundlichen Vorrede und dann ging es bei maximaler Pointen-Folge und einem Glas Weißbier mitten hinein in den Mikrokosmos von Asüls Heimatort Hengersberg. In diesem spiegeln sich die großen Fragen der Welt um Solidarität, Ungleichheit und Nachhaltigkeit auf ihre ganz eigene Weise. Dazu trugen vor allem auch die speziellen und abseitigen Gedankengänge des Frühstücks- und Stammtisch-Spezls Hans bei, der sich auf die Vorgänge in der Welt offenbar so seine ganz eigenen Gedanken macht.
Bei einer niederbayerischen Baileys-Schorle erkannte der Satiriker, dass Fakten wichtig seien, sie müssten aber auch mit den Tatsachen übereinstimmen. Textsicher und so rasend schnell ging es im Redefluss dahin, sodass sich die Zuhörerinnen und Zuhörer wirklich konzentrieren mussten, um den Wendungen und Zuspitzungen auf der Bühne folgen zu können.
Es gebe verschiedene Blickwinkel, so stellte Asül fest, die man einfach auch respektieren solle. Als Beispiel verwies er auf unüberbrückbare Differenzen wie "Licht an oder aus beim Sex", die heute manche Ehe abrupt beenden könnten. Als ehrenamtlicher Immobilienmakler plädierte der Hengersberger für neue Wohnformen in Wohngemeinschaften. Dies in einer Zeit des Individualisierungs- und Optimierungswahns, in der jeder etwas Besonderes sein wolle.
Clint Easwood – ein Sozialpädagoge?
Weiter ging es in den verwundenen und abstrusen Gedankenspielen, die dennoch so manches kunstvoll deutlich machten, etwa in die phönizische Vorzeit der EU-Steueroase Malta. Anders als in Gemeinderatssitzungen komme es im Programm des Kabarettisten darauf an, gescheiter herauszukommen als hinzukommen, lautete das Fazit vor der Pause.
Danach wurde Clint Eastwood als wahrer Sozialpädagoge im Western-Klassiker "Für eine Handvoll Dollar" entschlüsselt. Gerne reist Django Asül in der Pandemie-Zeit bevorzugt wie nachhaltig in die Gärten und Häuser seiner Lehrer-Nachbarn. Da habe man es nicht weit, wenn einen das Heimweh kurz überkommt und man könne so interessante Entdeckungen in den Nachtkasterln machen.
Virtuoser Botschafter Niederbayerns
Ja, so galt es dann mit Freund Hans oft einmal um’s Eck denken, wo es weit und breit kein Eck gibt. Zur Vermeidung der Demenz empfahl Asül viele Informationen aufzunehmen und viel zu erleben. So betrachtet war dieser Abend schon mal eine ganz gute Übung. Im Übrigen gelte es, ein hohes Alter zu vermeiden, ohne allerdings vorher abzuleben. Weiter ging es zum Schreiben von Künstler-Biografien, zur Frage, ob Besserverdiener tatsächlich länger lebten, zum ersten CO2-freien Flughafen in Berlin oder zur Vermutung, dass die Digitalisierung in Deutschland wegen fehlender technischer Grundlagen noch lange analog bleiben müsse.
Am Ende empfahl der virtuose Botschafter Niederbayerns mit türkischen Wurzeln dem begeisterten Publikum, den eigenen Blickwinkel weit zu öffnen und auch, wenn möglich, wieder Nähe zuzulassen. Damit war ein brillanter, anspruchsvoller Schlussakkord für die zehntägige Kabarettfolge der Comödie Fürth in Marktheidenfeld gesetzt – das Wagnis zum 175. Jubiläum der Alten Mainbrücke hat sich ohne jeden Zweifel gelohnt.
