Den Friseur-Lehrlingen fehlt die Praxis, für kaufmännische Azubis ging die Arbeit dagegen fast normal weiter: Die Corona-Pandemie hat sich auf Berufsausbildungen ganz unterschiedlich ausgewirkt. Die Berufsschüler besuchen in Teilzeit- oder Blockunterricht die Berufsschule, die übrige Zeit lernen und arbeiten sie in ihrem Betrieb. Die Berufsschule Main-Spessart mit ihren Standorten Karlstadt und Lohr beherbergt eine Vielzahl unterschiedlicher Ausbildungsberufe. Berufsschüler überwiegend aus den Abschlussklassen berichten in einer Pressemitteilung der Schule, wie sie die Zeit des Distanzunterrichts bewerkstelligen und mit welchen Gefühlen sie in ihre berufliche Zukunft blicken.
Annika Winkler (22) lernt Metallbauerin
Die Würzburgerin ist im Dritten Lehrjahr Metallbauerin mit Fachrichtung Konstruktionstechnik. Vom Lockdown war Winklers Ausbildungsbetrieb kaum betroffen: „Eine Auftragsflaute hatten wir absolut nicht. Nach einer kurzen ruhigeren Phase geht es seitdem mit sogar eher erhöhtem Arbeitspensum voran.“
Der Distanzunterricht hat für sie Vor- und Nachteile: Einerseits fiel die einstündige Anfahrt zur Berufsschule weg, andererseits fand sie es unerwartet anstrengend, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, da doch im Internet so viele Ablenkungen lauern. Als störend empfand sie vor allem die Inaktivität mancher Mitschüler: „Es ist nervig, wenn von 14 Leuten in der Klasse nur vier effektiv am Unterricht teilnehmen und der Rest erst nach hartnäckigem Nachfragen des Lehrers reagiert.“
Zukunftsangst für ihren Beruf hat sie nicht: „Ich lerne einen Beruf, der durchaus zukunftsbeständig ist, sowohl in Zeiten von Corona, als auch angesichts fortschreitender Digitalisierung. Die Herausforderungen werden sich vielleicht ändern, aber ebenso die Hilfsmittel, um sie zu lösen.“
Amelie Schäfer (23) hat Industriekauffrau gelernt
Die Wiesenfelderin hat bereits im letzten Sommer ihre Ausbildung abgeschlossen. Sie besucht aktuell noch die 12. Klasse der Berufsschule plus, um die Fachgebundene Hochschulreife zu erlangen. Für Schäfer war der erste Lockdown anstrengend: "Meine Kollegen waren in Kurzarbeit und ich musste die Stellung halten, weil ich als Azubi keine Kurzarbeit machen durfte.“ Im ersten Lockdown war sie im Dritten Lehrjahr, es gab noch keinen richtigen Distanzunterricht und keine wirkliche Prüfungsvorbereitung.
„Die Lehrer erlebten natürlich auch die erste unerwartete Schulschließung und waren daher verständlicherweise mit der Situation ebenso überfordert wie wir Schüler. Ich habe mich ein bisschen auf mich allein gestellt gefühlt und das war nicht immer ein gutes Gefühl.“ In den letzten Wochen ist sie jedoch ein Fan des Distanzunterrichts geworden. Verantwortlich macht sie dafür auch die sehr kleine Klassenstärke in der Berufsschule plus: „Da waren diese Gefühle von Hilflosigkeit komplett weg, weil es eigentlich wie normaler Unterricht war.“
In ihre berufliche Zukunft blickt Schäfer mit eher gemischten Gefühlen. Sie hat Angst, das Fachabitur ihren Erwartungen nach „zu schlecht“ zu bestehen, weil „ihr so langsam die Puste ausgeht. Ich weiß nicht, wie viel Energie ich noch in die Schule stecken kann, weil mich die gesamte Situation zu sehr frustriert. Keine regelmäßigen Kontakte mit Freunden und Familie empfinde ich auf Dauer als unerträglich.“
Nach dem Fachabitur hätte sie sich vorstellen können, ein Studium anzufangen. Jetzt bleibt sie vorsichtig: „Ich warte noch bis nächstes Jahr ab, wie sich die Pandemie entwickelt. Bis dahin bleich ich auf jeden Fall in meinem jetzigen Beruf, weil die Arbeitsstelle sicher ist und ich so keine Existenzängste habe.“
Niklas Lutz (21), Kaufmann im E-Commerce
Der Würzburger hat seine Ausbildung abgeschlossen, besucht aber in diesem Schuljahr noch den Abendunterricht der Berufsschule plus, um sein Fachabitur zu machen. „Mein Ausbildungsbetrieb, ein Möbelhaus, war auch vom Lockdown betroffen und musste seine Türen für die Kunden schließen. Da ich aber in der Online-Abteilung beschäftigt bin, habe ich ganz regulär weiterarbeiten können“, sagt Lutz.
