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WÜRZBURG/ARNSTEIN
Arnstein-Prozess: Vater bekennt sich zu seiner Schuld
Es war ein aufwühlender erster Verhandlungstag im Prozess um die Arnstein-Tragödie: In einer persönlichen Erklärung schilderte der Angeklagte die Geschehnisse.
Arnstein-Prozess: Vater bekennt sich zu seiner Schuld       -  Tragödie von Arnstein (Lkr. Main-Spessart): Prozessauftakt vor dem Landgericht in Würzburg.
Foto: dpa | Tragödie von Arnstein (Lkr. Main-Spessart): Prozessauftakt vor dem Landgericht in Würzburg.
Gisela Schmidt
Gisela Schmidt
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:33 Uhr

Sechs junge Menschen starben am 28. Januar in einer Laube in Arnstein (Lkr. Main-Spessart) an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung. Jetzt steht in Würzburg der Mann vor dem Landgericht, der einen nur für den Gebrauch im Freien vorgesehenen Stromgenerator in der Gartenhütte aufgestellt und betrieben hatte. Es ist der Vater von zwei der Getöteten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm fahrlässige Tötung in sechs Fällen vor.

Ein kleiner, vollbärtiger Mann mit langen Haaren betritt den voll besetzten Schwurgerichtssaal des Landgerichts Würzburg. Sein Gesicht versteckt er hinter einer braunen Hängeregistratur. Der 52-Jährige im Holzfällerhemd möchte sich nicht sehen in all den Zeitungen, auf den Internet-Seiten und in den Nachrichtensendungen der Medien, deren Vertreter aus ganz Deutschland angereist sind.

„Es war die schlimmste Katastrophe meines Lebens“

„Es war die schlimmste Katastrophe meines Lebens“, lässt er einen seiner beiden Verteidiger vortragen, „ich übernehme jede zu tragende Verantwortung“. Der 52-Jährige spricht nicht selbst. Er ist Kraftfahrer von Beruf, verdient im Schnitt monatlich 2000 Euro netto. Seine Familie ist groß: Außer seinen getöteten Kindern hat er noch drei eigene und drei Stiefkinder. Und schon einmal hat er ein Kind verloren. „Das ist die schlimmste Erfahrung, die man machen kann.“

Ihr Mandant erhoffe sich etwas von dem Prozess, sagen seine Verteidiger vor Gericht. Er wolle wissen, wie es zu der Tragödie gekommen ist, um mit seiner „eigenen Schuld umgehen“ zu können. Und was noch wichtiger sei: „Die anderen Eltern müssen es erfahren.“ Zwei von ihnen, Mutter und Vater des getöteten 18-jährigen Michael und der Vater des gleichaltrigen Kevin, sind Nebenkläger. Weitere Angehörige und Freunde der Toten sitzen im Zuschauerraum. Auch Bürgermeisterin Anna Stolz, ihr Stellvertreter Franz-Josef Sauer und Pfarrvikar Johannes Werst sind gekommen.

Tochter wollte 18. Geburtstag in der Hütte feiern

Im Namen des Angeklagten tragen die Verteidiger vor, wie der 52-Jährige den 28. Januar erlebt habe. An diesem Samstag wollte seine Tochter in der Hütte ihren 18. Geburtstag feiern. Schön sollten es Rebecca und ihre Gäste haben. Feuerwerk habe er gekauft, die Laube gelüftet, den Ofen angemacht, die Torte und das Essen in den Kühlschrank gestellt. Und er habe den Stromgenerator betankt und eingeschaltet. Abends habe er die junge Frau, ihren Bruder Florian und deren vier Freunde zu dem Gartenhaus gefahren, ihnen „eine schöne Feier gewünscht“ und sie ermahnt, es nicht „zu übertreiben“.

„Stellt den Generator aus, wenn ihr ihn nicht mehr braucht“, habe er gesagt. Der Generator. Ganz neu war er – und mit einem Aufkleber versehen, der darauf hinwies, dass er nicht in geschlossenen Räumen betrieben werden darf. Erst am 31. Dezember 2016 hatte der Angeklagte ihn in einem Baumarkt gekauft und, zusammen mit zwei der später getöteten jungen Männer, in dem Gartenhaus installiert. Seinen ersten Einsatz hatte das leistungsstarke Gerät bei der Silvesterparty der Kinder des 52-Jährigen. Auch da stand es schon im Technikraum der 48-Quadratmeter-Laube.

Zwei Wasserrohrstücke am Generator

Ein Bekannter, Techniker von Beruf, habe ihrem Mandanten gesagt, dass er den Stromerzeuger auch in einem Raum anschließen könne, wenn er eine entsprechende Auspuffanlage baue, erklären die Verteidiger des Angeklagten. Der Mann habe den Angeklagten sogar mit zu sich nach Hause genommen, um ihm zu zeigen, wie man die Abgase sicher ausleite. Tatsache ist, dass es an dem Generator in der Laube zwei Wasserrohrstücke gab, die zu einem Loch in der Außenwand führten.

