Mode kommt und geht – das trifft auf Schnitte, Farben und Stoffe zu. Aber auch auf die dazugehörigen Geschäfte. Schaut man auf die Modelandschaft in Marktheidenfeld, hat sie sich ebenfals verändert: In den 70er und 80er Jahren dominierten die sogenannten Multi-Label-Geschäfte wie das Modehaus "Grön" am Marktplatz oder "Döhler & Väthjunker" in der Obertorstraße, die verschiedene Bekleidungshersteller anboten. Sie wurden nach und nach abgelöst von Mono-Label-Läden mit nur einer Marke. Eine aber kam und blieb sich treu - und das 36 Jahre lang: Michaela Welzenbach mit ihrem Modegeschäft Maribou in der Bronnbacher Straße 17. Jetzt macht sie zum Ende des Jahres die Türen für immer zu. Eins vorweg: Corona ist nicht der Grund.
Dass "Maribou" die Abkürzung für "Marktheidenfeld (Ma)-Rieneck (ri)-Boutique (bou)" ist, wissen wahrscheinlich die wenigsten. Die erschließt sich aber schnell: Michaela Welzenbach stammt aus einer alten Rienecker Kaufmannsfamilie. Knapp 70 Jahre lang, bis 2019, betrieben ihre Eltern Lore und Hermann Welzenbach das "Kaufhaus Welzenbach" in Rieneck. Für Michaela Welzenbach war der Laden ein zweites Zuhause: Hier hat sie geholfen Regale einzuräumen, später selbst an der Kasse gesessen und die Eltern im Urlaub vertreten.
Nach Marktheidenfeld kam die heute 54-Jährige in den 80er Jahren. Die Czerny-Manufaktur aus Gemünden fragte Familie Welzenbach, ob sie in Marktheidenfeld ein Modegeschäft mit ihrer Trachtenmode betreiben wolle. Sie sagte zu. Wenig später eröffnete der "Modetreff", zunächst in der Luitpoldstraße 12a, den jetzigen Räumen der Fahrschule Alex Academy. Ein Jahr später wurde der "Modetreff" namentlich zu "Maribou". 1991 folgte der Umzug in das jetzige Ladenlokal in das neugebaute Gebäude in der Bronnbacher Straße 17.
Die "Trachten" allerdings reizten Michaela Welzenbach weniger. Im Gegenteil, sie wollte stets möglichst frischen Wind in ihr Geschäft bringen. Orderten andere zweimal im Jahr ihre Kollektionen, fuhr sie damals wöchentlich nach Frankfurt und kaufte Ware ein. Dass sie mit dieser Taktik und ihrem Geschmack anscheinend oft den Nerv der Kundinnen traf, zeigt sich jetzt. "Viele kommen und bedanken sich bei mir, dass ich sie 36 Jahre lang gut angezogen hab", sagt sie. Denn genau das war ihr Steckenpferd: Ein guter Blick für Typ und Stil und die individuelle Beratung. "Das Schöne an jedem sehen und mit der richtigen Kleidung herausarbeiten", beschreibt sie ihre Herangehensweise. Im Konzept inbegriffen: Die passgenaue Änderung der Kleidungsstücke, sollte mal etwas nicht richtig sitzen. Möglich machten das zwei Schneiderinnen, mit denen Michaela Welzenbach zusammenarbeitete. Dass sie damit richtig fuhr, bestätigten ihr Rückmeldungen wie diese: "Sie verkaufen mir ständig Sachen, die ich überhaupt nicht brauche", bekam sie einmal von einer Kundin zu hören. Mit dem Nachsatz: "Aber die zieh' ich am meisten an."
Doch ohne Fleiß kein Preis: 50 bis 60 Wochenstunden kommen bei Michaela Welzenbach zusammen. Jeden Tag steht sie im Geschäft, berät Kunden oder bestellt Ware nach. Und sie hat auch einiges ausprobiert. In einer Aktion bot sie zum Beispiel ihren Kundinnen an, zuhause gemeinsam ihren Kleiderschrank durchzuschauen und Outfits zusammenzustellen. "Die Leute sind sehr fixiert auf mich. Das Geschäft bin ich", sagt sie. Durch diese Kundenbindung sei sie Online-Shops haushoch überlegen, so Welzenbach. Das hätte sich auch nach dem ersten Lockdown im Frühjahr gezeigt: Das Geschäft sei sofort wieder gelaufen. Und: "Die Leute haben noch mehr geschätzt, dass wir da sind."
Mehr Zeit für sich und die Familie - und das nicht erst im Rentenalter
Warum sie trotzdem mit 54 Jahren aufhört: Sie möchte mehr Zeit für sich und ihre Familie genießen – und das nicht erst im Rentenalter. Zudem gibt es genug zu tun. Ein Enkelkind freut sich auf mehr Zeit mit seiner Oma. Und ein Sohn hat sich gerade mit einem Elektromeisterbetrieb in Rieneck selbstständig gemacht. Für ihn wird sie den kaufmännischen Part übernehmen. Und sie hat sportliche Projekte: Zum Beispiel den Jakobsweg gehen oder die Alpen überqueren. Das Geschäft wollte keiner ihrer drei Kinder übernehmen. "Sie sind alle beruflich in andere Branchen gegangen", so Welzenbach.
Wo kauft die Mode-Expertin künftig selbst ihre Kleidung ein? Eine Frage, die ihr auch ihre Kundinnen immer wieder stellen. Sie weiß es noch nicht. Aber sie wird ihr Umfeld daran teilhaben lassen. Denn ihre Maribou-WhatsApp-Gruppe bleibt erst einmal bestehen.