
„Aus der Not heraus“ sei das Projekt Schmetterlingsgarten am Bezirkskrankenhaus Lohr entstanden. So erklärt es Tina Gast, Abteilungsleiterin für komplementäre Therapien am BKH. Das neue Gewächshaus war noch nicht einmal fertig, schon stellte sich heraus: Die Zufahrtsstraße zum zukünftigen Zentralklinikum Main-Spessart wird mitten durch das Gärtnereigelände des BKH führen. "Es ist klar, im Zweifelsfall ist da über Jahre Unruhe, Baustelle, alles durcheinander,“ sagt Gärtnerin Dorothee Fuchs. Für die Gartentherapie musste ein alternatives Grundstück her. Also starteten sie und Gast die Planungen. Das war im Juli 2019. Mittlerweile ist im neuen Garten schon einiges gewachsen und viele Besucher gebe es auch – nur eine Einweihungsfeier war wegen Corona noch nicht möglich.
"Die Patienten machen natürlich alles"
Blumen, Kräuter, bunt bemalte Steine und viele Sitzgelegenheiten: Im Schmetterlingsgarten fällt bei jedem Schritt etwas Neues ins Auge. Die meisten Ideen stammen von den Patienten. „Die machen natürlich alles. Säen, pikieren, ernten, sauber machen oder auch neue Sachen entstehen lassen“, sagt Fuchs. Jeder, wie er kann: „Wenn die Leute nach einer Stunde nicht mehr können oder wollen, das entscheiden sie“, sagt die Gärtnerin. Die Patienten würden das Angebot gerne annehmen: Manche bringen sich künstlerisch ein und dekorieren den Garten, andere wollen buddeln oder Ordnung machen und jäten.

Zum Schmetterlingsgarten ist das Projekt geworden, weil ein Name her musste. Der wurde dann zum Programm: „Ich gucke immer, dass es Schmetterlinge anzieht, wenn es etwas zu erwerben gibt,“ sagt Fuchs. Da gebe es zum Beispiel Katzenminze, Eisenkraut und Vanilleblume. Grundsätzlich sei der Garten aber für alle Tiere und Menschen gedacht, die sich darin wohlfühlen. So hat sich im Komposthaufen eine Ringelnatter eingenistet und Vögel bewohnen das älteste Projekt des Gartens, einen „großen Mann“ aus Holz und Rinde. Ein Bienenbaum und ein Totholzhaufen sollen außerdem Insekten anlocken.
Erste positive Momente in der Therapie
"Im Garten und im Gewächshaus können die Patienten ganz unterschiedliche Ziele erreichen", sagt Gast, die selbst ausgebildete Psychotherapeutin ist. Manche Patienten wollten beispielsweise Grundarbeitsfähigkeiten wiedererlangen. Ziele könnten laut ihr sein: „Ich will belastbarer werden, ich will wieder richtig strukturiert sein, will mich konzentrieren können.“ Dafür brauche es einen Erprobungsraum.

Im Schmetterlingsgarten gehe es aber erst einmal darum, sich einzubringen: "Ich kann etwas mitgestalten, ich kann etwas wachsen sehen," erklärt Gast. Sich in dieser Wirksamkeit wieder zu erleben, gehe zum Beispiel depressiven Menschen in der Erkrankung ein wenig verloren. "Diese ersten Schritte, diese ersten positiven Momente wieder erfahren“ – dabei sollen die Therapien im Schmetterlingsgarten helfen.
Dorothee Fuchs betreut dort ihre eigene Gruppe Patienten. Für die gelernte Gärtnerin war diese neue Erfahrung „von Anfang an sehr reizvoll“. Es gehe nicht darum, schnell-schnell zu produzieren. Natürlich müsse sie den Garten auch pflegen, gestalten und pünktlich aussäen. „Aber es ist gleichzeitig eine soziale Arbeit und es erfüllt mich mit tiefem Sinn", sagt Fuchs. Ob sie sich dabei auch schon einmal überfordert gefühlt hat? „Gut, solche Momente gibt’s mal“, sagt sie. Wenn jemand überhaupt keine Lust habe oder seine Grenzen testen möchte beispielsweise. Darüber kann sie sich aber im Team austauschen, in Rückbesprechungen mit Kollegen und Vorgesetzten.
Rückzugsort während Corona
Ganz am Anfang habe sich Fuchs bei ihrer Arbeit allerdings „wie auf dem Präsentierteller“ gefühlt. Denn der Schmetterlingsgarten liegt mitten im Gelände des BKH. Dort, wo vorher englischer Rasen war, sind nun aber schon zugewachsene Rückzugsräume zu erkennen. Das soll noch verstärkt werden. Aufgrund der zentralen Lage finden sich hier die unterschiedlichsten Gartenbesucher. „Es ist auch ein Ort geworden, wo sich Kollegen gerne vernetzen“, sagt Gast. In der Mittagspause treffe man immer jemanden im Schatten.

Während der Pandemie hatte der Garten gleich noch einen unvorhergesehenen Nutzen. "Bei schönem Wetter sind sehr viele Gruppen in diesen Garten gekommen", sagt Gast. So habe es nicht viele Ausfälle bei den komplementären Therapien geben müssen. Auf der einen Seite habe die Musiktherapie mit Gitarre gestanden und auf der anderen habe der Sporttherapeut Qigong angeboten. „Das war übrigens sehr schön", sagt Fuchs. "Da denke ich gern an eine Patientin, die beim Jäten laut mitgesungen hat.“