Oskar Weinig trinkt gern Leitungswasser. Obwohl er vielleicht schon mehr Hygienemängel bei der Wassergewinnung gesehen hat als manch anderer. Denn Weinig arbeitet seit 30 Jahren als Hygienekontrolleur im Gesundheitsamt - erst in Würzburg, später in Kitzingen, jetzt seit vielen Jahren im Landkreis Main-Spessart. Sein Spezialgebiet ist Trinkwasser. Er kennt sie alle: die Wasserwarte der 40 großen, kleinen und ganz kleinen Wasserversorger im Landkreis, die Techniker, Ingenieure und Bürgermeister, die kleinen und größeren Störfälle und die vielerorts um ihr Wasser besorgten Bürger. Er sagt: "Trinkwasser ist ein sehr emotionales Thema".
Nie vergessen wird er, wie er einmal einen Siebenschläfer fand, der in einer Quelle verendet war. Oft denkt er auch an den Unfall in Partenstein, als ein Tankzug umfiel und sein Öl innerhalb von zwei Stunden in den Trinkwasserbrunnen sickerte. "Der Wasserwerker hat sofort richtig reagiert und den Brunnen abgestellt. Hätte er es nicht gemacht..." Weinig stockt. "Gut ausgebildete Wasserwerker sind extrem wichtig!" Deshalb geht Weinig gerne raus zu den Verantwortlichen, berät und gibt Tipps. Schuldzuweisungen mag er nicht. Er sagt: "Man muss miteinander sprechen."
Zum Beispiel darüber, dass die Wurzeln von Sträuchern auf lange Sicht sogar einen Hochbehälter sprengen können, dass das Gras um eine Quelle niedrig gehalten werden muss, damit sich keine Kaninchen verstecken, dass nur ein starker Zaun einen Brunnen vor Wildschweinen schützt, dass nur eine Drucktür das Hochwasser aus dem angrenzenden Bach fern hält oder dass eine Wasserversorgung im Notfall sofort zugänglich sein muss. Und wenn der Wasserwart gerade im Urlaub ist? "Die früheren Wasserwarte waren Tag und Nacht erreichbar. Sie hingen mit Herzblut an ihrer Wasserversorgung. Für manche war es ihr Lebenswerk", sagt Weinig. Heute ist das anders.
In Unterfranken gibt es 311 Wasserversorger, 575 Brunnen und 252 Quellen. Meist sind die Gemeinden oder Städte selbst Träger der Wasserversorgung, haben die Aufgaben kommunalen Eigenbetrieben übertragen oder sich zu Zweckverbänden zusammengeschlossen. Nicht immer sind ihre Anlagen auf dem neuesten Stand. Laut bayerischem Umweltministerium wurden die meisten Trinkwasserleitungen in den 60er- bis 80er-Jahren verlegt. Bei einem Drittel fehlen die Unterlagen. Von einem weiteren Drittel weiß man, dass sie älter als 40 Jahre sind - bei einer Lebensdauer von 50 bis 75 Jahren. Zehn bis 15 Prozent müssten erneuert werden. Bei weniger als einem Prozent ist das derzeit der Fall. "Das geht nicht von heute auf morgen", sagt Weinig. Für manche Gemeinden ist es eine Kraftanstrengung.
Die Rechtenbacher (Lkr. Main-Spessart) hatten Glück: Das Wasserwirtschaftsamt stimmte den hydrogeologischen Gutachten zu. Im Fassungsbereich, mindestens zehn auf zehn Meter um den Brunnen, Schutzzone 2 und Schutzzone 3 im Trinkwassereinzugsbereich gelten besondere Bedingungen. In Zone 2 beispielsweise darf keine Gülle ausgebracht werden. Gleich die erste Bohrung der Rechtenbacher war erfolgreich. Seither gewinnen die 1000 Einwohner ihr Trinkwasser aus einem 160 Meter tiefen Brunnen. Die Ersatzpumpe liegt griffbereit, sagt Wasserwart Stephan Matreux. "Denn wenn einmal was ist, muss es schnell gehen, sonst fährt der Milchlaster."
Heute werden das Rohwasser (aus Quelle oder Brunnen), das geförderte Grundwasser und das im Wasserwerk aufbereitete Trinkwasser streng kontrolliert. Ein Beispiel: Bei einer geförderten Wassermenge zwischen 10 und 1000 Kubikmeter am Tag müssen vier routinemäßige und eine umfassende Analyse pro Jahr stattfinden, in denen auf mikrobiologische und chemische Inhaltsstoffe getestet wird. In großen Wasserwerken wird das Grundwasser mittels Ozon, Aktivkohlefiltern, Ultrafiltrationsanlagen, UV-Desinfektion, Entsäuerungsfiltern oder Chlordioxid (Mischung aus Chlor und Sauerstoff) weiter aufbereitet. Einmal im Jahr muss der Versorger die Verbraucher über die Ergebnisse informieren - bei einem Störfall sofort. Das war nicht immer so.
Vor 30 Jahren dümpelten auch mal Schwimmbojen im Hochbehälter herum. Heute schlägt das Messgerät bei jedem Staubkörnchen an. Bei Unregelmäßigkeiten schaltet sich das Gesundheitsamt ein. Und seit dem 1. Januar 2018 wurde die deutsche Trinkwasserverordnung weiter verschärft: Unter anderem muss jetzt häufiger auf Enterokokken (Fäkalkeime) getestet werden - ein Grund für die vielen Störfälle in der Region?
Mitunter sicherlich, so Weinig. Auch der heiße Sommer und der teils rissige Erdboden begünstigten, dass Trübstoffe ins Grundwasser geschwemmt wurden. Eine Gefahrenquelle seien undichte Rohre. Denn manche Bakterien schwimmen nicht nur gegen den Strom, sondern sogar gegen geschlossene Schieber. "Die Proben sind immer eine Momentaufnahme. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht". Oskar Weinig sieht daher auch den Enterokokken-Fund am Zellinger Hochbehälter, von dem aus fast 50.000 Menschen mit Trinkwasser versorgt werden, gelassen. "Es war ein Störfall, keine Katastrophe". Und das Gute daran sei, "dass den Menschen wieder die Wertigkeit von Wasser bewusst wird. Es steckt viel mehr dahinter, immer und zu jeder Zeit mengenmäßig und hygienisch einwandfreies Wasser zur Verfügung zu stellen, als einfach den Wasserhahn aufzudrehen."