Seit 2002 praktiziert Günther Polzer als niedergelassener Hausarzt in Wiesthal. Die Allgemeinarztpraxis ist Anlaufstelle für rund 1500 Patienten. Schon seit fünfeinhalb Jahren sucht der 70-Jährige, der aus Sulzbach am Main (Lkr. Miltenberg) stammt, eine Praxisnachfolge.
Zu diesem Zweck seien bereits mehrere Sitzungen mit dem Wiesthaler und den Bürgermeistern der Nachbarkommunen sowie dem Landratsamt geführt worden, berichtet Polzer. Außerdem inseriert er auf den dafür vorgesehenen Plattformen, die Ärzten zur Verfügung stehen. Unter anderem wiederholt bei der Kassenärztlichen Vereinigung: sowohl im hessischen und bayerischen Verbreitungsgebiet als auch deutschlandweit. Seine Erfahrung dabei: "Die jungen Ärzte wollen nicht aufs Land." Daran änderten auch die von der Regierung aufgelegten Unterstützungsprogramme für Jungmediziner nichts, hat Polzer festgestellt.
Trotzdem schien es kurzzeitig so, als sei er fündig geworden. Aber der potenzielle Nachfolger entschied sich dann gegen eine Übernahme, da er weniger arbeiten wollte, berichtet Polzer. Eine 50-Stunden-Arbeitswoche sei für ihn als Hausarzt normal, sagt er. Der Praxisbetrieb und Hausbesuche für bettlägerige Patienten gehörten im Normalbetrieb dazu. Obendrauf komme der bürokratische und Verwaltungsaufwand. "Es muss jemand gerne machen. Sonst macht man das nicht so lange", fasst er zusammen. Aber mit fast 71 Jahren möchte Polzer auch noch "ein Leben nach der Medizin haben".
Praxis bei Soft- und Hardware auf dem neuesten Stand
Die Praxis sei sowohl in Soft- als auch in Hardware auf dem neuesten Stand für Allgemeinmedizin, sagt Polzer. 120 Quadratmeter misst die barrierefrei zugängliche Praxis mit vier Behandlungszimmern und Labor sowie weitere 55 Quadratmeter im unteren Geschoss, die für interne Arbeiten und Akupunktur genutzt werden. Zum Gesamtkomplex gehört auch das angrenzende Wohnhaus. Weil es ihm in Wiesthal gefällt, möchte Polzer auch im Ruhestand dort bleiben und die Praxis nicht verkaufen, sondern verpachten.
Um die Praxis für einen Nachfolger attraktiv zu machen und den veränderten Vorstellungen der jungen Ärztegeneration hinsichtlich deren Work-Life-Balance Rechnung zu tragen, hat Polzer gemeinsam mit den Kolleginnen Kerstin Christine Dinkel in Heigenbrücken und Maria Glück in Partenstein eine Kooperation angestoßen. Das Modell sieht vor, dass die drei Praxen unverändert bestehen bleiben, aber beim Einkauf und den bürokratischen Arbeiten zusammenarbeiten. Außerdem biete die Idee den Vorteil, dass das Personal bei einem Engpass in der jeweils anderen Praxis eingesetzt werden könnte, erklärt Polzer.
MVZ statt normaler Arztpraxis als Möglichkeit
Vorstellbar wäre für ihn auch, dass die Praxis künftig als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) geführt werden könnte. In einem MVZ arbeiten mehrere Ärzte und Ärztinnen unter einem Dach eigenständig und ambulant. Grundsätzlich ist Polzer bereit, zu Beginn der Praxisübergabe für einen begrenzten Zeitraum weiter mitzuarbeiten und bietet an, die Praxisvertretung im Urlaubsfall zu übernehmen. Ganz in Ruhestand möchte er auf jeden Fall nicht gehen. Polzer plant, mit Übergabe der Praxis Dienste innerhalb der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) zu übernehmen, sagt er.
Polzer ist ein Hausarzt, der seine Arbeit gerne macht. Die Praxis, die Arbeit mit den Patienten und das Team liegen ihm am Herzen. "Ich habe ein supergutes Team", spricht er seinen langjährigen Mitarbeiterinnen Marika Kunkel und Edith Eich sowie Svenja Appelmann und der Auszubildenden Lea Schüßler ein Lob aus. Aber, die Uhr der Lebenszeit ticke auch für einen Arzt. Wenn sich bis Frühjahr 2025 keine Nachfolge abzeichne, bleibe ihm nichts anderes übrig, als die Praxis zu schließen.