
Es ist ein Stück Fernsehgeschichte, das Andreas Kümmert am 5. März 2015 schreibt. Bei der Telefonabstimmung küren ihn fast 80 Prozent der TV-Zuschauer zum Sieger des deutschen Vorentscheids für den Eurovision Song Contest (ESC). Doch im Moment des Triumphs schmeißt der Sänger aus Gemünden im Landkreis Main-Spessart hin. Ein Eklat.
An diesem Samstag, 1. März, steigt wieder ein Finale beim ESC-Vorentscheid. Es gilt, die Sängerin, den Sänger oder die Band zu finden, um beim großen ESC-Finale Mitte Mai in Basel für Deutschland anzutreten. Die TV-Show - diesmal wieder mit ESC-"Guru" Stefan Raab - weckt Erinnerungen an Kümmerts Auftritt vor exakt zehn Jahren.
Kein Interview: Kommunikation mit Kümmert bleibt schwierig
Gerne hätte die Redaktion den mittlerweile 38-jährigen Sänger gefragt, wie er auf die Geschehnisse damals in Hannover zurückblickt und was er vom ESC heute hält. Das Management von Andreas Kümmert sagt einen Termin für ein Telefoninterview zwar zu. Doch - wieder einmal - meldet sich der Sänger dann nicht. Die Kommunikation mit Kümmert bleibt schwierig, am liebsten spricht er durch seine Musik. Der Konzertkalender des Unterfranken ist jedenfalls auch in diesem Jahr prall gefüllt.

Es ist kurz vor halb elf, als Kümmert an jedem Abend des 5. März 2015 zitternd in Hannover auf der Bühne steht und wartet, dass Moderatorin Barbara Schöneberger live in der ARD das Resultat des Zuschauer-Votings verkündet: Andreas Kümmert hat mit seinem Song "Heart of Stone" gewonnen.
Blitzlichtgewitter. Der Sänger wirkt überwältigt. Doch nur wenig später spricht er die historischen Worte: "Ich bin nicht wirklich in der Verfassung, diese Wahl anzunehmen. Ich gebe meinen Titel an Ann-Sophie." Schockstarre auf der Bühne. Das Publikum in der TUI-Arena raunt.
Launisch oder authentisch? Kümmerts Rückzug spaltet die Fangemeinde
Schöneberger indes behält kühlen Kopf und reagiert souverän. Spontan erklärt die Moderatorin die zweitplatzierte Ann-Sophie zu Deutschlands Vertreterin beim Songcontest. Die Hamburgerin wird im Mai in Wien später den letzten Platz belegen. Null Punkte für Deutschland.
Kümmerts Rückzug spaltet die ESC-Fangemeinde. Vor allem in den sozialen Medien wird heftig diskutiert. Die einen sind von den vermeintlichen Launen des Mannes mit der markanten Stimme enttäuscht und genervt. Die anderen feiern den damals 28-Jährigen als ein Künstler, der authentisch nur für seine Musik lebt und sich standhaft weigert, so zu "funktionieren", wie es die Branche verlangt.
Dabei ist das Rampenlicht an diesem Abend für Kümmert nicht so neu: Bereits 2013 sorgte er für Fernsehschlagzeilen mit seinem Sieg bei der Castingshow "The Voice of Gemany".
Was viele damals in Hannover ahnen, macht Andreas Kümmert Monate später in Interviews öffentlich. Er spricht offen von Angststörungen und Panikattacken. Von Symptomen einer Depression, die er nach dem ESC-Ausstieg behandeln lässt. Die Vorstellung, sich beim Finale komplett verstellen zu müssen, habe dazu geführt, die Reißleine zu ziehen. Getrieben habe ihn die "blanke Angst", sagt Kümmert 2016 in einem Gespräch mit dieser Redaktion.
Seitdem besinnt sich der Gemündener meist auf das, was er am besten kann: Mit erdigem, souligen Rock und Blues bespielt er Konzerthallen, Clubs und Festivals in ganz Deutschland und darüber hinaus. Kümmert genießt die Nähe zum Publikum. Abseits des grellen Rampenlichts der TV-Kameras fühlt er sich offensichtlich wohl. Regelmäßig produziert er neue Songs.
In der Halle und beim Open Air: Kümmerts nächste Konzerte in der Region
Und manchmal gibt der mittlerweile zweifache Vater sogar Interviews - wie kürzlich beim "Kölner Stadtanzeiger". Kümmert spricht da offen über 5. März 2015, über seine damaligen Ängste - und die Folgen. Er sei sich nicht sicher, sagt er, ob er seine Konzerte heute so spielen könne, "wenn ich damals als Popstern vereinnahmt worden wäre".
Die nächsten Auftritte in der Region sind am Freitag, 21. März, in der Stadthalle Bad Neustadt und am Freitag, 20. Juni, beim Open Air auf der Burg in Wertheim.