
Daniel Roth ist ehrlich: "In Main-Spessart kenne ich mich nicht so gut aus. Da gibt's Dörfer, in denen ich noch nie war." Die Begriffe "B26n " und "SuedLink" hat er "mal gehört", mit Detailkenntnis glänzt er aber nicht. Mag sein, dass aus Main-Spessart stammende Kandidaten auch nicht mit allen Nuancen der Themen und Kommunen des Landkreises Miltenberg vertraut sind, aber Politprofis räumen im Gespräch mit der Presse eher selten ein, dass sie sich mit etwas nicht gut auskennen. Ein Profi ist Roth aber nicht. Der 32-jährige Koch aus Leidersbach sagt: "Ich trete bei der Bundestagswahl an, um zu lernen. Und um die Partei weiterzubringen."
Die Partei, für die er antritt, nennt sich LKR, die Liberal-konservativen Reformer. Bei der Europawahl 2019 kam die LKR auf 0,1 Prozent; bei den letzten Bundestags- und Landtagswahlen traten die Reformer nicht an. Ins Leben gerufen wurde die LKR 2015 vom ehemaligen AfD-Bundessprecher Bernd Lucke, weil diesem die rechtsextremen Tendenzen in der AfD zu stark wurden. Der ursprüngliche Name der Gruppierung, Allianz für Fortschritt und Aufbruch (ALFA), wurde in Liberal-konservative Reformer geändert.
Früher in der FDP, Bruch wegen Kemmerich-Wahl
Daniel Roth war ab 2010 etwa zehn Jahre lang Mitglied der FDP. "Ich wollte nicht nur meckern, ich wollte auch etwas bewegen", erklärt er sein Engagement in der Politik. Da er sich als "freiheitsliebenden Menschen" bezeichnet, der "möglichst wenig Einmischung des Staates" wünscht, waren die Liberalen naheliegend. Die Affäre um die Ministerpräsidentenwahl von FDP-Politiker Thomas Kemmerich in Thüringen im Februar 2020 war für Roth aber ein Knackpunkt in der Beziehung zur FDP. Nicht, weil die Liberalen bei der Wahl gemeinsam mit der AfD abstimmten, sondern weil "eine demokratisch erfolgte Wahl rückgängig gemacht wurde", so Roth.
Trotzdem möchte er sich gegenüber der AfD klar abgrenzen. "Ich bin konservativ, aber nicht rechtsextrem." Dass den Flüchtlingen 2015/2016 geholfen wurde, bezeichnet Roth als "selbstverständlich, das war eine Notsituation". Aber hinterher müsse eine Bewertung erfolgen, wer bleiben dürfe. Prinzipiell befürworte er eine Einwanderungspolitik nach Vorbild der skandinavischen Länder, der Schweiz oder Australiens. "Wir sollten Leute holen, die wir hier brauchen." Für die Flüchtlingsfrage brauche es eine "gesamteuropäische Lösung".
Auch bei Angela Merkels Klimapolitik habe er manchmal den Eindruck, dass Deutschland die Welt allein retten wolle. Einerseits: "Es muss natürlich beim Klima etwas getan werden." Andererseits: "Es muss bezahlbar bleiben." Die Grünen jedenfalls hätten sich zu einer "Partei der Besserverdiener" entwickelt, meint Roth. Dass in CDU/CSU heutzutage über Koalitionen mit den Grünen nachgedacht werde, gefalle ihm nicht. Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß, das seien noch Politiker von Format gewesen. Heute könne er sich am ehesten mit Wolfgang Bosbach identifizieren.
Die Probleme einer Kleinpartei
Darüber spricht Roth im Plauderton. Dass er nach den Wahlen in den Bundestag einzieht, erwartet er selbst nicht. "Da bin ich realistisch", sagt er. Es gehe darum, die LKR bekannter zu machen, um mittelfristig bei einer Wahl mal o,5 oder 1 Prozent zu erzielen und in die Parteienfinanzierung zu rutschen. Das würde vieles einfacher machen. Derzeit gibt es im Landkreis Miltenberg nur eine Handvoll Mitglieder, in Main-Spessart kennt Roth keine. Im benachbarten Aschaffenburg sorgt die Kandidatur Holger Stengers für Aufmerksamkeit – den kennen viele als früheren Vorstandssprecher von Viktoria Aschaffenburg und Sänger der beliebten Band Joe Schocker.
Dort war es nicht schwer, die für eine Kandidatur nötigen Unterstützer-Unterschriften aufzutreiben. Im Landkreis Miltenberg half die Pandemie. Roth sagt: "Wegen Corona waren dieses Jahr nur 50 Unterschriften für eine Direktkandidatur nötig. Früher waren es immer 200; das wäre schon schwierig geworden."
Auch im Wahlkampf wird Roth keine ganz großen Sprünge machen. Das liegt zum einen daran, dass er alles alleine und mit begrenzten Mitteln organisieren muss; zum anderen an seinem Beruf. Roth arbeitet als Koch in Groß-Umstadt bei Darmstadt. "Ich arbeite jedes Wochenende im Restaurant und komme erst spät nach Hause. Da werde ich nicht jeden Samstagvormittag auf Marktplätzen Flyer verteilen." Ohnehin mag er das persönliche Gespräch lieber.
Natur, Sport und Rockmusik
"Mein bester Freund ist CSU-Gemeinderat in Obernburg. Bei seinem Geburtstag kürzlich habe ich mich mit mehreren Leuten unterhalten", berichtet Roth. Wenn er dann davon spricht, dass er sich für Digitalisierung, besseren ÖPNV und Straßensanierungen einsetzt, wenn er betont, "dass Bildung mit das Wichtigste ist, für das der Staat Geld ausgeben sollte", dann erntet er dafür viel Zustimmung.
Deshalb ist er davon überzeugt, dass "für eine Partei zwischen CDU/CSU und der AfD noch Platz ist". Nur bekannter müsse die LKR noch werden. Dazu wolle er beitragen. Er glaubt auch, dass er sich dort besser einbringen könne als in größeren Parteien mit eingefahrenen Strukturen.
Und wenn ihm die Politik zu viel wird, dann geht er in der Natur spazieren. "Ich fahre auch gern zum Handball beim TV Großwallstadt oder zum Fußball bei Viktoria Aschaffenburg", erzählt der Leidersbacher. Außerdem mag Daniel Roth Blues und Rockmusik, beispielsweise Jimi Hendrix oder Led Zeppelin. Klingt ganz normal, vielleicht ein bisschen konservativ.