Laut Staatsanwaltschaft waren sie „ohne weitere gasdichte Abdichtung oder Fixierung lediglich lose so ineinander gesteckt“, dass sie „nicht dazu geeignet waren“ für eine „dauerhafte und vollständige Abgasableitung zu sorgen“. Und Tatsache ist auch, dass die sechs jungen Leute an einer Vergiftung mit Kohlenmonoxid starben. Zwei weitere junge Männer entgingen der Tragödie. Sie waren, obwohl eingeladen, nicht zur Feier gekommen.

„Ich dachte, sie schlafen“

Am Sonntag, 29. Januar, fuhr der Angeklagte vormittags wieder zu der Hütte, um nach dem Rechten zu sehen. „Der Generator war aus“, lässt er seine Verteidiger vortragen, „die Tür nicht verschlossen“. Drinnen lagen die sechs Toten. „Ich dachte, sie schlafen“, zitieren die Anwälte ihren Mandanten, „ich wollte Rebecca wecken, ich hob Florians Arm hoch“. Während seine Verteidiger sprechen, presst der 52-Jährige immer wieder die Fäuste gegen sein Gesicht, Tränen tropfen auf den Tisch.

Der Notarzt konnte den jungen Leuten nicht mehr helfen, Polizei und Feuerwehr rückten an, der Generator wurde mitgenommen, die Laube versiegelt. „Erst am nächsten Tag habe ich erkannt, dass das alles real ist“, zitieren die Verteidiger den Angeklagten.

Der Prozess wird am Montag, 23. Oktober, fortgesetzt

 
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  • Erding
    Zu Abgaskonstruktion
    Warum verabschaulicht der Gutachter dies nicht am Beispiel?
    Einfach mal das Auto auf die Hebebühne oder beim TÜV oder in der Werkstatt und dann drunter schauen. Und dabei den Auspuff genau anschauen vom Austritt am Motorblock an bis ganz nach hinten. In welchem Zustand ist er und wie hört es sich an, wenn er undicht ist oder gar herunter fällt? Wie sind die verschiedenen Elemente miteinander verbunden? An wieviel Stellen ist der Auspuff aufgehängt und wie?
    Der Angeklagte hat einen kleinen Fuhrbetrieb. Sagt er. Wie sagte einer der Anwälte der drei Nebenkläger: "Jeder Zehnjährige hätte gesehen, das das Ganze so nicht gemacht werden kann und so nicht geht." Zum Vergleich Ofenrohre sind hineinandergesteckt und haben ein oder mehrere Befestigungsstellen an der Wand. Außerdem zieht der Kamin Luft. Und die Gase mit sich. Wenn schon in Innenräumen, dann neben ordungsgemäßer Abgasanlage auch gleichzeitig Installation, wenn Generator an, dann geht gleichzeitig Fenster auf.
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  • yourburyman
    Lieber User, auf Ihren Wunsch hin werden alle Kommentare unter Ihrem Konto "yourburyman" entfernt.
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    was wären wir ohne Erding?
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  • Erding
    Die Bürgermeisterin von Arnstein war auch bei der Verhandlung!
    Aber sie hat sich nicht geäußert.
    Trotzdem sehr mutig und großen Respekt. Ich hatte mir das auch überlegt. Aber ich bleibe doch da besser außen vor. Es ist schon nicht so einfach darüber zu schreiben. Aber es ist hochaktuell, technisch, juristisch und menschlich. Und es muss auch darüber berichtet und geschrieben werden dürfen. Der Angeklagte selbst tut es ja auch außerhalb des Gerichtssaals, wie er sagt. Und er hat noch zwei schwere Tage vor sich. Dann beginnen auch für ihn irgendwann mal bessere Tage.
    Last but not least. Was wäre Arnstein ohne ihre Bürgermeisterin? Danke!
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  • roswitha.oehrlein@aol.com
    Wir wären total am Axxxx, denn ohne ihn würde die Welt sich aufhören zu drehen zwinkern
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  • roswitha.oehrlein@aol.com
    Was hier in der Kommentar Funktion fehlt ist, das man keine negativen Bewertungen abgeben kann! Bei vielen Tageszeitungen ist dies möglich.
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  • Erding
    Da sind Sie im Irrtum! Aber gewaltig.
    Beweis: DIE ZEIT - Das sieht man auch immer, wenn dort steht: Beitrag gelöscht. Halten Sie sich bitte an die Netiquette. Oder an ein paar anderen. Einfach gleich mal in DIE ZEIT einloggen und sich selbst überzeugen.
    Negative Äußerungen trägt man grundsätzlich nicht vor. "Kinderstube" - Gegenseitiger Respekt ist eine Grundvoraussetzung für Gespräche etc. Machen Sie es doch einfach mit ihrem Partner, Arbeitgeber u. ä. Folgen wie hier bei MP: " Sie fliegen raus!" Argumente und Gegenargumente vortragen ist ganz was anderes. Und was noch hinzu kommt. Es wird anonym geschrieben. Trotzdem aufgepasst auch bei "Beleidigungen". Strafbar. Also ist es okay, von der MP Redaktion und vielen anderen, dafür zu sorgen, dass esgar nicht so weit kommt und alles im Rahmen bleibt.
    "Seid nett zu einander". sagte letzthin in einer Fersehsendung ein Politiker zu den anderen.
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  • Erding
    "Nicht um den heißen Brei rumreden!"
    Was ich damit sagen will, hervorheben will. Der Angeklagte steht hauptsächlich deshalb vor Gericht, weil vier andere -nicht aus seiner Familie stammenden junge Menschen ums Leben kamen. Staatsanwaltschaft und Gericht haben daher davon abgesehen, das Verfahren wegen des eigentlichen Verlustes einzustellen, wohl wegen der vier weiteren Toten. Sollten die Richter seine Schuld feststellen, können sie eine Geldstrafe oder eine Haftstrafe bis fünf Jahren verhängen. Das sind die Fakten: Ich zitiere: auch könnten sie eine Geldstrafe oder ... Grundsätzlich gilt für uns alle die sogenannte Verkehrssicherungspflicht! Egal, was ich tue, wenn es Auswirkungen, Folgen für andere hat, bin ich dran. Ansonsten gilt dieses "Selbstschuld". Und meine Vorwürfe und Reue richten sich allein gegen mich. Wie ich "Gericht" über mich halte.
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  • Erding
    Den Artikel immer wieder lesen.
    "Diese Konstruktion war derart unfachmännisch", dass sie "für den Angeklagten erkennbar und vermeidbar nicht dazu geeignet war". Was hier nicht erscheint: Das Detail aus der Bedienungsanleitung: In der Bedienungsanleitung war demzufolge der ausdrückliche Hinweis enthalten, dass die entstehenden Abgase tödlich sein können."
    Ein kleiner "Glücksfall" in diesem Drama die Stelle: "Zwei weitere junge Männer entgingen der Tragöide. Sie waren, obwohl eingeladen, nicht zur Feier gekommen." Die Frage nach dem "Warum?" kann von den beiden "Glücklichen" selbst beantwortet werden.
    Eine heikle und hoch interessante Frage inbesondere für den Prozeaausgang ist: Wie kam es zu dem Zusammenbruch der Abgasanlage? Diese war doch nach den Ausführungen des Angeklagte beim Weggehen noch "in Ordnung".
    Darum geht es in dem Verfahren? Und nicht zu übersehen. Der Angeklagte hat zwei Rechtsanwälte. Und die Nebenkläger haben auch einen eigenen Anwalt, neben dem Staatsanwalt.
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  • Fr-goetz@t-online.de
    Wir dürfen "Alle" unseren "Herrgott" danken, daß uns so ein Schicksal noch nicht ereilt hat und hoffentlich allen Menschen erspart bleibt! "Hätte, wenn und aber macht die Kinder nicht mehr lebendig", und den Vater nicht mehr glücklich!

