
Lachende Schüler vor dem Eingang des Buntsandsteingebäudes, die für ein Klassenfoto posieren. Ausgelassene Kinderrufe vom kleinen Floß auf der Sinn hinter dem Haus. Der Klang von Streich- und Zupfinstrumenten, der durch die Gänge schallt. Im Schullandheim Schaippachsmühle in Schaippach hatten unzählige Kinder Spaß mit ihren Klassenkameraden. Meist war es ihre erste Reise ohne die Eltern. Die Schüler schliefen in Stockbetten, rösteten Stockbrot über dem Lagerfeuer und erkundeten die Umgebung.
Auch Chöre und Kapellen nutzten das Haus für Probenwochenenden. Hier wurden Hochzeiten, Klassentreffen und Taufen gefeiert. Doch seit Anfang September ist es ruhig geworden auf dem weitläufigen Gelände. Die beiden Trakte des mit grünen Fensterläden bestückten Schullandheims sind verwaist. Im Garten wuchert das Gras, auf den Fensterbrettern welken die Blumen, der von Furchen durchzogene Hartplatz liegt verlassen da. Hier schießt derzeit niemand mehr Tore oder wirft Körbe, denn die Schaippachsmühle ist seit dem 1.September geschlossen.
Schaippachsmühle hat schillernden Eigentümer

Bärbel Flügel hat das Schullandheim 20 Jahre lang geleitet. Nun hat die 64-Jährige aus gesundheitlichen Gründen aufgehört. Der Eigentümer des privaten Schullandheims, Robert Franz, habe nach Aussage Flügels daraufhin beschlossen, "nicht mit jemand anderem weiterzumachen". Franz, der Nahrungsergänzungsmittel vertreibt, hat die Schaippachsmühle vor sechs Jahren von der Würzburgerin Claudia Sitzer gekauft. Diese hatte die Immobilie im Jahr 2003 wiederum von der Stadt Würzburg erstanden. Nun würde Franz das Gebäude nach Angaben der ehemaligen Hausleiterin selbst gerne verkaufen.
Zu Zeiten der Corona-Pandemie blieben die Gäste in Schaippach wegen der Lockdowns aus. Das Schullandheim habe sich während und auch nach der Pandemie finanziell nicht getragen, berichtet die ehemalige Hausleiterin. "Die Jugendherberge in Lohr hat ja auch geschlossen, weil sie es finanziell nicht gepackt hat", sagt Flügel. Die Sozialpädagogin rechnet es dem Eigentümer hoch an, dass er das Schullandheim "sehr großzügig durch die Pandemie geschleift" und sechs Jahre lang über Wasser gehalten habe.
Am Ende arbeiteten noch acht Frauen in der Schaippachsmühle
Nun musste Bärbel Flügel schweren Herzens doch einen Schlussstrich unter die lange Geschichte des Hauses ziehen. Der Betrieb ist zum 1. September eingestellt, das Team aufgelöst worden, berichtet sie. Am Schluss arbeiteten noch acht Frauen in der Schaippachsmühle, die Flügel als ihre "Schullandheim-Familie" bezeichnet, ohne die es nicht gegangen wäre.
Über 20 Zimmer mit insgesamt rund 90 Betten verfügte das Schullandheim. Dort übernachteten unter der Woche hauptsächlich Schülerinnen und Schüler aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. An den Wochenenden und in den Ferien beherbergte das Haus dann Vereine, Familien und Freizeitgruppen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Letzte Saison waren fast 500 Schüler zu Gast
Wenn Bärbel Flügel von ihrer Arbeit spricht, leuchten ihre Augen. Sie erzählt vergnügt von einer Gruppe von Thailänderinnen, die sich beim nächtlichen Karaoke so verausgabt hatten, dass sie beim Frühstückmachen alle ganz heiser waren. Die letzte Saison bezeichnet sie als "absoluten Renner". Von März bis zum Sommer sind nach ihren Angaben noch einmal fast 500 Schüler zu Gast in Schaippach gewesen, die Erwachsenengruppen am Wochenende gar nicht mitgerechnet. "Wir haben allen Wiedersehen und Tschüss gesagt. Viele wären gerne auch weiterhin nach Schaippach gekommen", sagt die 64-Jährige.
