Traurig sind alle, dennoch ist die Stimmung famos, als sich am 14. Dezember die Musikerinnen und Musiker das letzte Mal in der "Liesl" treffen. Rund 20 Aktive spielen an diesem Abend in der Kultkneipe auf; flankiert von wenigen Gästen. Werbung für das letzte musikalische Event in der Liesl gab es keine. "Das ist eher etwas Internes, wo wir unter uns sind", so Stephan Schmitt, der Organisator.
An dem Abend wird nicht auf der kleinen Bühne gespielt – die steht voller Gitarren-Koffer, denn fast alle haben ihr eigenes Instrument dabei –, sondern rund um den langen Tisch und vor der Theke. Unplugged und ungezwungen.
Der 49-jährige Karlstadter Musiker und Gitarrenlehrer Stephan Schmitt ist Organisator des Stammtischs. Seit zehn Jahren findet dieser statt. "Ursprünglich habe ich ihn für meine Schülerinnen und Schüler gegründet", sagt er. Ihnen wollte er eine Plattform schaffen, damit sie gemeinsam musizieren können.
Unplugged und ungezwungen: Musizieren am langen Tisch der Kultkneipe
Es sei eher wie ein großes Lagerfeuer und niemand stehe im Mittelpunkt. Auch eine Regelmäßigkeit gebe es nicht, meint Schmitt. Wenn es mal wieder Zeit sei, schreibe er alle ihm bekannten Musizierenden in einer Whatsapp-Gruppe an. Meist kämen rund 25 Personen.
Mit dem neuen Beatles-Song machen zwei Gitarristen den Auftakt. Danach werden Lieder angestimmt, die man halt so kennt. Große Absprachen untereinander gibt es nicht. Einer stimmt an, andere fallen ein. Gitarren, Violine, Mundharmonika, Gesang. Auf dem langen Tisch stehen viele Kerzen und es fühlt sich tatsächlich ein wenig wie am Lagerfeuer an; nur klingt es professioneller. Denn viele der Anwesenden sind Musiker, die regulär in der Liesl ihre Auftritte hatten und auch sonst in der Region musikalisch unterwegs sind.
Alle Anwesenden wissen, dass es heute das letzte Mal in der Liesl sein wird. Wo der Stammtisch sich in Zukunft trifft, weiß der Organisator noch nicht. Aber irgendwas wird sich finden, meint ein Gast zuversichtlich. Seit 2014 fand der Stammtisch ein bis dreimal pro Jahr statt.
Kenner: "Ich war sehr, sehr gerne Wirt."
Rainer Kenner, der Wirt der Liesl, steht an diesem Abend nicht selbst hinter dem Tresen. Er genießt die Musik, schüttelt Hände. Vor allem die musikalischen Events lagen ihm am Herzen: Von der offenen Bühne über das musikalische Weißwurstfrühstück bis zur Förderung lokaler Talente sei alles dabei gewesen. Vor allem die Harmonie zwischen Gästen und Musikern sei ihm wichtig gewesen. Kenner: "Den Gästen hier etwas zu bieten, hatte für mich immer einen hohen Stellenwert."
Den Raum für Begegnungen, den er bisher anderen schuf, gönnt er sich nun selbst. Im April will er den Jakobsweg laufen. "Das ist mein Lebenstraum", sagt er. Und nicht jeder könne es sich leisten, 40 oder 50 Tage freizunehmen von alltäglichen Verpflichtungen.
Ungewisse Zukunft: Für die Liesl und für Kenner
Was danach kommt, weiß er noch nicht. "Ich war Zivi und Wirt, habe im Einzelhandel gelernt." Irgendwas mit Menschen möchte er weiterhin mache, ist dabei beruflich für alles offen. Viele Menschen seien in den letzten Wochen gekommen, um sich zu verabschieden. Damit werde das Ende für ihn real. "Ich bin schon sehr traurig", meint er, "acht Jahre in der Liesl: Das war eine lange Zeit."
Wie es mit der Kultkneipe weitergeht, liegt noch im Ungewissen. Wie Bernd Weigand von der Distelhäuser Brauerei auf Nachfrage erklärt, wurde bisher niemand als Nachfolge für Rainer Kenner gefunden.