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Lohr
Am Jahrestag des tödlichen Schusses: Lohr nimmt Abschied von getötetem Schüler
Rund 250 Menschen gedachten am Sonntagabend des 14-Jährigen, der von einem Gleichaltrigen erschossen wurde. Der Frage nach dem "Warum?" stehe man ohnmächtig gegenüber, so der Kaplan in seiner Andacht.
Kaplan Tommy Reißig betete das 'Vater unser' auf Deutsch und Italienisch, im Sinne der italienisch-stämmigen Familie des Jungen.
Foto: Patty Varasano | Kaplan Tommy Reißig betete das "Vater unser" auf Deutsch und Italienisch, im Sinne der italienisch-stämmigen Familie des Jungen.
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 14.09.2024 02:34 Uhr

Die Stimmung ist so still und gedämpft, dass man bisweilen das Tröpfeln des Regens auf den Blättern der Bäume in der kleinen Grünanlage vernimmt. Lohr gedenkt am Sonntagabend des 14-jährigen Jugendlichen, der vor einem Jahr von einem gleichaltrigen Schulkameraden erschossen wurde. Erst vor gut einer Woche hat der Täter das Urteil, acht Jahre und sechs Monate Haft, akzeptiert. Das Verfahren ist damit zwar beendet, nicht aber die Trauer. Das zeigt sich bei der Gedenkfeier vor der alten Stadtmauer, zu der der TSV Sackenbach, bei dem der 14-Jährige Fußball spielte, auf Wunsch der aus Italien stammenden Eltern eingeladen hat.

Das Klavier, das dort auf dem überdachten Podium steht, ist zum Altar umgestaltet. Ein Bildnis des Getöteten, Blumen, eine Bleistiftzeichnung, die ihn mit Engelsflügeln zeigt. Die Erinnerung ist lebendig. Mehr als 200 Menschen, wohl an die 250, sind im Gedenken vereint. Kaplan Tommy Reißig zitiert aus den Klageliedern des Jeremias aus dem Alten Testament, lädt ein zum "Vater unser", das etliche mitmurmeln. Bei seiner italienischen Version "Padre nostro" bleibt er allein, lauschen alle andächtig. Der Frage nach dem "Warum?" stehe man ohnmächtig gegenüber, so Reißig. Es sei schwer, die richtigen Worte zu finden, sagt er. Ja, es gäbe sie gar nicht, weil sie persönlich seien.

Mutter richtet das Wort an den verstorbenen Sohn

Die Musik haben die Eltern des Getöteten ausgesucht: "See you again" von Wiz Khalifa und davor "Ce sta n'angelo 'e cchiù", das auf Italienisch mit den Worten schließt: "Francesco, Gott entschied, dass Engel im Himmel sein sollten. Vielleicht wollte er dich deshalb zu früh rufen. Mit Deinen Gedanken, mit Deiner Seele und vor allem mit der Liebe, die du jenen entgegengebracht hast, die die Ehre hatten, Dich zu kennen. Gib Deiner Mama viel Kraft und lebe weiterhin in ihrem Herzen."

Rund 250 Menschen kamen zur Gedenkveranstaltung in der Lohrer Anlage am Sonntag.
Foto: Patty Varasano | Rund 250 Menschen kamen zur Gedenkveranstaltung in der Lohrer Anlage am Sonntag.

Paare halten sich bei der Hand oder umschlungen. Trauer erträgt sich leichter gemeinsam. Einige tragen weißte T-Shirts mit der Aufschrift: "Sei sempre nei nostri cuori, siamo una famiglia. Du bist immer in unseren Herzen, wir sind eine Familie", einige junge Fußballer das Trikot des TSV Sackenbach, etliche halten Grablichter in der Hand, andere eine oder einige Blumen. Worte haben nur wenige mitgebracht.

Die rührendsten Momente ergreifen alle: "Mein Schatz", richtet die Mutter Worte an ihren toten Sohn. Sie vermisse sein Lachen und "das alte Leben", schluchzt sie am Ende mit tränenerstickter Stimme. "Wenn Du auch woanders bist, lebst Du in uns weiter", versichert Kerstin, die für die Jugendlichen spricht. Auch der Vater ringt um Fassung, sucht mit brüchiger Stimme nach Worten, nach einer Erklärung. Vielleicht, so ist seinen schwer verständlichen Worten zu entnehmen, habe sein Sohn den Fehler gemacht, jedem zu vertrauen.

Einige Besucher trugen besonders gestaltete T-Shirts, um an den 14-Jährigen zu erinnern.
Foto: Patty Varasano | Einige Besucher trugen besonders gestaltete T-Shirts, um an den 14-Jährigen zu erinnern.

Freunde lassen blaue und weiße Luftballons steigen, verbunden zu einer Kette. Wie ein Rosenkranz mit Kreuz steigt sie in den grauen Himmel. Wer will, könne die Familie anschließend mit Kerzen auf dem Weg zur Schule, dem damaligen Tatort, begleiten. Diese Einladung beendet die 40 Trauerminuten in der Anlage.

Es bleibt bei der Ankündigung. Just jetzt setzt heftiger Regen ein und damit den vorzeitigen Schlusspunkt. Auf dem leeren Sandplatz bleibt eines der Grablichter verloren stehen. Daneben eine kleine Pfütze und ein Herz aus kleinen, dunklen Steinen mit dem Initial "F" in der Mitte.

 
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