    Erst heute auf der Straße hat mir ein junges Mädchen auf der Landstraße die Vorfahrt genommen (Stopschild überfahren), ich hatte ungefähr 80 km drauf, ich wäre ihr in die Fahrerseite voll reingeknallt, hätte ich nicht so schnell reagiert und eine Vollbremsung hingelegt!
    Sie hat allerdings das "Weite" gesucht!
    Hinterher dachte ich mir "wir hatten doch beide einen Schutzengel"!
    Verzeihe ihr diesen Fehler, denn es könnte ja deine eigene Tochter gewesen sein!
    Jetzt ein paar Stunden später ist alles wieder gut!
    Etwas mehr Dolleranz tut manchmal gut!
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  • Depperle47
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  • Erding
    Zufallsbericht in MP/DPA Berlin:
    "Kohlenmonoxid-Melder können Leben retten- Eine Initiative Elektro+
    Defekte Heizungen und Thermen können Kohlenmonoxid verströmen - und so lebensgefährlich werden. Was Verbraucher wissen sollten". Und jetzt die Stelle: "Und bei Sromaggragaten mit Verbrennungsmotor entstehen ebenfalls Abgase wie CO - diese Geräte dürfen daher nicht in geschlossenen Räumen verwendet werden."
    Meine Empfehlung: Einfach den Bericht ganz und mehrmals lesen. Am besten auswendig lernen. Und anderen davon erzählen, von und über den Bericht von Menschen, die "Besserwisser" sind. Mein Satz: "Da wäre ja ein Gelernter ein "Depp!", wenn er eine Ausbildung/ein Studium macht, um was zu lernen." Deutlich genug?
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  • roswitha.oehrlein@aol.com
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