
An einem schlechten Tag kommt Davina Voß (19 Jahre) kaum dazu, etwas anderes zu machen außer im Bett zu liegen, zu schlafen und immer wieder auf die Toilette zu rennen. Zwischendurch versucht sie, eine Kleinigkeit zu essen. Doch oft hat sie Angst davor oder keine Lust, etwas zu essen. Denn sie weiß was passiert, wenn sie ein bisschen oder gar etwas Falsches isst: Sie bekommt krampfartige Schmerzen und Durchfälle. Seit fast zwei Jahren kämpft Davina Voß aus Steinfeld im Landkreis Main–Spessart mit der Autoimmunerkrankung Colitis Ulcerosa. Fest steht: Die Krankheit wird sie ihr Leben lang begleiten und einschränken. Die 19-Jährige berichtet von ihren Erfahrungen.
Was genau ist Colitis Ulcerosa?
Die Symptome von Colitis Ulcerosa treten schubweise auf. Jeder Schub könne unterschiedlich stark sein und variiere auch in der Dauer, sagt Voß. Sie selbst sagt: "Es ist eine chronische Darmerkrankung, wo die eigenen Immunzellen gegen an kämpfen. Dabei entstehen die Entzündungen, welche zu Folgen wie häufigen Durchfällen, Stuhldrang und Bauchschmerzen führen. Es ist eine Erkrankung, die deine Lebensqualität einschränkt."
Bei Colitis Ulcerosa kommt es zu einer gestörten Barriere der Darmschleimhaut. Das führt unter anderem zu einer Fehlsteuerung des Immunsystems: So reagiert der Körper auf Darmbakterien, die normalerweise toleriert werden sollten. Es bilden sich Entzündungen. Diese beginnen im Enddarm und können sich von dort aus über den gesamten Dickdarm verbreiten. Teilweise könne im schlimmsten Fall auch ein Stück des Dünndarms betroffen sein, weiß Voß. Entzündet ist allerdings "nur" die obere Darmwandschicht. Im Gegensatz zur Krankheit Morbus Crohn, bei der die Entzündungen tiefer sitzen und auf den ganzen Verdauungstrakt verteilt sind. Voß sagt dazu: "Man könnte sagen, dass Colitis mehr oder weniger die 'kleine Schwester' von Morbus Crohn ist."
V0ß hat schon vor ihrem 18. Geburtstag Symptome gezeigt, allerdings ist sie erst viel später zum Arzt gegangen. "Ich habe mir nichts dabei gedacht und es halt auf andere Ursachen geschoben." Auch als sie Blut im Stuhl entdeckte, vertraute sie sich erst zwei Wochen später jemandem an. Was die Betroffenen immer begleitet, ist die Scham und Angst, offen über die Krankheit zu sprechen. So sagt Voß: "Es ist eine Erkrankung, über die niemand gerne redet, weil es halt um Durchfälle geht. Es ist ein Tabu-Thema in unserer Gesellschaft."
Das Leben von Voß hat sich seit der Erkrankung deutlich verändert
Sie habe Glück gehabt, dass die Darmerkrankung so früh diagnostiziert wurde, da sich viele nicht trauen würden, frühzeitig zum Arzt zu gehen. V0ß betont, dass unter der Krankheit mehr Menschen leiden würden, als unter Morbus Crohn, zumindest in Deutschland. Laut dem Bundesministerium für Bildung und Forschung leiden 320.000 Menschen (Stand 2019) unter chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Für Colitis Ulcerosa wird eine Zahl von 168.000 Erkrankten geschätzt. Es wird jedoch vermutet, dass die Dunkelziffer noch viel höher liegt.
Der Freundeskreis der 19-Jährigen hat sich enorm reduziert, erzählt sie, da einige ihrer Freunde kein Verständnis gezeigt haben, zum Beispiel, wenn sie sich durch die Erkrankung zurück zog. "Im Endeffekt bin ich aber auch froh darüber", sagt sie, da die 19-Jährige nun wisse, wer wirklich für sie da wäre. Während eines Schubs muss sie ihre Ernährung umstellen, und vor allem ballaststoffreich und sehr fettarm essen. Außerdem verträgt sie Milchprodukte und Tomatensauce auch unabhängig von einem Schub nicht. Zudem hat sich ihre Lebenseinstellung verändert: Mittlerweile ist sie ruhiger, weniger extrovertiert und geht seltener weg, wenn sie eine Schubphase hat.
