Der Mörder muss Christiane J. in die Brust gebissen haben, ehe er vor 40 Jahren das das 15-jährige Mädchen erwürgte. Spuren der Zähne fanden Rechtsmediziner damals an der Leiche, die im Aschaffenburger Schlosspark eine 15 Meter hohe Mauer hinabgestürzt worden war.
Im Prozess vor dem Landgericht Aschaffenburg belastete am Mittwoch jetzt eine Zahnmedizinerin den Angeklagten Norbert B. schwer. Mangels ausreichender Zähne im Oberkiefer war alleine der Unterkiefer des 57-Jährigen zum Abgleich herangezogen worden. Seine Zähne zeigten "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" eine hohe Übereinstimmung mit der Bisswunde, sagt die zahnmedizinische Gutachterin.
Alibi eines Polizisten entlastete Angeklagten
Ein ähnliches anderes Gebiss sei bei sieben Milliarden Menschen weltweit zwar nicht vollends ausgeschlossen. Angesichts der vielen Besonderheiten gehe die Wahrscheinlichkeit aber gegen Null, berichtete Gerichtssprecher Ingo Krist aus der nichtöffentlichen Verhandlung. Das Gebiss des Angeklagten weise viele individuelle Besonderheiten auf, so Krist. Daher könne "der Beweiswert durchaus dem einer DNA-Spur nahe kommen".
Die Untersuchung der Zahnspuren nach dem Mord im Aschaffenburger Schlosspark hätten die Ermittler womöglich schon vor 40 Jahren zum Angeklagten geführt, der damals Nachbarjunge des Mordopfers war und zunächst als Verdächtiger Nummer 1 galt. Doch die Aktennotiz eines Polizeibeamten hatte dem Fall eine andere Wendung gegeben.
Der Polizist will damals den heutigen Angeklagten zum Zeitpunkt des Mordes an einem anderen Ort in Aschaffenburg gesehen haben. Dieses Alibi verhinderte 1979 den aufwendigen Vergleich der Biss-Spuren an der Leiche mit seinen Zähnen. Der Beamte soll im laufenden Prozess später noch als Zeuge aussagen.
Zudringlich geworden oder nicht?
Neben dem Gutachten der Zahnmedizinerin belastete auch eine zweite Aussage den Angeklagten am dritten Prozesstag. Einige Zeit vor dem Mord im Schlosspark hatte der damals 17-Jährige ein anderes Mädchen dorthin geführt - offenbar in eindeutiger Absicht. Ein Polizist berichtete im Zeugenstand jetzt von der Vernehmung des Mädchens vor 40 Jahren. Es hatte demnach ein ganz anderes Verhalten des Angeklagten geschildert als er nun selbst am ersten Prozesstag.
Laut Anklageschrift war der Angeklagte zudringlich geworden. Als das Mädchen Widerstand zeigte, soll er es in seiner Wut gewürgt haben - wie der Mörder die später getötete Christiane an gleicher Stelle.
Der Angeklagte hatte vor Gericht vor einer Woche eine Handbewegung zugegeben und als völlig harmlos und kurz dargestellt. Der Ermittler, so berichtet Pressesprecher Krist, erinnerte sich jetzt so an die Vernehmung vor 40 Jahren: Norbert B. habe das Mädchen "nach hinten gerissen". Dann habe der Angeklagte gerufen "O Gott, was habe ich getan" und sei davon gerannt.
Gericht erklärt Schöffen nicht für befangen
Die Verteidigung hatte zuletzt massiv kritisiert, dass vor Gericht zunächst Polizisten die damaligen Aussagen der Zeugen mit ihrer Bewertung zusammengefasst hatten, ehe die Zeugen selbst im Prozess zu Wort kommen. Deshalb hatte der Verteidiger einen Befangenheitsantrag gegen die zwei Schöffen gestellt, die den Fall nicht aus den Akten kennen, sondern auf der Basis des Gehörten beurteilen sollen.
Den Befangenheitsantrag gegen die beiden Schöffen haben die drei Berufsrichter jetzt als unbegründet zurückgewiesen. Die Festlegung der Reihenfolge der Beweisaufnahme stehe im Ermessen des Vorsitzenden. Zudem sei es für die Schöffen ebenso wie für die Berufsrichter sinnvoll, zunächst einen Überblick über den Gang der Ermittlungen zu erhalten.