Der digitale Unterricht sei eine neue und interessante Erfahrung. Er würde sich „besser durchdachte Konzepte, beziehungsweise auf Online-Unterricht ausgelegte Lehrpläne wünschen“. Ihm ist dabei allerdings auch bewusst, dass der Distanzunterricht in diesem Jahr sehr kurzfristig organisiert und durchgeführt werden musste. Lutz schaut zuversichtlich in die Zukunft. Schließlich ist der Online-Handel eine Branche, die stärker gewachsen ist und vermutlich auch noch wachsen wird. Sorgen bereitet ihm aber die grundsätzlich herrschende „Ungewissheit, wie die Lage in einem Jahr sein wird und ob unsere Gesellschaft diesem Härtetest standhält“.
Andreas Müller (35) lernt Mechatroniker
Der Marktheidenfelder ist im Dritten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Mechatroniker. Müllers Ausbildungsbetrieb achtet auch im Normalbetrieb schon sehr auf Hygiene, daher wurden die Corona-Maßnahmen hier sehr schnell umgesetzt. "Natürlich erschwert es die Arbeit und macht vieles umständlicher, wir sind es aber schon so gewohnt."
Neu war für ihn das digitale Arbeiten in Kleingruppen und die Unterhaltung mit den Mitschülern im Chatroom. Als nervig empfindet er die gelegentlich auftretenden technischen Probleme und den Zeitverlust im Unterricht „durch Mitschüler, die auch auf Aufforderung nichts sagen und sich einige Minuten später mit halbgaren Ausreden zu Wort melden“. Live-Unterricht vor Ort ist seiner Meinung nach durch nichts zu ersetzen. „Wenn es allerdings sein muss, dann funktioniert das so, wie es jetzt läuft, schon sehr gut – zumindest für Leute, die Interesse haben, mitzuarbeiten.“
Tim Hack (23) besucht die Technikerschule
Der Aschaffenburger besucht die Technikerschule mit Fachrichtung Mechatroniktechnik. Da man während der Technikerausbildung keinem Betrieb angehört, entfällt hier der betriebliche Teil der Ausbildung. Den Schulalltag erlebt Hack so: „Die Schule hat uns rechtzeitig mit neuen Laptops mit Zugang zum Schulnetzwerk sowie einem umfangreichen Lehrkonzept über die Software MS Teams auf digitale Beine gestellt und so den Übergang ins ,Home-schooling' sehr erleichtert.“
Die Lernmotivation sinke jedoch deutlich spürbar: "Da man nicht im schulischen Alltag unterwegs ist, ist die Konzentration einfach schwerer zu halten.“ Einen weiteren Grund sieht er aber auch in der Tatsache, dass Leistungsbemessungen schwerer online durchführbar sind: „Die eigene Leistung lässt sich schwer einschätzen. Dadurch baut sich bei vielen Schüler eine gewisse Angst auf." Er erwartet, dass nach dem Distanzunterricht in sehr kurzer Zeit viele Prüfungen nachgeholt werden. Das könnte ein "böses Erwachen" geben. Von Vorteil wäre es doch daher, gewisse Leistungsbemessungen auch online zuzulassen.
Helena Reichel (22) ist Friseurazubi
Die Würzburgerin ist Friseurazubi im Dritten Lehrjahr. Lange waren die Friseurbetriebe im Lockdown, und es war zunächst unklar, ob möglicherweise die Azubis weiterhin im Betrieb üben dürften. So passierte für Reichel lange Zeit nichts. „Da ich keine Möglichkeit hatte, weiter zu üben, habe ich außer Theorie nichts weiter dazugelernt. Mir fehlen also im praktischen Ausbildungsbereich mehrere Monate, die wirklich notwendig gewesen wären, denn wir arbeiten ja schließlich an den Köpfen der Kunden.“
Den wöchentlichen Berufsschultag im Distanzunterricht empfand Reichel grundsätzlich als anstrengend: "Man musste viel selbst erarbeiten und es schwer war, sich im eigenen Umfeld zu konzentrieren – meine Konzentration hat von Stunde zu Stunde total nachgelassen.“ Am digitalen Unterricht teilgenommen hat sie mit ihrem privaten Tablet, da dieses aber immer sehr schnell leer war, musste sie irgendwann im Laufe des Schultages mit dem Handy weiterarbeiten. Auch einen Drucker besitzt sie daheim nicht. „So musste ich alles handschriftlich abschreiben und habe jetzt Unmengen an digitalen Dokumenten.“
Grundsätzlich blickt sie positiv in ihre berufliche Zukunft. Schließlich konnte man klar am Ansturm der Kunden bei der Wiedereröffnung der Friseurbetriebe erkennen, dass „der Friseurberuf ein handwerklicher Beruf ist, der sich durch nichts ersetzen lässt“. Dennoch macht ihr die fehlende Zeit dahingehend Sorgen, „dass mein Fachwissen und meine Fähigkeiten beim Ausbildungsabschluss nicht dem geforderten Status entsprechen“.