Es war in der Tat ein gigantisches Unternehmen, das nach monatelanger Vorbereitungszeit von Schülern des P-Seminars am Karlstadter Johann-Schöner-Gymnasium mit professioneller technischer und menschlicher Power an einem Tag erfolgreich gestemmt wurde: Der rund 36 Meter hohe Glockenturm der Pfarrkirche "Zur Heiligen Familie" ist nun bis zum 22. Oktober in Anlehnung an die Verhüllungsaktionen des bekannten Künstlers Christo in weißer Verpackung eingehüllt.
Gut 30 Meter lang sind die hellen Bahnen aus einem speziellen Mischgewebe, das auch bei Sportplätzen oder als Unterbau für Fahrbahnen verwendet wird. Am frühen Samstagmorgen liegt das Textil noch ausgebreitet auf dem Parkplatz vor dem Kirchturm. Jetzt sind die zehn jungen Leute vom P-Seminar des JSG gefordert, denn das lange Stück muss sorgfältig nach genauen Vorgaben in Falten gelegt werden, damit es später ohne Verwicklungen von dem 40 Meter hohen Kran auf die Brüstung des Kirchturms gehievt werden kann.
Der Initiator und "spiritus rector" der Aktion, der Kunst- und Religionslehrer Jochen Diel, überwacht und gibt dazu genaue Anweisungen. Dann tragen die Schüler das schwere Paket gemeinsam zum Fuß des Turms und richten es dort aus. An vier Seilen und zehn Zurrgurten schwebt das erste Teil nach oben.
Ein gutes halbes Jahr haben die Schüler und Schülerinnen an der Vorbereitung ihrer Aktion gearbeitet. Dass es schon in der Startphase nicht ohne professionelle Hilfe gehen würde, war allen bald klar. Da war die Frage nach dem Verpackungsmaterial. Leicht sollte es schon sein, aber auch möglichst stabil und reißfest, schließlich stellen der raue Beton der Mauerecken des Gebäudes und mögliche starke Winde besondere Herausforderungen. Hier kam als ein Profi die Firma "Geo die Luftwerker" aus Lübek ins Spiel. Das von ihr vorgeschlagene Material erfüllte die Ansprüche und könne auch nach der Aktion weiterverwendet oder recyclet werden, so Felix Dickenberger von der norddeutschen Firma.
Dann war noch die Frage nach der "Man-Power" beziehungsweise der technischen Unterstützung. Lehrer Diel und seinen Leuten gelang es, eine große Truppe von Profis für ihre Idee zu begeistern. Die Karlstadter Feuerwehr stellte ihren Drehleiterwagen und Einsatzkräfte zur Absicherung zur Verfügung, auch Männer des THW packten mit an. Firmen aus der Region schickten Groß- und Hubfahrzeuge - einen 40 Meter hohen Kran und einen Hubsteiger. Dazu kamen ausgebildete Höhenarbeiter und Industriekletterer, die in luftiger Höhe die Textilbahnen vertauten und vor allem später mithilfe von massiven Spanngurten waagerecht und senkrecht fixiert werden mussten.
30 Großspender unterstützen das Projekt
Die Dritte massive zu lösende Aufgabe war die finanzielle. Fast 1000 Meter Verpackungsmaterial war eingeplant, dazu kommen rund 500 Meter an Seilen und Spanngurten, die zur Befestigung und zum farblichen Kontrast gebraucht werden. Glücklicherweise hatten sich viele der externen Helfer bereit erklärt, ohne große Entlohnung mit Hand anzulegen. Als finanzielle Unterstützung konnten rund 30 Großspender gewonnen werden und ebenso viele waren mit kleineren Beträgen beteiligt. Etwa 20.000 Euro waren anfangs eingeplant, wie viel es letztendlich wird, konnte bislang noch nicht geklärt werden.
Vor Einbruch der Dämmerung waren dann auch die letzte Bahn auf der östlichen Schmalseite aufgezogen und die Spanngurte verzurrt. Mit der Dunkelheit setzte dann auch eine dezente Beleuchtung das Werk optisch in Szene.
"Wir verpacken unseren Kirchturm", hatten sich die Schüler vorgenommen. Neben dem Experiment der "Ästhetik verpackter Architektur" wollen sie den Betrachter anregen, über Bedeutung und Funktion des Kirchturms in Religion und Gesellschaft nachzudenken, so Ideengeber und Lehrer Jochen Diel. Für die jungen Leute war es aber vor allem eine Zeit der Herausforderung bei der Planung und der Durchführung, die gewiss nicht nur den Lehrer, sondern auch sie selbst stellenweise an ihre Grenzen herangeführt haben. So ganz neben bei konnten sie lernen, sich im Vorfeld mit technischen Fragen wie Statik, Mechanik und Materialkunde zu befassen.
Auch die Pfarrgemeinde unterstützte die Aktion der Gymnasiasten mit einem umfangreichen Begleitprogramm. Noch am Abend des Aufbaus gab es eine "Turmparty", am Sonntagvormittag einen Festgottesdienst mit dem emeritierten Bischof Friedhelm Hofmann und eine offizielle Vernissage vor der Kirche. Später folgen Vorträge über Architektur und Musikgeschichte. Am 22. Oktober wird das Werk dann wieder zurückgebaut.
Kritik an Verpackungsmüll
Während des gesamten Tages lockten die Tätigkeiten am Glockenturm selbstverständlich immer wieder eine ganze Anzahl von Zuschauern an. Auch wenn einige von ihnen Kritik an "Geldverschwendung und Verpackungsmüll" äußerten, war die überwiegende Mehrzahl von ihnen sehr interessiert und viele sogar ausgesprochen begeistert.
Zur Frage der Nachhaltigkeit des Kunstprojekts betonen die Initiatoren, dass kleine Gewebestücke nach der Aktion an Interessierte abgegeben werden. Für das Westfenster der Kirche soll künftig ein größeres Stück als Verschattungsvorhang am Westfenster dienen. Der Rest wird dann stofflich recyclet.
Schade um das ganze Geld, das man sinnvoller hätte verwenden können.
Was wäre für sie Kunst?
Außerdem ist Kunst auch immer Geschmackssache!
Aber mir geht es um die Spenden die man in Krisenzeiten besser hätte verwenden können.
Übrigens hat Christo seine Verhüllungen immer aus eigener Tasche bezahlt.