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GEMÜNDEN
Der Eklat um Andreas Kümmert
Pure Leidenschaft: Andreas Kümmert bei seinem Konzert Ende August in der Würzburger Posthalle.
Foto: Silvia Gralla | Pure Leidenschaft: Andreas Kümmert bei seinem Konzert Ende August in der Würzburger Posthalle.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:12 Uhr

Andreas Kümmert ist mal wieder abgetaucht. Die Anfrage, ob er denn nun – ein Jahr nach dem Eklat von Hannover - zu einem Interview bereit ist, hat er nicht beantwortet. Typisch Kümmert. Recht hat er, werden die sagen, die ihn mögen. Lasst ihn doch einfach in Ruhe.

Überlegen gewann der 29-Jährige aus Gemünden (Lkr. Main-Spessart) am 5. März 2015 den deutschen ESC-Vorentscheid. Seine Live-Acts „Heart of Stone“ und „Home is in my Hands“ berührten das Publikum, bei der Zuschauer-Abstimmung über „Unser Lied für Österreich“ lag er weit vor der Konkurrenz.

Unter Blitzlichtgewitter abgelehnt

Es ist kurz vor halb elf, als Andreas Kümmert zitternd auf der Bühne steht und wartet, dass Moderatorin Barbara Schöneberger das Ergebnis verkündet. Blitzlichtgewitter. Dann spricht der Gemündener die Worte, die Fernsehgeschichte schreiben: „Ich bin nicht wirklich in der Verfassung, diese Wahl anzunehmen. Ich gebe meinen Titel an Ann-Sophie.“ Schockstarre auf der Bühne. Die Halle raunt.

Lediglich Schöneberger behält kühlen Kopf und erklärt Ann-Sophie zur Deutschland-Vertreterin bei Europas größtem Sangeswettstreit. Die Hamburgerin belegt im Mai in Wien schließlich den letzten Platz. Null Punkte.

Kümmerts Absage spaltet die Musik-Nation. Vor allem in den sozialen Netzwerken wird nach der ESC-Absage heftig diskutiert. Während die einen von seinen vermeintlichen Launen enttäuscht und genervt sind, feiern ihn andere als Künstler, der allein für seine Musik lebt und sich standhaft weigert zu funktionieren, wie es die Branche verlangt.

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Was viele an diesem Abend ahnten, macht der 29-Jährige ein halbes Jahr später, im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) öffentlich. Er spricht von Angststörungen und Panikattacken, von einer Depression. Er beschreibt Atemnot und Todesangst schon vor dem Auftritt in Hannover. Gar nicht umgehen können habe er mit Beleidigungen auf Facebook. Dort teilte er selbst kräftig aus, beschimpfte Kritiker schon mal als „degenerierte Arschlöcher“.
 

Beweis vor Millionenpublikum

Ganz mit sich eins ist Andreas Kümmert auf der Bühne, da holt er sich Bestätigung. Um sich vor einem Millionenpublikum zu beweisen, habe er beim ESC mitgemacht, sagen Freunde, obwohl er bereits mit dem Format „The Voice of Germany“ trotz aller Erfolge – die Casting-Show hat er 2013 gewonnen – fremdelte.

Auf der Bühne klappte es ja auch in Hannover. Doch in der Stunde des größten Erfolgs dominierten einmal mehr Zweifel. Er fürchtete, sich für die Show in Wien komplett verstellen zu müssen, sagt er der SZ. „Jeder will da Antworten auf hirnrissige Fragen, für die ich keinen Nerv hätte. Das hat mir plötzlich eine Riesenangst gemacht.“

Therapie wegen Panikattacken und  Atemnot

Offen bekennt der 29-Jährige in dem Interview, dass er in therapeutische Behandlung ist.„Ich wollte, dass das endlich aufhört.“ Das, das sind „die Panikattacken, die Atemnot, die vielen schlaflosen Nächte, die Grübelei über den Tod“. Kümmert sei dabei, heißt es in dem Text, zu lernen, dass er, der als Kind eher Außenseiter war, zu einer Person des öffentlichen Lebens geworden ist. Und er arbeite an der Fähigkeit, sich besser in andere hinein zu fühlen und Kritik nicht immer gleich als „Totalvernichtung“ zu empfinden.

Und er gibt weiter Konzerte. Das kann er am Besten. Wenn Andreas Kümmert performt, ist er mit sich eins. Nicht nur mit der Stimme, mit dem ganzen Körper – und der Seele – legt er sich in die Songs, in die eigenen Balladen genauso wie in Klassiker von Elton John oder Joe Cocker. Der 29-Jährige füllt die Clubs von Rostock bis Offenburg, von Graz in Österreich bis Solothurn in der Schweiz. Anfang März geht er wieder auf Tour.

Wieder entspannter und lockerer

Schaut man auf seine „offizielle Facebook-Seite“, wirkt Andreas Kümmert entspannter und lockerer als noch vor einem Jahr. Ein Eindruck zumindest. Ob er wohl diesen Donnerstag die Live-Übertragung vom ESC-Vorentscheid 2016 im Fernsehen anschaut? Lassen wir ihn einfach in Ruhe.

Lesen Sie hier noch einmal den Liveblog der spannenden Nacht mit Andreas Kümmert in Hannover.

Zehn Kandidaten für Stockholm

An diesem Donnerstag (Beginn 20.15 Uhr) überträgt die ARD live aus Köln den deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest (ESC) 2016. Zehn Kandidaten sind dabei, unter anderem der Münchner Alex Diehl mit dem Song „Nur ein Lied“, den er nach den Terroranschlägen von Paris geschrieben hat und der im Internet bereits millionenfach geklickt wurde.

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Weitere Teilnehmer, wenn „Unser Lied für Stockholm“ gesucht wird, sind Avantasia, Ella Endlich, Gregorian, Jamie-Lee Kriewitz, Joco, Keöma, Laura Pinski, Luxuslärm und Woods of Birnam. Zuvor war die ARD mit der Idee gescheitert, ohne Zuschauer-Voting den Sänger Xavier Naidoo zu nominieren. Nach heftigen Protesten im Netz wurde der Vorschlag wieder einkassiert.

Unterdessen hat Thomas Schreiber, der ARD-Unterhaltungskoordinator, in einem Interview mit dpa betont, man habe mit den Künstlern, ihren Managements und Plattenfirmen intensive Gespräche geführt und „Vereinbarungen“ getroffen, damit sich ein Rückzug, wie der von Andreas Kümmert, in diesem Jahr nicht wiederholt.

 

 
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Kommentare
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  • J. N.
    sind eine ernstzunehmende Krankheit, keine "Starallüren" oder sonstwas, was man Andreas Kümmert vorwirft.
    Er kann momentan nicht, das ist halt so, und das ist nicht seine Schuld.
    Gebt ihm die Zeit, gesund zu werden und setzt ihn nicht unter Druck.

    Ich wünsche ihm, dass er die Hilfe erhält, die er momentan braucht.
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  • A. F.
    Kümmert hat sich letztes Jahr selbst ins Abseits "geschossen".

    Warum also interessiert "uns" der Mann heute noch!?

    Es gibt wirklich wichtigeres auf dieser Welt!
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  • M. P.
    Das muss ich auch noch lernen, bevor ich mich mit Kümmert beschäftige.
    Was ist nur aus unserer Welt geworden?? Chaos wo man hinblickt.
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