"Nächstes Jahr sind Wahlen." Diesen Satz sagt Wolfgang Barthel immer wieder, als er gemeinsam mit seiner Frau Brigitte am Rande der Baustraße entlang geht. Es ist Mittwochnachmittag, die letzte Woche vor den Ferien. Gerade hat der Regen eine kurze Pause eingelegt.
Blickt man zwischen die Bäume auf die große Wiese, sieht man zwei Frauen mit ihren Hunden spazierengehen. 50 Wochen im Jahr liegt diese Wiese brach. Nur während Laurenzi parken hier seit Jahren Autos. Die Reihen sind schon abgesteckt. Wie eine Warnung flattern die rot-weiß gestreiften Absperrbänder im Wind.
So kam es zu der Mainkai-Auseinandersetzung
Rückblick: Vor etwa drei Wochen begann die Debatte über das kleine Stückchen Asphalt zwischen Mainkaiparkplatz und Altstadt wieder hochzukochen – die Baustraße. Der Grund war eigentlich ein recht banaler. Das Verwaltungsgericht wollte vom Stadtrat wissen, ob eine Entscheidung zum Parkplatz von Anfang des Jahres weiter ausgesetzt bleibt. Eine unglückliche Formulierung des entsprechenden Tagesordnungspunkts – und das Thema Baustraße war wieder da.
Hamid Amin-Fahkr meldete sich zu Wort. Der Mainkaiparkplatz sei "das Herz der Altstadt", sagte der Gastronom der Main-Post. Über die Baustraße würden 80 Prozent des Zulaufs kommen. "Bevor sie die eine Straße zumachen, brauchen wir eine andere", forderte er. Dass so etwas von der Planung bis zur Umsetzung Jahre dauert, kann sich wohl jeder denken. Laut einer unserer Umfragen, sind mehrere Marktheidenfelder auf seiner Seite. Aber war das ein letztes Aufbäumen der Baustraßen-Befürworter? Denn eins ist klar: Das Ende der Baustraße ist seit genau einem Jahr besiegelt.
Darum demonstrierte der Jugendbeirat für die Baustraße
Die Barthels: vor nicht mal einer Woche standen sie schon mal an der Baustraße. Bei der Freigabe des geodätischen Referenzpunktes hoben sie gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Jugendrates ein Banner in die Höhe. "Für mehr spielende Kinder - Gegen die illegale Baustraße!" stand da drauf. "Wir wollten den Schreiern nicht den Platz überlassen", sagt Brigitte Barthel. Also haben sie selbst ein bisschen geschrien, zumindest optisch.
Die beiden wollen wieder Sachlichkeit in die Debatte zurückbringen, sagen sie. "Im Stadtrat hat Ludwig Keller den Parkplatz von der Baustraße abhängig gemacht", sagt Brigitte Barthel. Das sei nicht richtig. "Wir haben nichts mit dem Parkplatz zu tun", sagt Wolfgang Barthel. "Wir haben auch nie die Schließung des Parkplatzes gefordert."
Weil es aber laute Stimmen gebe, hätten sie Angst bekommen. Angst, dass ein Stadtrat nach dem anderen umkippen könnte, dass die jahrelange Arbeit umsonst war. Nächstes Jahr seien ja immerhin Wahlen.
Die Geschichte des Mehrgenerationenspielplatzes
Wenn man etwas über die Geschichte der Baustraße und des Spielplatzes erfahren will, sollte mit Burkhard Wagner sprechen. Er ist seit mehr als zehn Jahren Stadtrat für die Freien Wähler, hat die Entwicklung hautnah mitbekommen. Am Anfang war die Baustraße nur ein Behelfsweg, damit die Pflastermaschinen ans Mainufer gelangen konnten. "Lange war die Baustraße allen egal, weil es nur grüne Wiese war. Dann ist richtigerweise der Biergarten gebaut worden. So kam Dynamik in die Sache."
Im Jahr 2011, erzählt er, regte der Jugendbeirat einen Mehrgenerationenspielplatz an. Ein Leuchtturmprojekt sollte es sein, mehr als ein paar lieblos zusammengewürfelte Geräte. Am Anfang habe es zwei mögliche Standorte gegeben, sagt Wagner. Seine Fraktion sei für den am ehemaligen Fußballplatz gewesen. Die Mehrheit für den jetzigen. So sei das eben in einer Demokratie, sagt Wagner.
Noch im selben Jahr beschloss der Stadtrat dann den Bau hinter dem Biergarten. 2013 wurde der Spielplatz eröffnet. "Am Anfang waren da auch viele dagegen. Dann fanden es alle super", sagt Brigitte Barthel. Es seien schon mal 100 bis 150 Menschen auf dem Spielplatz, schätzen die beiden und schauen auf die Spielgeräte.
"Dann kam man drauf, dass man auf dem Mehrgenerationenspielplatz nur eine Generation abdeckte", sagt Wagner. Ziemlich schnell nach der Eröffnung, 2014, erteilte der Stadtrat dem Jugendbeirat deshalb den Auftrag, sich Gedanken über eine Erweiterung zu machen. Der Jugendbeirat erstellte eine Umfrage, druckte sie 2000-mal und verteilte sie an den Schulen. Ende September 2016 stellte er dem Stadtrat die Ergebnisse vor. Die Planungen zogen sich durch das gesamte Jahr 2017.
