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Gemünden
Bewegungsmangel: Gemündener Gymnasium legt Fitnessprogramm auf
Jugendliche bewegen sich weniger. Das Friedrich-List-Gymnasium hat ein Präventionsprogramm eingeführt: Mehr Bewegung, bessere Ernährung und Achtsamkeit.
Schülerinnen und Schüler des FLG beklagen, dass sie sich zu wenig bewegen. Doch manche sehen auch Vorteile im Homeschooling.
Foto: Jennifer Weidle | Schülerinnen und Schüler des FLG beklagen, dass sie sich zu wenig bewegen. Doch manche sehen auch Vorteile im Homeschooling.
Jennifer Weidle
Jennifer Weidle
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:15 Uhr

„Ich habe gemerkt, dass wir lange kein Fußball-Training mehr hatten“, sagt Raphael Mohr (12), der neulich beim Joggen ziemlich außer Puste kam. Dem Schüler des Friedrich-List-Gymnasium (FLG) in Gemünden fehlt nicht nur die Bewegung, sondern auch das Miteinander.

Seine Mitschülerinnen und Mitschüler bestätigen dies; sie fahren alleine Rad, springen Trampolin oder treffen sich zu zweit auf dem Bolzplatz – kein echter Ersatz für Sport in der Gruppe wie vor der Pandemie.

Um dem Bewegungsmangel entgegenzuwirken haben zwei Lehrkräfte des FLG das Programm fit4future Teens eingeführt. Ein Präventionsprogramm der Cleven-Stiftung und der DAK, das Schülerschaft und Lehrkräfte zu mehr Bewegung und gesunder Ernährung motivieren soll. Mentorin und Mentor des Programms sind die Lehrkräfte Simon Knaup und Jessica Hakki.

Strenge Abstandsregeln im Sportunterricht

„Es ist nicht der ideale Zeitpunkt, aber wir haben entschieden nicht Nichts zu machen“, sagt Knaup. Er ist Sport- und Mathelehrer am FLG – zumindest in der Theorie, denn normalen Sportunterricht gibt es schon länger nicht mehr. „Nur die beiden oberen Klassen hatten Sportunterricht, die jüngeren waren ja seit Dezember quasi nicht mehr in der Schule“, so Knaup.

Und selbst der Sportunterricht der Oberstufe war gehemmt durch Hygienemaßnahmen. Knaup: „Wir tragen auch im Sportunterricht Masken und halten Abstand.“ Seine Schülerschaft sei „motiviert bis in die Haarspitzen“, so Knaup. Das Wahlfach „Mountainbiken“ hat es möglich gemacht, viel Radzufahren. „Auch Fitness-Zirkel-Training war möglich, oder Basketball-Technik.“

„Es geht nicht nur um Bewegung im Sinne von Aktion“, so Hakki. Sehr wichtig sei auch das In-sich-hören und Achtsam-Sein: Wie geht es mir, was macht die aktuelle Situation mit mir, was brauche ich jetzt? Das sind Fragen, die gerade in Zeiten der Isolation an Bedeutung gewinnen.

Bildschirmzeit hat sich in der Pandemie verlängert

In einer Studie untersuchte das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft, die Bewegungsprofile von Kindern und Jugendlichen zwischen vier und 17 Jahren. Laut KIT bewegten sie sich im zweiten Lockdown nur noch durchschnittlich 75 Minuten am Tag. Gleichzeitig stieg die vor den Bildschirmen verbrachte Zeit von 28 Minuten auf nun insgesamt 222 Minuten am Tag – nicht eingerechnet die aufgebrachte Zeit für das Home-Schooling!

Die Lehrkräfte Simon Knaup und Jessica Hakki wollen mehr Bewegung und Achtsamkeit in die Schule bringen.
Foto: Jennifer Weidle | Die Lehrkräfte Simon Knaup und Jessica Hakki wollen mehr Bewegung und Achtsamkeit in die Schule bringen.

