Ein zu spät gemeldeter Unfall auf einem "Schleichweg" kommt einen 21-jährigen Autofahrer aus dem Sinngrund teuer zu stehen. An einem Samstag im August 2022 fuhr er in den frühen Morgenstunden zwischen Mittelsinn und Burgsinn, wo die reguläre Staatsstraße damals gesperrt war, ein Brückengeländer um. Die von Strafrichter Volker Büchs verhängte Geldstrafe von 2800 Euro (40 Tagessätze) ist höher als der Schaden, zudem entzog er dem jungen Mann für acht Monate den Autoführerschein.
Interessant ist der Fall auch, weil es aktuell einen Vorschlag von Bundesjustizminister Marco Buschmann gibt, die Unfallflucht bei reinen Sachschäden zu "entkriminalisieren", auch um die Gerichte zu entlasten – im Jahr 2021 wurden 28.000 Fälle von Fahrerflucht verhandelt. Nach den Vorstellungen des Bundesjustizministers wäre Unfallflucht bei Sachschaden nur noch eine Ordnungswidrigkeit (mit Bußgeld).
Verursacher muss "angemessene" Zeit warten
Das alles ist bestenfalls Zukunftsmusik. Aktuell gilt, dass Unfallverursacher eine "angemessene Zeit" an der Unfallstelle warten oder sich umgehend bei der Polizei melden müssen. Der Unfall auf dem Radweg zwischen den Sinngrundgemeinden passierte zwischen 3 und 5 Uhr nachts. Warten wäre da wohl aussichtslos, statt dessen hätte der Angeklagte unmittelbar die Polizei verständigen müssen. Das tat er aber erst Stunden später.
Vielmehr kümmerte er sich darum, dass ein Bekannter das Auto in den nächsten Ort abschleppte. Dazu sagte er vor Gericht, damals sei der Radweg auch von Rettungsdienst und Feuerwehr genutzt worden, da die Brücke in Burgsinn gesperrt war. Er hätte da eigentlich nicht fahren dürfen, doch die offizielle Umleitung hätte 20 Kilometer Umweg ergeben. In der Nacht sei es neblig gewesen und nach einer scharfen Kurve sei er dann ins Brückengeländer eingeschlagen.
Polizei erst am nächsten Tag angerufen
Nach dem Unfall und dem Abschleppvorgang habe er Bierflaschen in eine Tasche gepackt, bei einem Spaziergang ausgetrunken und sich schließlich schlafen gelegt. Die Polizei rief er erst gegen 12 Uhr mittags an. Verhandelt wurde der Fall vor dem Amtsgericht Gemünden ohne persönliche Zeugenaussagen. Richter Volker Büchs zitierte aus dem Ermittlungsbericht der Polizei, die Beamten hätten vergeblich nach leeren Bierflaschen gefragt und der Atemalkoholtest habe 0,34 Promille ergaben. Zudem gingen sie davon aus, der Unfallverursacher sei gewarnt worden.
Laut einem von der Gemeinde vorgelegten Kostenvoranschlag beträgt der Schaden rund 2700 Euro. Das ist der Angebotspreis für ein Stahlgeländer ohne Reparatur der Schäden am Betonsockel. Das zerstörte Geländer ist allerdings aus Holz und weil der Radweg im Naturpark Spessart liegt, ist unklar, ob es durch eine Stahlkonstruktion ersetzt werden darf. Der Verteidiger wies darauf hin, dass sein Mandant den Schaden seiner Haftpflichtversicherung zur Regulierung meldete. Zudem sei das Unfallauto mit 9000 Euro Reparaturkosten ein wirtschaftlicher Totalschaden. Beruflich sei der Führerschein für seinen Mandanten als Baufacharbeiter sehr wichtig.
Führerschein noch im Gerichtssaal abgegeben
"Ich vermute, Sie sind alkoholisiert gefahren, auch wenn man es Ihnen nicht beweisen kann", sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Neben der Geldstrafe nach Erwachsenenstrafrecht beantragte sie auch die Entziehung für acht Monate, das sei ein klassischer "Katalogfall", weil erheblicher Schaden entstanden sei.
