Vor 40 Jahren begann alles mit einer neuen Abteilung der Volkshochschule. Dann wurde daraus der Verein "Theaterbühne Karlstadt" – und eine feste Größe im Karlstadter Kulturleben. Was die Mitglieder in den vier Jahrzehnten geschaffen haben, darauf sind sie zu Recht stolz. Sie übersehen aber auch nicht, dass sich die Frage stellt, wer das Theater in der Gerbergasse eines Tages weiterführen wird. Wenn nun ab dem 1. April zum 40-jährigen Bestehen wieder das Erstlingsstück "Hier sind Sie richtig" gespielt wird, sind etliche Akteure der ersten Stunde noch immer dabei. Es stehen sogar drei Mitwirkende auf der Bühne, die schon 1983 mitgemacht haben.
Gründervater Werner Hofmann arbeitete seinerzeit in einer Frankfurter Werbeagentur. Neben dem Beruf galt seine Leidenschaft dem Theater. In Dietzenbach in Hessen gründete er eine Schauspieltruppe. Als er sich 1982 wieder ganz seinem Heimatort Karlstadt zuwandte, spielte die Dietzenbacher Gruppe zum Abschied im Johann-Schöner-Gymnasium "Das Streichquartett".
Durch Zufall zur Theatergruppe gestoßen
Ohne Theater sollte sein Leben in Karlstadt nicht weitergehen. Bei der Gründungsbesprechung in seiner Wohnung fand sich neben anderen auch Gerlinde Heßler ein. Damals wusste noch keiner, dass die beiden einmal erfolgreich als "Hermann und Hermine" das Publikum unterhalten würden. Ihre Arbeitskollegin Hanni Graf kam zufällig dazu: Weil ein von ihr gebuchter Vhs-Spanischkurs ausfiel, nutzte sie den "angebrochenen" Abend, um in die Versammlung hineinzuschnuppern.
Das nächste Mitglied war gewonnen. Und als für "Hier sind Sie richtig" noch ein Mann gesucht wurde, fiel den Theaterleuten Peter Daumberger in die Hände: "Wir brauchen dich nur das eine Mal, danach haste wieder Ruhe", wurde ihm versprochen. Das Gegenteil trat ein. Er ist neben Heßler und Graf der Dritte im Bunde, der jetzt - nach 40 Jahren - bei "Hier sind Sie richtig" immer noch auf der Bühne stehen wird.
Kulissen des ersten Stücks konnten nur kurzfristig aufgebaut werden
Als die Theaterbühne noch eine Abteilung der Volkshochschule war, fanden die Aufführungen im Schwanensaal der Sparkasse statt. Geprobt wurde in der Vhs. Erst zwei Tage vor der Aufführung konnten die Kulissen aufgebaut werden. Das erste Stück sollte nur zwei- oder dreimal gespielt werden. Am Ende der Vorstellungen hieß es immer: "Wenn‘s euch gefallen hat, sagt‘s weiter." So wurde ein Zusatztermin an den anderen gehängt. Am Ende lief das Stück eine ganze Woche lang. Hofmann rückblickend: "Da wussten wir, hier sind wir richtig."
Ab sofort reihte sich ein Erfolgsstück an das andere. "Schweig Bub" wurde insgesamt gar 28-mal aufgeführt. "Und immer haben die Einnahmen die Ausgaben übertroffen", schwärmt Peter Daumberger. Doch es habe immer wieder Diskussionen mit der Vhs um die Finanzen gegeben. Die Theatertruppe spielte nicht nur, sondern feierte gerne auch ihre Erfolge, wofür ein Teil der Einnahmen herhalten musste. Ein beträchtlicher Minusposten seien jeweils die Verrechnungen des Bauhofs mit der Vhs gewesen fürs Hinüberschaffen der Bühnenpodeste vom Rathaus in den Schwanensaal, erzählen die Theaterleute.
Kurzerhand zum Theater umgebaut
Das zehnjährige Bestehen sollte eine Wende bringen. Der damalige Sparkassenchef Hans Heinsch erlaubte, dass für die Jubiläumsfeier das Nachbargebäude genutzt werden darf. Zuvor war dort die Eisenwarenhandlung Söfjer beheimatet. Die Sparkasse hatte das Gebäude gekauft.