Im April 2018 stellte der Jugendbeirat dann allen Stadtratsfraktionen drei mögliche Varianten vor. Im Juni hieß es von der Regierung Unterfranken, dass man 60 Prozent der etwa 252 000 Euro fördern könne. "Die Regierung hat gesagt, dass eine Straße durch einen Spielplatz einfach nicht geht und hat die Schließung der Baustraße für eine Förderung vorausgesetzt", sagt Wagner. Am 19. Juli 2018 entschied der Stadtrat deshalb mit einer Mehrheit von 21:1 folgendes:
- 1. Der Stadtrat stimmt dem Projekt „Mehrgenerationenspielplatz Bauabschnitt II“ zu und beschließt, die vorgelegte Variante 03 – bei entsprechender Haushaltslage – umzusetzen.
- 2. Mit der offiziellen Einweihung wird die Baustraße mittels Poller (feststehend) für den Durchgangsverkehr geschlossen.
Wie der Mehrgenerationenspielplatz aussehen wird
Inzwischen regnet es. Die Barthels stehen unter den Bäumen und blicken auf den Spielplatz. "Im Sommer knallt die Sonne da voll rein, die Eltern können sich dann in den Schatten der Bäume setzen." Deshalb soll es eine "Chill-Out-Area" geben. Von dort kann man auf den Spielplatz blicken und wenn man sich umdreht auf das Beachvolleyballfeld. Auf einer iBench kann man die Handys laden, sogar extra WLAN soll es geben. Noch zwischen den Bäumen soll ein interaktives Spielgerät stehen, dahinter eine elektronische Torwand. Die Wege zwischen den Geräten werden behindertengerecht sein. Brigitte Barthel ist überzeugt: "Wenn der Spielplatz dann da ist, werden alle sagen, wie schön das ist, dass so viele Jugendliche da sind."
Aktuell liege der Bauantrag beim Landratsamt, sagen die Barthels. Er wäre schon durchgegangen, hätte es nicht eines zusätzlichen Verwaltungsaktes bedurft. "Eigentlich kann nichts mehr passieren", sagen sie. Das sieht auch Stadtrat Wagner so. Sie wissen aber auch, dass die Baustraße schon anderes überstanden hat in ihren letzten 25 Jahren. Brigitte Barthel zeigt auf den Schotter vor ihren Füßen: "Die Straße verselbstständigt sich. Jetzt gäbe es schon Platz für Begegnungsverkehr."
Das, was die Baustraße so schlimm mache, sagt Brigitte Barthel weiter, sei der Parksuchverkehr. Eigentlich sei die Baustraße ja eine Spielstraße. Nur an eine Schrittgeschwindigkeit halten würden sich die wenigsten, nachdem man ja auf dem Parkplatz 50 fahren dürfe. Wenn die Erweiterung kommt, dann sei das einfach nicht sicher.
Die eh schon emotionale Debatte eskaliert weiter
"In erster Linie soll es doch um Menschen und nicht um Autos gehen", sagt Stadtrat Wagner. Er war zwar nie ganz einverstanden, wie und wo der Mehrgenerationenspielplatz gebaut werden sollte. Aber im Namen des Friedens müsse man die demokratische Entscheidung akzeptieren.
Wagner sagt: Anstatt einer Baustraße gebe es viele andere Lösungen, zum Beispiel eine Röhrendurchfahrt zwischen Brückenparkplatz und neuem Festplatz auf der Martinswiese oder eine Entlastung des Verkehrsknotens vor der Stadt. "Wir müssen das Thema pragmatisch und im Gesamtkontext betrachten. Bei einer politischen Betrachtung wird immer emotionalisiert", sagt er. Er versteht aber auch die Baustraßen-Befürworter: "Gewohnheit gibt Sicherheit. Das ist ein menschlicher Instinkt."
Im Stadtratsbeschluss vom 19. Juli 2018, so steht es geschrieben, hoffte man eines: "Dieses vielfältige Angebot an Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten soll den sozialen Zusammenhalt und die Kommunikation bei den verschiedenen Altersgruppen fördern." Aktuell verursacht der Mehrgenerationenspielplatz gerade das Gegenteil. Ein Mediationsverfahren ruht seit Februar.
Die Barthels erzählen von Anfeindungen. "Damit können wir aber leben", sagen sie. Ob sie noch einmal demonstrieren werden? "Nein, die Fahne haben wir aber noch, sogar zweimal", sagt Wolfgang Barthel. Zum Abschied verrät er: Ein Transparent werden sie an den Zaun des Biergartens hängen - mit Einverständnis des Wirts natürlich. Doch schon in der ersten Nacht wird es geklaut werden ...
Wo ist das Problem, wenn man sie mit Schrittgeschwindigkeit befährt ?? Schneller kann man sowieso nicht fahren.
Der Parkplatz muß sowieso bleiben.
Nur durch die Stadtmitte ist der Parkplatz schwerlich zu erreichen und dies wäre
auch nicht logisch .
Die Frage ist : Selbst wenn es eine Baustraße ( Bezeichnung unlogisch nach so langer Zeit ) ist , wenn sie sich als sinnvoll herauskristallisiert hat , warum
muss ich sie dann schließen .
Vorschlag : an den Rand verlegen , auf 30 die Geschwindigkeit setzen .
Nebenbei angemerkt: Würde die Geschwindigkeit auf Tempo 30 gesetzt werden, wäre das eine Erhöhung der erlaubten Geschwindigkeit.
Die Baustraße muss weg - der Parkplatz muss bleiben. Jetzt ist es endlich einmal Zeit lange angekündigte Verkehrskonzepte von Seiten der Fraktionen vorzustellen, denn eine Veränderung muss und wird es geben. Alles andere ist gerade nur Säbelrasseln im Wahlkampf und nervt gewaltig.