„Hei“, sagt Erno Hirvelä beim Öffnen seiner Haustür. So begrüße man sich in seiner Heimat Finnland. „Das eine Wort genügt, selbst wenn sich Familienmitglieder oder enge Freunde lange nicht gesehen haben.“ Die Hand werde einander nicht gereicht.
Der 35-Jährige lebt mit seiner Frau Julia, den Söhnen Sinclar (12), Hieronymus (9) und dem fünfjährigen Nesthäkchen Venla in Steinbach. An Weihnachten 2011 bezogen sie ihr Eigenheim neben dem Anwesen der Schwiegereltern Uta und Christof Riedmann. Derzeit bauen sie eine holzbeheizte Sauna in ihrem Garten. „Dann machen wir finnischen Urlaub zuhause.“ Immer wieder klingt das „Wir“ in seinen Worten durch. Wie seine Frau ist er ausgeprägter Familienmensch.
In Steinbach sei er heimisch geworden. Vorurteile habe er nie zu spüren bekommen. „Wer aus einem nördlichen Land kommt, wird nicht als Exot betrachtet.“ Bei der vergangenen Stadtratswahl stand er auf der Liste der Grünen, im TSV Lohr ist er Mannschaftsführer im Tennis. Für ihn selbst spielen Nationalität oder Hautfarbe eines Menschen keine Rolle. „Wichtig sind Höflichkeit und Respekt voreinander.“
Erno Hirvelä hat seine finnische Staatsbürgerschaft beibehalten. Seine Kinder besitzen jeweils zwei Reisepässe. Mit ihnen redet er in seiner Muttersprache. An sie will er die Traditionen seines Heimatlands weitergeben. Im Alltag der Familie haben sie einen festen Platz.
An der Festwoche ging's los
Erno Hirevlä wurde in der rund 55 000 Einwohner zählenden Stadt Kotka (deutsch: Adler) geboren. „Direkt neben einer großen Papierfabrik, deren Geruch mir noch heute in der Nase ist.“ Die Stadt im Süden Finnlands liegt an der Mündung des Kymijda am finnischen Meerbusen und hat den größten Exporthafen des Landes. Die Entfernung zur russischen Grenze beträgt lediglich 50 Kilometer. Nach dem Abitur begann Erno Hirvelä sein Studium Medientechnik und Ingenieurwesen an der Fachhochschule in Pori an der Südwestküste Finnlands. Er schloss es in der Landeshauptstadt Helsinki ab.
Im Sommer 1999 absolvierte er ein Praktikum in der Firma seines Patenonkels in Darmstadt. In seiner WG erzählte ihm eine Mitbewohnerin aus Rechtenbach, „im Spessart gibt es ein Kaff mit einem tollen Fest, da musst du unbedingt hin.“ Sie meinte Lohr und die Spessartfestwoche. „Wir Finnen feiern zwar gerne, doch ich hatte keine Lust hinzugehen.“ Er ging doch – und begegnete der Steinbacherin Julia Riedmann. Mit ihr ist er seit 2002 verheiratet.
Drei Wochen nach dem Kennenlernen musste Erno Hirvelä nach Helsinki zurück. Für das Paar begann das Pendeln zwischen zwei Ländern. Am selben Tag, an dem Julia Riedmann ihr Examen als Kinderkrankenpflegerin abgelegt hatte, nahm sie das Schiff nach Helsinki. Sie wollte für immer bleiben. „Die Landschaft Finnlands ist wunderbar, die Menschen sehr herzlich“, sagt sie. Doch der dunkle Winter dauere ein halbes Jahr lang. Bei der Feier zum 1. Mai lägen noch Eis und Schnee.
Kindergeburt in Lohr
Zur Geburt ihres ersten Sohn Sinclar flog sie nach Hause. Der Junge kam in Lohr zur Welt. 2003 zog die junge Familie nach Würzburg. Erno Hirvelä arbeitet als IT-Fachmann im Druckhaus Main-Echo in Aschaffenburg. Sein Vorstellungsgespräch führte er einst auf Englisch. Auch mit seiner Frau unterhielt er sich in den ersten Jahren in englischer Sprache. „In der Schule habe ich sechs Jahre lang Deutsch gelernt, doch davon war nichts mehr übrig.“
Allmählich denke er in Deutsch. „Ich liebe den Klang dieser Sprache, deren Worte sehr schön beschreiben.“ Seine Frau spricht längst fließend Finnisch. Er lernt derzeit im Selbststudium, wie man Drehbücher schreibt. Sein Traum wäre es, das Schreiben zu seinem Beruf zu machen – in deutscher Sprache. Er seufzt: „Leider bin ich kein Sprachgenie und die deutsche Grammatik macht mir heute noch zu schaffen.“ Einmal im Jahr kehrt er mit seiner Familie in seine Heimat zurück. Den Urlaub in einem Blockhaus am Päijänne See im gleichnamigen Nationalpark oder dem Koli-Nationalpark nennen sie „Idylle pur.“
Julia und Erno Hirvelä gehören der deutsch-finnischen Gesellschaft in Würzburg – Verein zur Pflege der Beziehung von Menschen beider Nationalitäten – an. Dort lernten sie Johannes Follmer und dessen finnische Frau Maarit von der Papiermühle in Homburg kennen. Zusammen gestalten sie Anfang Dezember die „Finnische Weihnacht“ bei der Vhs Lohr.