Dem Widersprach der Verteidiger des jungen Mannes. Was ein erheblicher Schaden sei, lasse das Gesetz offen, in der juristischen Praxis würden 1300 bis 1500 Euro als Grenze angesehen, basierend auf einem Urteil von 2002, das Landgericht Nürnberg-Feucht sei kürzlich von 2500 Euro ausgegangen. Da die Gemeinde Burgsinn vorsteuerabzugsberechtigt ist, sei der Schaden (netto) hier geringer. Sein Mandant habe auch nichts vertuschen, sondern für freie Bahn sorgen wollen. Zudem sei er damals rechtlich noch ein Heranwachsender gewesen.
Richter Volker Büchs folgte mit der Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 70 Euro dem Antrag der Staatsanwältin und ordnete den vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis der Klasse B für acht Monate an. Damit folgte er der Anregung des Verteidigers, die Führerscheine für Arbeits- und Baumaschinen zu belassen. Es sei ein Regelfall eines erheblichen Schadens und das ganze Verhalten wirke auf ihn wie ein planvolles Vorgehen eines Erwachsenen. Während das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, wurde die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis sofort wirksam, der junge Mann übergab dem Richter noch im Gerichtssaal seinen Führerschein.
und was wäre gewesen, wenn der Gut'ste an dieser Stelle einen Fußgänger oder Radfahrer erwischt hätte? MMn kann es nicht sein, dass bei vorsätzlich rücksichtslosem Verhalten im Straßenverkehr das Ergebnis darüber entscheidet, ob es eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit war. Sieht für mich eher wie die Kapitulation des (so genannten) Rechtsstaats vor überbordender Regelwidrigkeit aus. Sollen sich eigentlich nur noch die "Doofen", die "Konformisten" und die "Angsthasen" an die Regeln halten?
Wenn der Unfall um 12.00 Uhr gemeldet wurde, ergibt das in positivster Berechnung 7 Stunden Abstand zu 5.00 Uhr. In der Fahrschule lernt jeder, dass pauschal von 0,1 Promille Alkoholabbau bei einem Erwachsenen ausgegangen werden kann. Der Restalkoholwert um 12.00 Uhr betrug 0,34 Promille, also war der Alkoholwert im Blut zum Unfallzeitpunkt rechnerisch bei 1,04 Promille und damit meilenweit von den erlaubten 0,5 Promille im Straßenverkehr (falls es kein Fahranfänger ist).
Zur Erinnerung: Bis zu 0,5 Promille gilt es als Ordnungswidrigkeit – sofern der Fahrer in diesem Zustand keinen Unfall oder Schlangenlinien fährt . Dann gilt es schon ab 0,3 Promille als Straftat. Spätestens ab 1,1 Promille muss sich der Autofahrer vor dem Strafgericht verantworten. Und einen Unfall hat es zweifelsfrei gegeben.
Sicherlich, Unfallflucht ist keine Bagatelle, aber auch nicht mehr.
Wenn kein Personenschaden entstanden ist, ist es auch nicht mehr als eine Ordnungswidrigkeit.
Und schon gar kein Grund für einen Entzug der Fahrerlaubnis!
Zumal diese in der Rechtsprechung die größte Ungleichbehandlung überhaupt darstellt!
Während es einem Stadtbewohner mit funktionierendem ÖPNV kaum weh tut, kann es für den Landbewohner die Vernichtung der Existenz bedeuten.
Zumal der "Täter" sich ja doch selbst gemeldet hat, was ja nicht jeder tut.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Verdacht, es könnte Alkohol im Spiel gewesen sein. Es gibt zwar keinen Beweis, hat aber offenbar das Gericht beeinflusst.
Die Kameras hat man wegen diverser Beschädigungen an den Schranken und wegen unberechtigter Benutzung des Radwegs installiert wussten aber wohl nicht alle..oder ihn hat sein Gedächtnis im Stich gelassen..