Die Anlage von "Christbaum-Plantagen" im Wald sei in Bayern "offenbar verbreitete Praxis", kritisiert der Bund Naturschutz in einer Pressemitteilung. Beim Vergleich von älteren und aktuellen Luftbildern sind dem BN im Sinngrund (Lkr. Main-Spessart), vor allem rund um Mittelsinn, elf Waldbereiche mit einer Fläche von etwa 27 Hektar aufgefallen, die in den vergangenen 20 Jahren in Christbaumkulturen umgewandelt wurden. Ähnliches konnte für die Landkreise Dachau und Regensburg nachgewiesen werden.
"Wir kritisieren, dass sich eine intensive Plantagenwirtschaft mit Kahlschlag, Einsatz von Pestiziden und Kunstdüngern in Bayerns Wälder frisst, weil das in Bayern schlicht nicht verboten ist", wird Martin Geilhufe, Landesbeauftragter des BN, in der Mitteilung zitiert.
Uwe Klug, größter Christbaumerzeuger im "Christbaumdorf" Mittelsinn, fragt sich, was die Diskussion jetzt soll. "Wo sollen wir die Flächen sonst hernehmen, sollen wir sie den Bauern wegnehmen?" Früher habe es rund um Mittelsinn viel weniger Wald gegeben. Irgendwann hätten die Landwirte auf ertragsarmen Flächen dann Fichten angepflanzt. Wenn die geerntet würden, könne man dort danach doch Christbäume anpflanzen, findet er. Klug selbst verzichte auf Herbizideinsätze ganz, sagt er, und Pestizide gegen Schädlinge würden nur eingesetzt, wenn es wirklich notwendig sei.
Der BN fordert eine Änderung des bayerischen Waldgesetzes und ein Verbot von Christbaumpflanzungen im Wald. Nach dem bayerischen Waldgesetz, so der BN, sei nur die Anlage von Christbaum-Kulturen außerhalb des Waldes genehmigungspflichtig, doch nicht im Wald selbst. Die im Wald angelegten Christbaum-Plantagen gälten als Wald nach dem Waldgesetz. Ein striktes Kahlschlagverbot wie in anderen Bundesländern gebe es nicht, genauso wenig wie ein flächiges Befahrungsverbot, ein Verbot von Mineraldüngern und Pestiziden und eine ausreichende Vorgabe für einen Mindestanteil heimischer Baumarten.
Das bayerische Landwirtschaftsministerium sieht hingegen keinen Handlungsbedarf. Es könne keinen bayernweiten Trend in Richtung Anlage von Christbaumkulturen in bestehenden Wäldern beobachten. Im Übrigen bestehe in diesen Fällen weiterhin die allgemeine waldgesetzliche Vorgabe, den Wald sachgemäß zu bewirtschaften, so das Ministerium auf Anfrage. Kahlhiebe etwa seien zu vermeiden. Zudem seien Mineraldünger, flächige Bodenbearbeitung oder Befahrung ausgeschlossen. Standortheimische Baumarten sollen angemessen beteiligt sein. Aus diesen Vorgaben ergebe sich eine klare Trennung zwischen in Christbaumplantagen üblicher Bewirtschaftungspraxis und der sachgemäßen Bewirtschaftung von Waldflächen.
Wolfgang Grimm, Bereichsleiter Forsten am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt (AELF), sagt auf Anfrage: "Im Wesentlichen ist das, was der Bund Naturschutz schreibt, richtig." Die beispielhaft aufgezeigten Flächen seien der Behörde ebenfalls "im Wesentlichen" bekannt. Mittelsinn sei die Gemeinde in der Region mit den meisten Christbaumkulturen, sowohl als Erstanpflanzung auf Nicht-Wald-Flächen als auch im Wald. Aber Mittelsinn sei eben ein Sonderfall.
Er berichtet von einem juristischen Streit vor etwa 15 Jahren, der sich um im Wald angelegten Christbaumkulturen in Mittelsinn gedreht habe. Das AELF sei der Meinung gewesen, dass dies einer Genehmigung bedurft hätte, aber am Ende sei herausgekommen, dass diese nicht notwendig war. "Jede Fläche, die mit Waldbäumen bestanden ist, ist Wald", so ist laut Grimm die Regelung. Da Nordmanntannen Waldbäume sind, seien Christbaumkulturen im Wald vom Waldgesetz her nicht zu verhindern.
Aus Sicht des AELF wäre es sinnvoll, das bayerische Waldgesetz etwas zu präzisieren, damit der Verwaltungsvollzug etwas einfacher werde. Der Begriff "Verbot" komme im Waldgesetz nur im Zusammenhang mit Waldbodenzerstörung vor, bei anderen Dingen, etwa Pestizideinsatz, sei die Formulierung "ist zu vermeiden". Verbote und festgeschriebene Zahlen im Gesetz seien nicht der allein seligmachende Weg, glaubt Grimm. Wo es die gebe, habe man zwar eine klare Regelung, aber auch klare Einschränkungen, die womöglich auch Dinge behindern könnten, die man eigentlich wolle.
Früher weniger Wald in Mittelsinn
Grimm sieht den Wald bei in seiner Ausbreitung nicht als bedroht an. Rund um Mittelsinn bestehe der Wald meist aus 70 bis 100 Jahre alten Fichtenbeständen. Er bestätigt die Aussage von Christbaumbauer Klug, dass es früher im Sinngrund viel weniger Wald gegeben habe als heute. Es sei auch so, dass im Spessart ganze Wiesentäler zu Wald würden, wenn man sie nicht freihielte.