Wie überall in Franken haben auch die Winzer rund um die Volkacher Mainschleife mit den Auswirkungen von Frost, Corona und Klimawandel zu kämpfen. Am Freitag begann in mehreren Winzerorten am Main die Weinlese. Welche Schäden haben die frostigen Nächte an den Eisheiligen hinterlassen? Macht sich die Trockenheit in diesem Jahr bei Qualität und Menge bemerkbar? Wie gehen Winzer und ihre Helfer mit den Corona-Bedingungen um?
Mit 13 Familienangehörigen ist Norbert Lukas aus Fahr am Samstagvormittag in seinem Weinberg an der Kreuzkapelle zur Weinlese angetreten. Der ehemalige Fährmann von Fahr ist seit 28 Jahren Nebenerwerbswinzer. Die Weinernte von Hand gehört zur guten Tradition in der Großfamilie. Etwa vier Stunden benötigen die Helfer für die elf Zeilen, in denen der süße Müller-Thurgau wächst. Für sie gelten die Corona-Regeln nur beschränkt, da alle in den Haushalten der Familie leben. "Ohne Mund-Nasen-Schutz bei diesem schönen Wetter ist schon ein großer Vorteil", sagt Saskia Reusch mit strahlendem Blick. Die 17-jährige Verwaltungsangestellte ist von Kind an im Wengert dabei und genießt die frische Luft bei strahlendem Sonnenschein.
Große Unterschiede bei Frostschäden
Der Weinberg der Familie Lukas liegt im Tal, geschützt von einem Waldstück. Die Bäume und Nebel im Maintal haben an den Eisheiligen größere Frostschäden im Wengert verhindert. "Hier herunten ist alles im Lot, aber weiter oben ist vieles erfroren", erzählt das Familienoberhaupt. Die 21 Ar Rebfläche, auf der gerade geerntet wird, haben einen guten Ertrag. Mit Traktor und Anhänger fährt Niclas Dittmann die geernteten Trauben zur Kelterstation der Winzergemeinschaft Franken (GWF) in Volkach. Dort empfängt ihn Rainer Feuerbach. Seit über drei Jahrzehnten ist Feuerbach dort Kellermeister, ein echter Profi in Sachen Weinbau.
"In der Frostnacht sind an den Hängen "Volkacher Ratsherr" oder "Obervolkacher Landsknecht" über 80 Prozent der jungen Trauben erfroren", erzählt Feuerbach. Auch Zeilitzheim, Frankenwinheim und Stammheim seien stark betroffen. "Normale Ernten erwarten wir in Escherndorf und Astheim." Im Durchschnitt läge das Defizit der etwa 250 Winzer, die eine Fläche von 320 Hektar bewirtschaften und ihre Träubel bei der GWF in Volkach abliefern, bei 50 Prozent. Das gelte auch für die Bereiche Markt Eisenheim und Wipfeld sowie nach seiner Kenntnis für Nordheim und Sommerach.
Kaum Bremser zu bekommen
Die Qualität der Weintrauben sei allerdings gut und entspreche in etwa der der Vorjahre. Wegen der reduzierten Menge verzichtet die GWF auf Bremserverkauf im Handel; lediglich in der Kelterstation kann Federweißer erworben werden. Große Verlierer durch den Klimawandel sind laut Feuerbach der Bacchus und teilweise der Müller-Thurgau. Diese frühreifen Sorten verkraften die Trockenheit und die starke Sonne im Sommer (Sonnenbrand) nicht so gut wie spätreife Rebsorten mit hohen Öchslegraden wie Silvaner oder Burgunder.
Die Winzer steuern immer gegen: Die Tröpfchenbewässerung der Rebstöcke sei im Anbaugebiet schon angekommen, aber längst noch nicht weit genug verbreitet, um Schäden vorzubeugen. Die Frage nach der Weiß-Rot-Relation der Rebsorten beantwortet der Kellermeister so: "85 Prozent Weißwein, 15 Prozent Rotwein".
Auf die Corona-Maßnahmen angesprochen, sagt Feuerbach, dass allen Genossenschaftswinzern ein Merkblatt mit Verhaltensregeln für die Weinlese und die Abgabe der Trauben in der Kelterstation erhalten hätten. Auf Listen müssten die Namen der Lesehelfer als Nachweis festgehalten werden. In der Kelterstation selbst herrsche absolute "Maskenpflicht". Auch auf die Hygienestandards werde streng geachtet.
Arbeit im Wengert macht Spaß
Die Mund-Nase-Bedeckung wieder abnehmen zu können, tut Traktorfahrer Lucas beim Verlassen des GWF-Geländes gut. Er freut sich schon auf die Brotzeit, die in Fahr auf ihn wartet – gemeinsam mit der Familie. "Die Stunden im Weinberg an der frischen Luft haben mir richtig gut getan. Es hat total viel Spaß gemacht", schwärmt Madeleine Dittmann. Die Industriekauffrau war mit ihrem Freund Lucas Springer bei der Weinlese in einer Zeile aktiv. Während Madeleine von klein auf das Handwerk im Wengert kennt, war Lucas erst das zweite Mal dabei. Er ist ehrlich: "Man muss schon aufpassen, dass man sich mit der Schere nicht in die Finger zwickt."