1999: Die Festwoche in Lohr ist schon fast zu Ende. Für Julia Riedmann (22) aus Steinbach und den Finnen Erno Hirvelä (20) beginnt etwas Neues. Sie begegnen sich im Festzelt und starten in ein finnisch-deutsches Leben. Vier Kinder sind inzwischen dazugekommen. Dieses Wochenende werden sie gemeinsam auf die Festwoche gehen, etwas essen und das 20-Jährige feiern.
Die Festwoche ist eigentlich nicht so Julia Riedmanns Ding. Doch eine Freundin fragt, ob Julia in ihrem Leben schon mal einen Finnen gesehen hat. »Wie im Zoo«, sagt Riedmann, die seit 2002 Hirvelä heißt, in einer Mischung aus Empörung und Amüsement 20 Jahre später. Nach der Besichtigung treffen sich die beiden schon am nächsten Tag wieder.
Mit Freunden zur Lohrer Party
Drei Wochen bleiben noch, bis der Finne wieder nach Hause muss. Sein Ferienjob in Darmstadt ist bald zu Ende. Sein Patenonkel hatte ihm die Arbeit in Deutschland vermittelt. Hirvelä hat für die paar Monate ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft. Als ihn seine Mitbewohnerin aus Rechtenbach zu einer Party nach Lohr mitnehmen möchte, zögert er. »Ich hatte eigentlich keine Lust. Ich hatte schon so viel gefeiert«, erzählt der inzwischen 40-Jährige Skandinavier. »Es ist etwas Besonderes«, habe ihn die Rechtenbacherin dann doch überredet.
Nach der Festwoche vor 20 Jahren besucht Julia Riedmann den Studenten Erno Hirvelä noch ein paar Mal in Darmstadt, bis er wieder zum Studium der Medientechnik nach Helsinki aufbricht. Riedmann schließt in Würzburg ihre Ausbildung zu Kinderkrankenschwester ab. Ein paar Monate später erhält sie ihr Abschlusszeugnis. Noch am selben Tag nimmt sie die Fähre nach Finnland. Riedmann will dort in ihrem Beruf arbeiten, muss aber erst mal die Sprache lernen. Untereinander sprechen sie erst mal Englisch.
Heimweh nach Franken
Im Lohrer Krankenhaus bringt sie 2002 Sohn Sinclar zur Welt. »Heimweh«, sagt sie, ist der Grund, dass sie nach drei Jahren von Finnland nach Würzburg und später nach Steinbach ziehen. »Die Sommer sind ein Traum«, schwärmt Julia Hirvelä und macht eine kurze Pause: »Und die Winter ein Albtraum.«
Für Erno Hirvelä ist das kein Problem: »Ich wollte raus, was erleben.« Jetzt leben Julia und Erno Hirvelä mit Sinclar (17), Hieronymus (13), Venla (9) und Rasmus (1) so finnisch wie möglich im eigenen Haus in Steinbach. Finnisch, das heißt mit Sauna im großen Garten und möglichst viel Abstand zu den Nachbarn.
»Wir sind gast- und menschenfreundlich, aber wir brauchen unsere Privatsphäre«, erklärt Erno Hirvelä. Die Finnen seien es einfach nicht gewohnt, so eng aufeinander zu leben. Das Land ist fast so groß wie Deutschland, hat aber mit gut 5,5 Millionen Einwohner nur knapp viermal so viele wie München.
Total unterschiedlich
»Das wird sowieso nicht halten mit einem Finnen«, habe ihr eine Freundin damals prophezeit. Hat es aber. Warum? »Horizonterweiterung«, sagt Julia Hirvelä und: »Wir können gut kämpfen und uns gut versöhnen.«
»Wir sind total unterschiedlich, das ist interessant. Man muss kompromissbereit sein: nicht zu stur und nicht zu lasch. Man braucht einen Gegenpart«, ist Erno Hirveläs Erfahrung. Was sie verbindet ist, dass sie beide Familienmenschen sind.
»Viel miteinander reden und sich unterstützen«, hilft laut Hirvelä. Sich die Aufgaben und die Arbeit teilen, das ist für ihn so selbstverständlich, dass sie darüber nicht diskutieren müssen. »Aber ohne Liebe geht es nicht«, sagt Julia Riedmann.