Schüler Luca Mehling (12) meint, er habe sich schon weniger bewegt, als normalerweise; „aber ich war viel mit meinem Hund draußen“. Auch Luis Höhnlein (17) gibt an, seine Bewegung sei eingeschränkt worden. „Ich versuche aber öfter mit ein oder zwei Leuten etwas zu machen.“

Kerstin Heim vom Familienstützpunkt Gemünden gibt an, dass viele im zweiten Lockdown besser mit der Situation umgehen konnten. Durch den Winter sei aber naturgemäß mehr Zeit Drinnen verbracht worden.

„Für Schulkinder waren die Bewegungsmöglichkeiten klar eingeschränkt“, sagt Heim. Kein Herumtoben in der Pause, keine Aktivitäten im Sportverein, gesperrte Spielplätze. „Dies ist nun im zweiten Lockdown besser gewesen“, findet sie. Im Online-Unterricht hätten Lehrkräfte Bewegungspausen eingebaut und auch Vereine seien kreativer geworden. „Die Tanzgarde zum Beispiel hat über Zoom trainiert.“ Und auch die Spielplätze konnten genutzt werden.

Bewegungstipps und Challenges

Insgesamt hätten Familien viel mit ihren Kindern unternommen, oder zu Hause für Entertainement gesorgt; zum Beispiel Spielgeräte im eigenen Garten installiert. Negative Auswirkungen bezüglich Ernährung seien ihr und ihren Kolleg:innen nicht aufgefallen; eher im Gegenteil: „Viele Eltern haben die Zeit genutzt und mit ihren Kindern Mahlzeiten zubereitet“, gibt Heim an.

Wie funktioniert das Präventionsprogramm im Homeschooling? „Es gibt einmal pro Woche Online-Bewegungstipps und kleine Challenges“, erklärt der Sportlehrer Knaup; außerdem Rezepte für saisonale Gerichte. Auch Themen wie Psyche, Stress und Achtsamkeit spielen bei dem fit4futureteens eine große Rolle.

„Ich hatte oft frühs und mittags Online-Unterricht“, sagt eine 16-jährige Schülerin. „Da wollte ich mich in der Mittagspause dann bewegen.“ Sie fuhr Rad oder nahm das Angebot von Jessica Hakki wahr. Diese ist ausgebildete Yogalehrerin und unterrichtet neben ihren Fächern Deutsch und Englisch Yoga als Wahlkurs – derzeit als Online-Variante „Yoga für alle“.

Mehr Zeit für Sport, weil der Schulweg wegfällt

„Unser Präventionsprogramm richtet sich an alle Lehrkräfte und nicht nur an Sportlehrer“, sagt Knaup. Gut finden Hakki und Knaup die Motivationskarten für den Unterricht; auf diesen sind kleine Konzentrations- oder Bewegungsübungen beschrieben, die im Unterricht eingebaut werden können – auch das Online-Material sei sehr gut.

Gerade die kleinen Pausen im Unterricht seien enorm wichtig. Knaup: „Ich lasse meine Schülerinnen und Schüler zwischendurch mal raus und eine Runde um den Sportplatz rennen. Da verliere ich vielleicht drei Minuten, aber es bringt super viel.“ Knaup und Hakki sehen in dem Programm einen guten Anreiz für Schulen.

Kinder und Jugendliche, die sich immer viel bewegt haben, fänden einen Weg um Sport zu machen, meint Knaup. Hakki beobachtet, dass gerade die Älteren ihren Tag schnell strukturiert haben. Eine Schülerin (17) sieht im Home-Schooling auch durchaus Vorteile: „Der Schulweg fällt weg, da bleibt mir mehr Zeit für Sport.“

Hakki und Knaup versuchen, mit Unterstützung des Elternbeirates ihre Kollegschaft zu sensibilisieren und mit ins Boot zu holen – trotz widriger Umstände. Knaup: „Momentan sind andere Sachen wichtiger. Wir müssen alle erst mal wieder ankommen.“ Er rechnet damit, im neuen Schuljahr mit dem Programm durchzustarten.

 
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