Drei Jahre sind seit dem ersten Lohrer Kunstpreis vergangen. Jetzt ist der Tag gekommen: An diesem Mittwoch wird vor der neuen Stadthalle in Lohr (Lkr. Main-Spessart) jene in Bronze gegossene Schneewittchenfigur aufgestellt, mit der der Karlstadter Künstler Peter Wittstadt 2013 den Kunstpreis gewonnen und für reichlich Schlagzeilen gesorgt hatte. Eines ist gewiss: Es wird erneut ein beachtliches Medienecho geben.
Rückblick: Vor rund 30 Jahren kamen drei selbst ernannte „Fabulologen“ am Stammtisch eines Lohrer Weinhauses zu der Erkenntnis, dass die Grimm'sche Märchengestalt Schneewittchen, wenn überhaupt, nur in Lohr gelebt haben könne. Sie führten eine Reihe von Indizien ins Feld, darunter die Existenz von Schloss, Spiegelmanufaktur, kleinwüchsigen Bergarbeitern und auch sieben Bergen. Sogar eine Glasmachertradition gibt es im Spessart, weswegen auch der Schneewittchensarg kein Problem gewesen sein dürfte. Als Schneewittchen auserkoren wurde schließlich das 1725 geborene und einst im Lohrer Schloss lebende Freifräulein Maria Sophia Margaretha Catharina von Erthal.
Aufstieg zur Werbefigur
Die Idee der „Märchenforscher“ zog ungeahnte Kreise. Medien aus dem In- und Ausland berichteten über das Lohrer Schneewittchen, das so zur touristischen Werbefigur der Spessartstadt avancierte. Im November 1987 fand in Lohr eine Spezialitätenwoche unter dem Motto „Gut essen und trinken mit Schneewittchen“ statt. Konditoren offerierten „Schneewittchenspringerle“, Lebkuchenzwerge und glasierte Äpfel. Noch im selben Jahr schlüpften junge Frauen im Auftrag der Stadt bei diversen Veranstaltungen ins Schneewittchenkostüm. Das Schneewittchen begrüßte Reisegruppen und Messebesucher. 1990 gipfelte die Lohrer Schneewittchengeschichte erstmals in dem von Bartels vorgestellten Buch „Schneewittchen – zur Fabulologie des Spessarts“. Seit 2013 wirbt die Stadt mit zwei großen Werbetafeln an der A3 für ihr Schneewittchen. Ebenfalls 2013 wurde im Lohrer Spessartmuseum ein eigener Raum nur zu diesem Thema eingerichtet.
Jury sorgte für Überraschung
Als die Stadt 2013 erstmals einen mit 10 000 Euro dotierten Kunstpreis auslobte, machte sie konsequenterweise Schneewittchen zum Thema. Gewünscht war eine „realistisch-figürliche aber nicht unbedingt naturalistische“ Darstellung der Märchengestalt. Sie sollte in Lohr aufgestellt werden, um Besuchern der Schneewittchenstadt etwas zu bieten.
Doch dann wählte eine mit Vertretern aus Verwaltung und Kunstszene besetzte Jury aus den 27 Bewerbungen eine Gestalt zum Siegermodell, die für einen Aufschrei in der Lohrer Bevölkerung sorgte: das baumartige, reichlich knorzige Schneewittchen Wittstadts.
In der Spessartstadt und darüber hinaus entbrannte eine monatelange und hitzige Diskussion darüber, was Kunst ist und darf. Ebenso wie im Jahr 1986 setzte ein enormes Medienecho ein. Ungewollt wurde das Kunstwerk so zu einem werbetechnischen Glücksgriff für die bis dahin in dieser Hinsicht eher dahindümpelnde Schneewittchenstadt.
Freilich hatte die Sache ihren Preis: 103 000 Euro musste die Stadt für die Realisierung an den Künstler zahlen. Die ursprünglich in der Ausschreibung des Kunstpreises vorgesehene Kostenobergrenze war im Rathaus aus unerfindlichen Gründen gestrichen worden.
Mittlerweile jedoch werden die anfänglich nur zähneknirschend akzeptiertem Kosten von vielen in Lohr als bestens investierter Betrag erachtet, und zwar nicht nur wegen des seither deutlich gestiegenen touristischen Bekanntheitsgrades der Schneewittchenstadt. Denn der Wirbel um die verfremdete Märchenfigur hat der Schneewittchenlegende in der Stadt selbst einen bis dahin ungeahnten Schwung gegeben.
Geburt des „Horrorwittchens“
Es gründete sich eine Initiative, die eine weitere, deutlich schlichtere Schneewittchenfigur in Auftrag gab und mittlerweile auch aufstellen ließ. Verteilt über das Stadtgebiet entstanden etliche Schneewittchenspielpunkte.
Schließlich entwarf der Lohrer Gymnasiast Valentin Lude als Reaktion auf das Wittstadt-Schneewittchen das „Horrorwittchen“: Sein Graffito einer Gestalt, die mit Messer bewaffnet den sieben Zwergen nachstellt, ist mittlerweile tausendfach auf T-Shirts und Autoaufklebern zu sehen.
Und so haben die Lohrer, so scheint es jedenfalls, mehrheitlich ihren Frieden gemacht mit der Schneewittchengestalt, die vor zweieinhalb Jahren noch für einen so heftigen Aufschrei gesorgt hatte.
Aufstellung gegen 14 Uhr
Die rund 500 Kilo schwere und 2,9 Meter hohe Figur soll an diesem Mittwoch direkt aus der Kunstgießerei in Tschechien angeliefert und gegen 14 Uhr aufgestellt werden – vor der neuen Lohrer Stadthalle, jenem gut 20 Millionen Euro teuren Bauwerk also, das wegen seiner ausgefallenen Architektur ebenfalls für reichlich Diskussionsstoff liefert.
aber Schneewittchen ist tausendmal schöner als Ihr.“
Mehr gibt es da wohl nicht anzumerken................