Dazu gehört auch Petra Breitenbach, die die Lohrer Musikschule leitet. Mit einigen Musikschülern besuchte sie im Frühjahr als Dozentin ein Probenwochenende für Kinder, das der bayerische Landesverband des Bunds Deutscher Zupfmusiker (BDZ) dort veranstaltet hatte. Wenn die 60-Jährige vom Schaippacher Schullandheim spricht, nennt sie die neben schönem Wetter wohl wichtigsten Gründe für einen gelungenen Aufenthalt, die auf keiner Urlaubspostkarte fehlen dürfen: "Es war immer toll, weil es schön liegt, die Leute sehr nett sind und das Essen gut ist."
Gebäude ist in die Jahre gekommen
Breitenbach ist sehr traurig, dass das Schullandheim nun nicht mehr existiert. Sie selbst war bereits als Sechstklässlerin mit der Lohrer Hauptschule dort. Damals habe es nur zwei große Schlafsäle im neuen, hinteren Teil gegeben – einen für Mädchen, einen für Buben, erzählt sie. "Die Lehrer-Schlafräume waren zwischendrin und hatten ein Fenster. Wenn Halligalli war, haben die Lehrer da reingeguckt und gesagt: Jetzt is aber e Ruh."
Dass das Gebäude in die Jahre gekommen ist, gibt auch Bärbel Flügel unumwunden zu. Das Dach müsste gemacht und der durch Hochwasser aufgequollene Hartplatz erneuert werden, sagt sie. "Wir hätten aber schon noch ein paar Jahre weitermachen können. Bewohnbar ist es noch gewesen", schiebt sie hinterher. Perfekt sei das Schullandheim nie gewesen, doch das hatte laut der 64-Jährigen für die Kinder und Lehrer auch einen großen Vorteil: "Wenn jemand mal eine Schramme irgendwo reingemacht hat, ist nicht gleich die Welt zusammengebrochen."
Schaippachsmühle hat ein besonderes Flair

Die einstige Hausleiterin schwärmt vom besonderen Flair der Schaippachsmühle mit dem großen Garten direkt an der Sinn. Dieser Flair hatte offenbar eine hohe Anziehungskraft. Petra Breitenbach hatte daher nie Probleme, jugendliche Betreuer für die Musikwochenenden dort zu finden. "Die waren total scharf drauf mitzufahren und wieder in dem Schaippach-Feeling zu sein", erzählt sie.
Gemündens Bürgermeister Jürgen Lippert hat nach eigener Aussage durch Zufall von der Schließung der Schaippachsmühle erfahren. Auch er findet es schade, weil immer wieder Jugendgruppen und Schulen aus Gemünden für verschiedene Projekte dort waren. Seine Kinder hätten immer mal wieder Musikwochenenden im Schullandheim verbracht, um sich auf Schulkonzerte vorzubereiten, erzählt der 57-Jährige.
Hat die Stadt Gemünden Interesse am Kauf?
Auf die Frage, ob die Stadt Gemünden Interesse an dem Gebäude hat, wenn es zum Verkauf steht, antwortet Lippert: "Man müsste erst einmal prüfen, inwieweit das für städtische Aufgaben notwendig sein könnte. Einfach nur ein Gebäude zu kaufen, dass es die Stadt hat, macht keinen Sinn." Bei der Suche nach Platz für eine neue Freizeitanlage für Jugendliche schafft das Areal keine Linderung, denn diese soll in der Kernstadt entstehen. Für die Schaippacher Jugendlichen gibt es laut Bürgermeister Lippert bereits einen Jugendraum.
Im mit rund 350 Einwohnern sehr beschaulichen Schaippach wird es künftig wohl noch ruhiger zugehen. Vor Corona beherbergte das Schullandheim etwa 50 Schulklassen pro Jahr. Ob es unter den ehemaligen Gästen aus Nostalgiegründen Kaufinteressenten gibt, wird die Zukunft zeigen. Noch scheint die Immobilie nicht auf dem Markt zu sein. Eigentümer Robert Franz war weder telefonisch noch per Mail für eine Stellungnahme zu erreichen.