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Marktheidenfeld
140 Euro für Falschparker in Marktheidenfeld: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen vorerst ein
Über ein Inkasso-Unternehmen bat der Parkplatz-Pächter die Kunden einer Postfiliale in Marktheidenfeld zu Kasse. Die Betroffenen wehrten sich – bisher erfolglos.
Das Flatterband ist zerrissen, die Schilder hängen jedoch noch: Die Parksituation an der Postfiliale hat im letzten halben Jahr viele Marktheidenfelder beschäftigt.
Foto: Carolin Schulte | Das Flatterband ist zerrissen, die Schilder hängen jedoch noch: Die Parksituation an der Postfiliale hat im letzten halben Jahr viele Marktheidenfelder beschäftigt.
Carolin Schulte
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:20 Uhr

Hat der Pächter der Parkplatzreihe gegenüber der Marktheidenfelder Postfiliale gegen den Datenschutz verstoßen und Falschparker genötigt? Mit dieser Frage hat sich die Staatsanwaltschaft Würzburg in den vergangenen Monaten beschäftigt.

In die Postfiliale von Jürgen Schäfer in der Karbacher Straße kommen im Schnitt gut 500 Kunden am Tag. Sie waren es gewohnt, dass ihnen der ganze Parkplatz vor dem Gebäude zur Verfügung steht. Das änderte sich im vergangenen Sommer, als der Grundstückseigentümer einen Teil der Parkplätze verpachtete und der Pächter begann, gegen falsch parkende Postkunden mithilfe des Inkasso-Dienstes "Park & Collect" vorzugehen. Der Pächter hängte eine Videokamera über dem Eingang zur Postfiliale auf und gab die Aufnahmen von Falschparkern an das Inkasso-Unternehmen weiter. Die baten die Parksünder mit rund 140 Euro zur Kasse – 35 Euro davon für den Parkplatz-Pächter, den Rest behielt der Inkasso-Dienst.

Wurden Postkunden unerlaubt gefilmt?

Die Empörung der Postkunden war groß: Falschparken gehöre sich nicht, aber 140 Euro seien eine unverhältnismäßige Strafe, so der Tenor der Betroffenen, die sich im Sommer bei der Redaktion meldeten. Jürgen Schäfer sammelte die Beschwerden seiner Kunden und erstattete Anzeige. 

Die Videokamera filme nicht nur die verpachteten Parkplätze, sondern auch Teile des Geländes, auf dem sich die Postkunden erlaubt bewegten, so der Vorwurf des Post-Inhabers Schäfer. Das sei ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz. Nach einem ersten richterlichen Beschluss hatte der Pächter seine Kamera zeitweise abgenommen – der Grundstückseigentümer hatte jedoch kurz darauf wieder eine aufgehängt. Jürgen Schäfer warf dem Parkplatz-Pächter außerdem vor, gewerbsmäßig zu handeln und sich an den Falschparkern zu Unrecht zu bereichern. 

Die Staatsanwaltschaft Würzburg sah das anders und stellte das Ermittlungsverfahren vergangene Woche vorerst ein. Man könne die "Tat" nicht so sicher nachweisen, dass es für eine öffentliche Klage genüge, heißt es in einem Schreiben der Staatsanwaltschaft, das der Redaktion vorliegt.

Warum die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen einstellte

Dass die Überwachungskamera auch den Bereich aufzeichne, der zur Postfiliale gehört, sei lediglich eine "vage Vermutung", so die Staatsanwaltschaft. Öffentlicher Raum werde zwar auch aufgezeichnet, aber dabei handele es sich um die Rasenfläche hinter den gepachteten Parkplätzen. Die Daten seien allenfalls "ungewollt" miterhoben worden, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage. 

Auch dass der Pächter betrügerisch handele und die Falschparker zur Zahlung nötige, sah die Staatsanwaltschaft nicht gegeben. Der Parkplatz sei als Privatparkplatz ausgeschildert gewesen und dass der Inkasso-Dienst "Park & Collect" den Falschparkern ein Vergleichsangebot mache, stelle keine Nötigung dar.

Von mehr 700 Betroffenen weiß Jürgen Schäfer mittlerweile. Ob und wie er nach der Absage der Staatsanwaltschaft nun weitermachen will, weiß er noch nicht. Nach Informationen der Redaktion ist mittlerweile der Pachtvertrag für die Parkplatzreihe ausgelaufen, der Eigentümer soll seinen Teil des Gebäudes und damit auch die Parkplätze verkauft haben. Der Eigentümer selbst wollte gegenüber der Redaktion keine Stellungnahme abgeben. Die rot-weiße Kette, mit der die Parkplätze zeitweise abgesperrt waren, ist nun zur Seite geräumt, die "Privatparkplatz"-Schilder hängen noch.

Ist das "Geschäftsmodell Privatparkplatz" der neue Enkeltrick?

