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Steinfeld
Anlage in Steinfeld läuft wieder: Wofür Strohpellets gut sind
In Steinfeld steht die einzige Anlage weit und breit, die Strohpellets herstellt. Anfangs mussten erst Kunden gefunden werden, jetzt werden auch Kunden abgelehnt.
Michael Herrmann aus Steinfeld macht aus Stroh Strohpellets
Foto: Björn Kohlhepp | Michael Herrmann aus Steinfeld macht aus Stroh Strohpellets
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:36 Uhr

Wenn die Bauern ihre Getreidefelder abgeerntet haben, hat der Steinfelder Michael Herrmann alle Hände voll zu tun. Hunderte Rundballen Stroh holt er dann auf seinen Hof. 1200 Ballen braucht er im Jahr für seine Anlage, die aus dem Stroh Pellets presst. Weil ein Brand im Februar die Anlage jedoch bis Juli außer Gefecht setzte, wird Herrmann dieses Jahr nur die Hälfte an Stroh verarbeiten können. Seit 2006 ist die Pelletspresse in Betrieb. Über den Anfang sagt Herrmann: "Das war mehr oder weniger ein Blindflug." Kunden mussten erst gefunden werden. Inzwischen werden auch Kunden abgelehnt.

Die Anlage für Strohpellets sei die einzige ihrer Art in weiter Umgebung, erzählt der 61-Jährige. Die nächste ihm bekannte stehe in Sachsen. Der Industriemeister, der bei der ehemaligen Steinfelder Firma Kreutz Produktionsleiter war, betreibt den Nawaros-Hof (für nachwachsende Rohstoffe) gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Frau. "Ich mache die Arbeit, meine Frau und mein Bruder sind die Chefs", scherzt Herrmann, während er mit seinem Lamborghini-Traktor auf einem Acker in Wiesenfeld Strohballen auflädt. In Steinfeld lädt sie der Wiesenfelder Werner Konrad, der Schwiegervater seines Bruders, interessanterweise mit einem Bagger ab und setzt sie auf.

Michael Herrmann aus Steinfeld lädt in Wiesenfeld Rundballen auf.
Foto: Björn Kohlhepp | Michael Herrmann aus Steinfeld lädt in Wiesenfeld Rundballen auf.

Die Strohpellets dienen vor allem als Einstreu für Pferde. Sie seien um einiges saugfähiger als "Langstroh", gut für die Hufe und isolierten im Winter besser als normales Stroh gegen die Kälte von unten, sagt Michael Herrmann. Vor allem seien sie für Heustauballergiker – ein häufiges Problem bei Pferden – geeignet, da sie durch das Pressen erhitzt werden und dadurch Pilze zerstört werden. So stauben die Pellets weniger als normales Stroh. Heupellets, die die Herrmanns auch herstellen, werden von Kunden eingeweicht und dienen hauptsächlich älteren und zahnkranken Pferden als Fressen.

Fotoserie

2004 habe er einen Beitrag über eine Strohpellets-Anlage gesehen, berichtet er. Der hatte sein Interesse geweckt. Zwei Jahre später erwarb er eine gebrauchte Strohpresse und baute sie in bestehende Hallen. Als die Anlage 2006 in Betrieb ging, musste er zuerst einmal Kunden für ihre Produkte finden. "Das war ein Ritt auf der Rasierklinge am Anfang", erzählt Herrmann. Würde sich die mehrere hunderttausend Euro teure Anlage rentieren? Mittlerweile muss er sogar Kunden ablehnen. Die Stadtwerke München hätten gern täglich einen 40-Tonner voll Strohpellets zum Verheizen gewollt. "Seid mir nicht böse, aber das geht nicht", musste Herrmann ihnen sagen. Auch nicht die Hälfte? Nein, auch die Hälfte nicht. So viel Stroh gebe es in der ganzen Gegend nicht.