Gerlinde Heßler: "Wir haben gefragt, ob wir den Raum für diesen Anlass streichen dürfen." Hofmann malte das Bühnenbild und verzierte die Wände im Marmorstil. Er feixt: "Als Heinsch das nächste Mal rüberkam, war‘s ein Theater." Es sollte fortan die neue Spielstätte sein und führte zur Abnabelung von der Vhs und 1994 zur Gründung der "Theaterbühne Karlstadt" als Verein. Barbara Hubrich wurde dessen Vorsitzende und ist es auch heute noch.
Das Stück "Jedermann" war ein Riesenerfolg
Das Publikum allerdings musste in der Pause die öffentliche Toilette in der Rathausgasse aufsuchen oder in Gaststätten gehen. Nach fünf Jahren wollte das Landratsamt dieser Situation und dem fehlenden Brandschutz nicht mehr zusehen. Doch woher das Geld nehmen für einen Umbau?
Die 800-Jahr-Feier der Stadt Karlstadt brachte die Rettung. Zunächst sollte ein Historienspiel gegeben werden. Doch Gerlinde Heßler erinnerte sich, dass Pfarrer Paul Steinert öfter von der Aufführung des "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal in den 1950er Jahren schwärmte. Damit war die Entscheidung zugunsten des "Jedermann" gefallen. Unter der professionellem Regie von Jurek Makarowski wurde nicht nur das Stück selbst ein Riesenerfolg. "Wir lernten auch für uns viel dazu, die Körpersprache beispielsweise", berichten die vier Urgesteine der Theaterbühne. Von da an wagten sich die Theaterleute auch mal an ernstere Stücke, wenn auch die Boulevard-Komödien nach wie vor das meiste Publikum anziehen.
Am Ende des "Jedermann" blieb ein Plus von 70.000 Mark. Hanni Graf: "Wenn es drei Tage geregnet hätte, wären wir am Ende gewesen." Schließlich musste die Theatertruppe die 800 Personen fassende Tribüne auf dem Marktplatz selbst stellen. Die Stadt übernahm lediglich eine Ausfallbürgschaft über 10.000 Mark.
Programm erweitert durch regelmäßige Kinderstücke
Das eingespielte Geld bildete den Grundstock für den 800.000 DM teuren Umbau in den Jahren 2001/2002, der überdies durch enorme Eigenleistungen und einen Zuschuss der Sparkasse ermöglicht wurde. Die erste Kinobestuhlung, die von einem aufgelösten Kino in Poppenlauer stammte, wich nun einer besseren aus Aachen. Seit dem Umbau gibt es ein ansprechendes Foyer, einen Lagerraum, einen Technikraum, eine Maske - und natürlich Toiletten.
Das Programm wurde durch regelmäßige Kinderstücke erweitert. Bei "Marmelade für Pudding" spielten die Kinder der Theaterleute mit. Wolfgang Tröster ist mittlerweile mit der von ihm gegründeten Theatergruppe "Akt" Mitglied in der Theaterbühne Karlstadt. Das Gymnasium führte hier Stücke auf. Und die Realschule tut es immer noch.
Lob vom Autor: Die beste Inszenierung
Regelmäßig werden die Aufführungen in Karlstadt ausgemachte Publikumsrenner. Die Theaterbühne bürgt für Kontinuität und Qualität. Beim lustigen, aber auch sozialkritischen Stück "Achtung Deutsch!" kam Autor Stefan Vögel nach Karlstadt und lobte, es sei die beste der an 35 deutschen Theatern gezeigten Inszenierungen. Es musste 36-mal gespielt werden.
Zum 40-jährigen Bestehen wird nun das Erstlingsstücks "Hier sind Sie richtig" wieder aufgeführt. Premiere ist am 1. April. Vorsichtshalber sind 16 Vorstellungen angesetzt. Ob diesmal wieder Sondervorstellungen drangehängt werden müssen? Und vielleicht findet sich ja bei der Gelegenheit auch ein Gesicht, das das Theater eines Tages in die Zukunft führt.