Unvorbereitet waren sie nicht: Schon Mitte der vergangenen Woche warnten die Meteorologen vor einer tropischen Hitzewelle am Wochenende. Daher hatte sich die Volkacher Wasserwacht mit einem klaren Konzept gerüstet, um auf den erwarteten Ansturm Erfrischung suchender und badewilliger Gäste an den Ufern des Mains reagieren zu können. Denn viele kommen mit wackeligen Paddelbooten und untauglichen Schwimmhilfen aus Plastik.
„Die können zum Teil gar nicht mehr schwimmen“, sagt die Leiterin der Volkacher Wasserwacht, Sylvia Voit, sorgenvoll über manche Badegäste, gerade vor dem Hintergrund eines grauenhaften Badeunfalls bei Duisburg mit vermutlich drei toten Jugendlichen vor wenigen Tagen. Schon Ende letzten Sommers waren coronabedingt alle Freibäder und Hallenbäder gesperrt. Schwimmunterricht? – Fehlanzeige! Das trifft insbesondere die Kinder.
Badeunfälle kosten jedes Jahr Menschenleben
„Ja, wir sind echt angespannt, was auf uns zukommt. Wir wissen absolut nicht, was das Jahr 2021 einsatzmäßig bringt", rätselt Voit. 335 Menschen ertranken 2020 im Bundesgebiet; davon allein in Bayern 80. „Das ausgedehnte Fluß- und Seengebiet in Bayern lässt die Zahlen in Bayern überproportional hoch dastehen“, erklärt die Statistik.
Gekonnt slippen die Wasserwachtler an diesem Tag ein Rettungsboot am Bereitschaftsplatz neben der Mainlände ins Wasser. Fünf Sanis halten an diesem Wochenende Wache am Main, mit einem kleinen Boot, das bis an das Ufer fahren kann, und mit dem großen Rettungsboot. Ausgebildet sind sie als Bootsführer, Taucher oder Wasserretter. „Eigentlich ist der Main nicht zum Baden gedacht“, sagt Voit deutlich, „aber es ist erlaubt.“
Verboten ist allerdings das Baden vor Kraftwerken, unter Brücken und in der Nähe von Schiffsanlegestellen. Zusammen mit dem Bootsführer Janik Schanz geht die Wasserwacht-Leiterin „auf Streife“ mit dem hoch motorisierten Hauptboot. Wenn man sie so auf dem Main kreuzen sieht, meint man, dass es ein angenehmer Wochenend-Traumjob sein könnte. Ist es aber nicht: Beide sind hoch konzentriert und beobachten genau Ufer und Fluss.
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Bootsführer Schanz beobachtet mittlerweile eine große Anzahl von Schwimmern, die mitten auf dem Main schwimmen. „Die Durchqueren gerade die Hauptschifffahrtslinie. Wenn da jetzt ein Fracht- oder Personenschiff kommt wird es happig. Die Sog- und Wellenwirkung kann lebensgefährlich sein“, erklärt Schanz. Das ist übrigens beim Baden im Main ein großes, oft nicht bedachtes Problem: die Strudel- und Sogwirkung unterhalb der Wasserlinie. „Die Leute lassen ihre Kinder am Ufer knietief im Wasser spielen und in einem unbeobachteten Moment kann das Kind weggezogen werden“, warnt die Einsatzleiterin. „Im Fluss gibt es dann noch sehr kalte Strömungslinien, die zu einem Kreislaufschock führen können.“
Immer wieder unvorsichtiges Verhalten
„In der Mittagshitze springen die Leute einfach ins Wasser. Da kann es schnell zu einem Kreislaufzusammenbruch kommen“, erklären sie unisono. Voit erzählt, was folgen kann: das „stille Ertrinken“. „Nicht immer fuchteln Ertrinkende wie wild mit den Armen und schreien um Hilfe“, sagt die Expertin. „Sie treiben eher regungslos im Wasser, mit ausgebreiteten Armen und kommen mit dem Kopf unter Wasser. Nach ein bis zwei Minuten versinken sie dann ganz still.“
Bis Sonntag hatten die Frauen und Männer der Wasserwacht "alles im Griff", wie sie zufrieden feststellen. Einige Pflasterchen wurden verteilt, ein glühender Bootsmotor gelöscht und eine verlorene Geldbörse am Dampfersteg herausgetaucht. Derweil verbreiten die Medien eine neue Hiobsbotschaf: In der letzten Woche hat es bundesweit schon 20 Badetote gegeben.