"Das war ein Ritt auf der Rasierklinge am Anfang."
Michael Herrmann über das große Risiko einer Strohpelletsanlage

Rund 60 Prozent von Herrmanns Kunden sind Händler im Umkreis von 200 Kilometern, die die Ware in mehrere hundert Kilo schweren "Big Bags" kaufen. Ein knappes Drittel der Kunden sind Reitställe bis nach Nürnberg. Die schätzten auch, dass die Mistmenge durch Pellets geringer sei, weil mit den Pellets ein Zwölftel der Menge an Stroh zum Einstreuen reiche. Außerdem könne der Mist so direkt in Biogasanlagen verwendet werden und vergehe schon in vier bis sechs Wochen. Die restlichen Abnehmer sind Privatkunden, die 25- oder 40-Kilo-Säcke holen, auch als Einstreu für Hasen und Meerschweinchen.

Werner Konrad setzt die Strohballen auf dem Nawaros-Hof in Steinfeld auf.
Foto: Björn Kohlhepp | Werner Konrad setzt die Strohballen auf dem Nawaros-Hof in Steinfeld auf.

Das benötigte Stroh, überwiegend Weizenstroh, kauft Herrmann zu zwei Dritteln zu. Ein Drittel stammt aus eigener Landwirtschaft. Bei der Produktion der Pellets wird mit dem Radlader ein Ballen in den sogenannten Auflöser geworfen. Der zerrupft den Ballen. Das Stroh wird dann in der Mühle zu einem groben Mehl zerschlagen, das anschließend in der Presse mit Wasser vermischt durch eine Matritze gedrückt wird. So entstehen die acht Millimeter starken Pellets.

Grundsätzlich könne man Strohpellets auch verbrennen, wie sie das in München vorhatten. Vom Brennwert her seien die wie Holz, sagt Michael Herrmann. Allerdings entstehe mehr Asche und vor allen Dingen Chlorgas. Das greife normalen Stahl an und zerfresse Anlagen. Dass Chlorgas auch schon beim Pressen entsteht, mussten auch die Herrmanns schmerzlich feststellen. Bleche waren plötzlich durchgefressen, weshalb jetzt sämtliche zehn bis zwölf Übergänge der Anlage mit V4A-Stahl oder Schichtleimholz ausgeführt sind. Für eine Schweinfurter Firma, die Fernwärme erzeugt, pressen sie auch Pellets aus Miscanthus, bekannt als Riesen-Chinaschilf.

"Seid mir nicht böse, aber das geht nicht."
Michael Herrmann musste den Stadtwerken München absagen, die täglich einen 40-Tonner Strohpellets wollten

In der Anfangszeit gab es einige Schwierigkeiten mit der Anlage: "Da haben wir richtig viel repariert." Gut, dass er einen technischen Beruf hat. Man habe die Anlage praktisch keinen ganzen Tag laufen lassen, ohne dass etwas gewesen sei. Einmal sei die Matritze so heillos verstopft gewesen, dass die 6000 Löcher mit einer Schlagbohrmaschine aufgebohrt werden mussten. Wohl auch durch feinen Sand in den Strohhalmen hätten sich die Bohrer dabei abgenutzt. Kaum war die Anlage in Betrieb, machte zudem die EEG-Umlage den Strom teurer als geplant. Die Pelletsanlage hat immerhin zwei 90-Kilowatt-Motoren. Und durch die Wirtschaftskrise 2009 und einen steigenden Franken-Kurs wurde der in Schweizer Franken aufgenommene Kredit um 36 000 Euro teurer.

Schwelbrand in der Pelletsanlage im Februar.
Foto: Björn Kohlhepp | Schwelbrand in der Pelletsanlage im Februar.

Bis heute sei unklar, weshalb es im Februar zu einem Schwelbrand im Kühler der Anlage gekommen sei. Weder Polizei noch Sachverständiger konnten die Ursache finden. Immerhin sei die Versicherung für die Schadenssumme in Höhe von etwa 60 000 Euro aufgekommen. Ein Problem bei der Reparatur sei gewesen, dass Ersatzteile nicht so leicht zu bekommen waren, weil die Anlage schon 15 Jahre alt ist. Ein weiteres Problem seien die bestehenden Verträge mit Großhändlern gewesen, die die Herrmanns zwangen selbst Strohpellets zu verkaufen, um diese erfüllen zu können.

Die Matritze, durch die die Strohpellets gepresst werden.
Foto: Björn Kohlhepp | Die Matritze, durch die die Strohpellets gepresst werden.
 
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