Gemünden lag am Kriegsende weitestgehend in Schutt und Asche. Die Stadt war Opfer mehrerer Luftangriffe und massiven Beschusses beim Einmarsch der Amerikaner Anfang April 1945. Zweieinhalb Monate nach der Einnahme Gemündens, am 18. Juni, kam der 20-jährige amerikanische Soldat James H. Duncan auf dem Nachhauseweg aus der Tschechoslowakei mit einem Zug in Richtung Paris durch die Stadt. Er machte dabei Fotos von der zerstörten Stadt mit ihren Schuttbergen und Fachwerkgerippen.
Interessant sind auch die am ehemaligen Güterbahnhof an der Ladestraße gemachten Aufnahmen, die eine große Zahl von amerikanischen und offensichtlich jugoslawischen Soldaten zeigen, die mit Güterwaggons transportiert wurden.
Duncans Sohn Tom hat die Gemündener Bilder seines Vaters, der am 1. April 2022 starb, der Redaktion zur Verfügung gestellt. Der Vater hatte auf seiner Fahrt noch viele weitere Fotos gemacht, er selbst sprach in einem Interview von gut 1000 Bildern. Andere aus der Region zeigen etwa das zerstörte Grombühl, Retzbach und Sackenbach, wie Nachforschungen Tom Duncans ergaben. Die Kameras dazu fand James Duncan in Deutschland, nahm sie etwa gefangenen deutschen Offizieren ab. Immer wenn er einen Film auftreiben konnte, beispielsweise aus ausgebombten Häusern, habe er Fotos gemacht, sagt sein Sohn.
US-Soldat kämpfte unter anderem in den Ardennen, in Leipzig und Pilsen
James Duncan, geboren am 13. Juni 1925 in Wisconsin, war im Februar 1945 nach Europa gekommen. Für ihn begann der Krieg in Belgien beim Zurückschlagen der deutschen Ardennenoffensive. Duncan war Unteroffizier (Sergeant) im 38. Infanterieregiment der zweiten Infanteriedivision. Mit seiner Einheit kämpfte sich der junge Mann von der Eifel aus quer durch Deutschland bis nach Sachsen, wo er an der Einnahme Leipzigs teilnahm. Danach ging es Richtung Süden bis in die Oberpfalz und von dort bis ins tschechoslowakische Pilsen. Dort unterstand die Division der 3. US-Armee von General George S. Patton, der in der berüchtigten Kommandoaktion "Task Force Baum" seinen Schwiegersohn aus dem Lager Hammelburg hatte befreien wollen und am 6. Mai Pilsen befreite.
Er habe mit seinem Vater häufig über den Krieg gesprochen, sagt Sohn Tom, weil er sich für die vielen Fotos interessierte. Dabei habe er weniger über Kämpfe als über Bekanntschaften mit Kameraden, aber auch mit Deutschen und Tschechen erzählt. Auch die Fotos zeigten selten Kampfszenen, sondern meist Menschen. Der Sohn glaubt, dass sein Vater Bilder von der Zerstörung des Krieges aufnahm, um zu Hause das Ausmaß der Verheerungen zeigen zu können.
James Duncan dachte, dass er noch im Indopazifik würden kämpfen müssen
Sein Vater habe sich gefreut, wieder heimzukommen, gleichzeitig sei er aber auch davon ausgegangen, dass er als nächstes im Indopazifik gegen die Japaner würde kämpfen müssen. Anfang Juli 1945 kam James Duncan wieder zu Hause in Amerika an. In den Indopazifik musste er zum Glück nicht mehr. Er lebte in Kalamazoo (Michigan), heiratete 1946 und bekam sieben Kinder, Sohn Tom ist mit seinem Zwillingsbruder der Jüngste. Vater James sei nach seinem Uniabschluss erfolgreicher Banker gewesen.
Mindestens zehnmal, zuletzt im Jahr 2019, sei sein Vater nach dem Krieg nach Pilsen zurückgekehrt, weil dort seit 1991 jedes Jahr ein großes Befreiungsfest, laut Duncan das größte in Europa, stattfinde, zu dem amerikanische Veteranen eingeladen werden. Das Fest wurde erstmals nach dem Fall des Eisernen Vorhangs abgehalten, weil, so Tom Duncan, die Sowjets ein solches Fest nicht erlaubt hätten. In den Schulbüchern sei Kindern gelehrt worden, die Russen hätten Pilsen befreit.
Auch nach Deutschland sei Vater James Duncan mehrmals zurückgekehrt und noch einmal seinen Weg im Zweiten Weltkrieg nachgefahren.