Ein abgemahnter Marktheidenfelder, der sich der Anzeige gegen den Parkplatz-Pächter angeschlossen hatte, hat bereits gegen die Einstellung des Verfahrens protestiert und an die Generalstaatsanwaltschaft in Bamberg geschrieben. Die hohe Forderung von 140 Euro stehe in keinem Verhältnis zu dem tatsächlichen Schaden, den der Parkplatz-Pächter erlitten habe – er sehe das daher als Nötigung, argumentiert der Marktheidenfelder. 

Er selbst hat nach eigenen Angaben nicht auf den Privatparkplätzen geparkt, sondern dort nur gewendet. Anhand des Bildmaterials der Überwachungskamera lasse sich das nicht überprüfen, heißt es im Absage-Schreiben der Staatsanwaltschaft Würzburg. Diese "Streitigkeit" müsse man auf dem Zivilrechtsweg klären.

Sachbearbeiter prüft den Vorgang erneut

Der Marktheidenfelder hofft, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eventuell doch wieder aufnehmen könnte: "Wenn ein Fall mit so vielen Betroffenen vom Tisch verschwinden soll, dann wird es neben 'Enkeltrick' bald auch das Geschäftsmodell 'Privatparkplatz' geben."

Die Staatsanwaltschaft Würzburg bestätigte, dass die Beschwerde vorliegt – der Vorgang werde daher erneut von einem Sachbearbeiter geprüft.

Können private Parkknöllchen verjähren?

Bei vielen Betroffenen trudelten im November noch Park-&-Collect-Schreiben ein, in denen Parkverstöße von Juni und Juli geahndet wurden. Simone Bueb von der Verbraucherzentrale Bayern erklärt dazu: "'Normale' Strafzettel sind Ordnungswidrigkeiten und verjähren nach drei Monaten. Hier liegt aber keine Ordnungswidrigkeit vor, sondern eine Vertragsstrafe – und für die gilt eine reguläre Verjährungsfrist von drei Jahren."
Quelle: ins
 
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  • S. K.
    ..eine sprudelnde Geldquelle für den neuen Eigentümer
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  • J. S.
    Die "Geldquelle" würde von ganz alleine versiegen. Einfach nicht in die "sogenannte" Falle tappen. Kennt man dies nicht schon aus dem Tierreich: Sich auf die Lauer legen! Und mit ein bisschen Glück ...
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  • G. S.
    Kleiner Unterschied.
    Der Privatparkplatz wird vom Pächter nicht zum Abstellen von Fahrzeugen benutzt, sondern dient nur dazu dort Parkende abzukassieren.
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  • R. N.
    Ich würde mal im Grundbuchamt nachfragen welche Eigentums bzw Nutzungsrechte die Postfiliale zu diesen Parkflächen hat.
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  • J. S.
    Die Post ist Besitzer das genügt! Damit hat sie das Hausrecht. Im Grundbuch steht nur der Eigentümer. Und der hält und hat sich rauszuhalten. Ansonsten könnte ja der Besitzer die Pacht kürzen oder streichen. Ganz einfach. Viel Lärm um nichts - im Grunde genommen. Die positiven Kommentare dazu bestätigen dies, zu recht!
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  • B. L.
    Wer lesen kann, ist im Vorteil. Blinde müssen bezahlen.
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  • C. B.
    Einstellung? Staatsanwaltschaft sollte sich schämen.
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    Was da gelaufen ist, ist eine riesen Schweinerei!!!
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    Find ich auch, es ist eine Schweinerei seinen Karren auf fremden Privatparkplätzen abzustellen. Ist leider mittlerweile fast normal das Eigentum anderer zu missachten.
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  • R. D.
    Richtig parken, keine Probleme
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  • J. S.
    Nein, ist es nicht. Sonst hätte der Staatsanwalt anders entschieden. Solche Vorkommnisse kennen wir doch von anderen Orten und Stellen. Einfach nur sich mal auf den Kundenparkplätze von Supermärkten umschauen. Parkscheibe ist Pflicht und außerhalb der Geschäftszeiten geht auch da nichts mehr. Das steht auf den Schildern. Und auch die Folgen. Die Aufregungen ist zwar nachvollziehbar aber sie bringen nichts. "Der Gentleman genießt (genoss das Abstellen seines Fahrzeugs), zahlt und schweigt." Falsche Anschuldigungen bringen nichts und könnten rückwirkende Konsequenzen haben. Das viele Parkplatzbesitzer zu solchen Maßnahmen greifen müssen, das gefällt denen auch nicht. Aber was bleibt denen übrig? Das gleiche sehen wir doch aus jüngster Zeit, mit den Überrennen der Wintersportorte im Spessart. Die Leute stellen Ihr Auto einfach überall ab. Tja, was war die Folge(n)? Übrigens Abschleppen wäre für die Falschparker wesentlich teurer geworden. Das Geschrei hinterher hilft und bringt nichts!
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