Vor allem die Angst war am Anfang der Erkrankung ein starkes Symptom
Ihre Symptome seien immer unterschiedlich stark ausgeprägt, erzählt Voß. So waren es im ersten Schub krampfartige Bauchschmerzen und Ängste, während es im aktuellen Schub, der nun schon knapp fünf Monate dauert, eher Blutverlust und Stuhldrang waren. Zudem leide sie unter Übelkeit, Blähungen, (blutigen) Durchfällen, Müdigkeit und Ängsten. "Ängste, dass du dich nicht mehr traust, irgendwohin zu gehen. Dass du eigentlich paranoid wirst, weil du wissen musst, dass da, wo du hingehst, eine Toilette sein muss. Es ist eine Sicherheit, die man braucht, wie die Schuhe an den Füßen, um rauszugehen. Denn was, wenn ich mir in die Hose mache, was würden dann andere von mir denken?", sagt Voß.
Die psychischen Auswirkungen der Krankheit sind deutlich spürbar: Die Krankheit hat sie sensibler gemacht, meint Voß. "Ich bin, wenn ich einen Schub habe, einfach labiler. Ich weine schneller, bin gereizter und schneller genervt. Ich fühle alles an negativen Emotionen stärker." Voß erzählt, dass es eine Art "Zusammenspiel" zwischen der Psyche und dem Darm gibt. Ein Schub belastet den Patienten auch psychisch und viele Patienten behaupten, die psychischen Probleme könnten einen neuen Schub auslösen. Dieses Zusammenspiel werde "Darm-Hirn-Achse" genannt.
Für Voß war es am Anfang "eine Achterbahnfahrt der Gefühle"
Während ihres ersten Schubs sei Voß in ein Loch gefallen. Teilweise hätte sie die Welt nicht mehr verstanden und sich gefragt, warum gerade sie die Erkrankung getroffen hat. Besonders belastend sei für sie gewesen, dass sie nicht offen darüber reden konnte. "Man fühlt sich alleine", sagt Voß. Auch das Nachschauen der Leute, wenn sie unterwegs aufs Klo rennen müsse und die Dringlichkeit, wie zum Beispiel nachts ständig auf die Toilette zu müssen, nerve sie sehr.
Zudem könne sie keine Pläne machen, da sie nicht wisse, wie es ihr am nächsten Tag gehe. Die konstante Angst, nicht auf die Toilette gehen zu können oder etwas zu essen, das zum Durchfall führen könnte, der zusätzliche Stress mit Freunden, die Ungewissheit, wie lange der Schub andauern würde, habe Voß oft traurig gemacht.
Besser wurde es erst, als der Schub nachgelassen hatte. "Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich mich selbst hätte aus dem Loch rausziehen können. Aber meine Mutter hat mir sehr geholfen und war immer für mich da." Mittlerweile weiß sie aber, wie sie mit einem Schub umgehen müsse und hat Unterstützung durch einen verständnisvollen Partner. Doch die Unsicherheit, keine festen Zukunftspläne machen zu können oder nicht zu wissen, wie zukünftige Arbeitgeber auf die Erkrankung reagieren, belaste sie im Moment am meisten.
"Das Problem ist, das ich keinen keinen Behinderungsgrad habe und selbst wenn, dann wäre es ein Grad von 20, damit hätte ich keinen besonderen Kündigungsschutz." So könne Voß fristlos gekündigt werden, wenn sie krankheitsbedingt viele Fehltage hätte. Deshalb wollte sie erst anonym bleiben und entschied sich später doch dazu, ihren echten Namen in diesem Artikel zu verwenden. Sie wolle zeigen, dass man sich nicht dafür schämen sollte, unter einer Krankheit zu leiden.
Wie können wir mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankten umgehen?
"Wenn ich jemanden kennenlerne und von meiner Krankheit erzähle, wünsche ich mir, dass er sich wenigstens den Namen merkt oder sich darüber informiert und nicht mit Morbus Crohn verwechselt. Wenn sich nahestehenden Personen nicht mit deiner Erkrankung auseinandersetzen, dann ist das schon verletzend. Sonst will man ja auch immer alles vom Leben der anderen wissen." Von fremden Menschen würde sie sich wünschen, dass man ihr nicht nachschaut und die Stirn runzelt. Allgemein hofft Voß, dass ihre Krankheit bekannter wird und jedem etwas sagt, so wie Morbus Crohn, damit mehr Verständnis für die Betroffenen da ist.
Schubfrei seit 5 Jahren, allerdings erst im Alter mit der Krankheit diagnostiziert worden. Alles Liebe für Sie, gute Besserung.
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Wünsche dir gute Besserung.