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Von Beruf Tagesmutter: Ein Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Idealismus
Heike Geiling hat sich mit 53 als Tagesmutter selbstständig gemacht. Sie erzählt, wie es dazu kam, welche Hürden sie meistern musste und wie ihr Arbeitstag aussieht.
Heike Geiling singt viel mit den Kindern, um sie musikalisch und sprachlich zu fördern.
Foto: Heiko Herbert | Heike Geiling singt viel mit den Kindern, um sie musikalisch und sprachlich zu fördern.
Nadine Wiget
Nadine Wiget
 |  aktualisiert: 16.01.2025 02:37 Uhr

Den Begriff Tagesmutter kennen zwar die meisten, aber was es wirklich damit auf sich hat, wissen viele nicht. Deshalb möchte Heike Geiling aus Fahr am Main, eine der aktuell elf aktiven Tagesmütter im Landkreis Kitzingen, eine Lanze für diesen Beruf brechen. Die sogenannte Kindertagespflege ist laut Sozialgesetzbuch nämlich gleichgestellt mit der Kindertageseinrichtung wie Kindergarten oder Krippe und erfordert strenge Auflagen sowie eine geeignete Qualifikation.

Auch die Kosten sind laut Geiling in etwa gleich. "Ich erlebe häufig, dass die Leute denken, eine Tagesmutter ist viel zu teuer. Aber das stimmt nicht." Die Elternbeiträge und Förderung für die Kindertagespflege sind dieselben wie für einen Krippenplatz. 

Sie und ihre Kolleginnen hätten aber auch noch mit anderen Vorurteilen zu kämpfen, erzählt die 54-Jährige. "Viele haben eine noch etwas altertümliche Vorstellung von einer Tagesmutter." Sie sei nicht einfach irgendeine Frau, die sich um Kinder kümmert, sondern führe eine qualifizierte Kindertagespflege. Diese Berufsbezeichnung habe sie in einem intensiven Lehrgang mit entsprechendem Zertifikat erworben.

Außerdem müsse sie über die geeigneten Räumlichkeiten verfügen, ein Führungszeugnis vorlegen und eng mit dem Jugendamt zusammenarbeiten. "Ich werde regelmäßig und ohne Vorankündigung vom Jugendamt kontrolliert, ob ich die erforderlichen Auflagen wie genügend Platz und Sicherheit für die Kinder erfülle", erklärt Geiling. Dies sei ihrer Meinung nach auch richtig und wichtig.

Auf die Tagesmutter wartet ein langer Arbeitstag

Kreatives Malen und Basteln wird bei Spatz & Bengel großgeschrieben, auch gerne draußen im großen Garten.
Foto: Heike Geiling | Kreatives Malen und Basteln wird bei Spatz & Bengel großgeschrieben, auch gerne draußen im großen Garten.

Sie selbst betreut derzeit fünf Kinder zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr. "Ich finde das Konzept der Kleingruppe mit maximal fünf Kindern einfach großartig", schwärmt sie. "So habe ich die Möglichkeit, auf die Kinder einzugehen und sie individuell zu fördern – in einer familiären Umgebung." Hier sehe sie auch den großen Vorteil gegenüber anderen Betreuungseinrichtungen. "Wir Tagesmütter haben einen viel engeren Bezug zu den Kindern."

Geilings Tag beginnt von Montag bis Freitag um 6 Uhr. Zunächst bereitet sie das Essen vor: Bircher Müsli zum Frühstück, meist ein vegetarisches Mittagessen und einen gesunden Snack für den Nachmittag. Dabei achtet sie auf regionale Produkte. Ab 7 Uhr kommen die Kinder. Dann heißt es spielen, spazieren gehen, auf dem nahe gelegenen Spielplatz toben, malen, singen.

"Die qualifizierte Kindertagespflege ist unverzichtbar."
Heike Geiling, Tagesmutter aus Fahr am Main

Auf frische Luft, Natur und Bewegung legt die Tagesmutter großen Wert. Als ehemaliger Nachhaltigkeits-Coach bei der Gemüse Ackerdemie e.V. hat sie mit ihren Schützlingen ein Gemüsebeet in ihrem großen Garten angelegt, das die Kleinen "eifrig pflegen und ernten". Überhaupt versuche sie, die Kinder vieles selbst machen zu lassen und sie darin zu bestärken, sagt sie.

Nach dem Mittagessen halten die Kinder Mittagsruhe. Danach gibt es einen kleinen Snack und noch mal Spielzeit. Der große, liebevoll eingerichtete Raum ist mit allem ausgestattet, was das Kinderherz begehrt: Spielküche, Puppen, Fahrzeugen, Klettergerüst, Büchern. Ab 15 Uhr werden die Kinder wieder abgeholt. Dann heißt es für Heike Geiling aufräumen und vorbereiten für den nächsten Tag.

Die Tagesmutter trägt das unternehmerische Risiko allein

Heike Geiling hat ihre Kindertagespflege Spatz & Bengel im August 2023 eröffnet. Aktuell betreut sie dort fünf Kinder mit ein und zwei Jahren.
Foto: Nadine Wiget | Heike Geiling hat ihre Kindertagespflege Spatz & Bengel im August 2023 eröffnet. Aktuell betreut sie dort fünf Kinder mit ein und zwei Jahren.

Die Tagesmutter hat also ein hohes Arbeitspensum. Sie darf pro Jahr nur 30 Ausfalltage haben – inklusive Urlaubs- und Krankheitstage. Bezahlt wird sie vom Jugendamt; auch die Eltern zahlen ihren Beitrag ans Jugendamt. "Die qualifizierte Kindertagespflege ist unverzichtbar, damit die gesetzlich zugesicherte Kinderbetreuung gewährleistet werden kann", sagt Geiling. Deshalb wünsche sie sich, dass von den Mitteln für die Kinderbetreuung auch etwas in eine besser funktionierende Vertretungsregelung für Ausfallzeiten der Tagesmütter fließt.

"Eine Herausforderung für mich ist die Wirtschaftlichkeit durch die staatlich gedeckelte Verdienstobergrenze", erklärt Geiling. Diese sei auf die maximale Anzahl von fünf Kindern und die hierfür vom Landratsamt festgelegten Pauschalen zurückzuführen. Dem gegenüber stehe das komplette unternehmerische Risiko. "Trotzdem liebe ich meinen neuen Job", strahlt sie.

Mit dem Krippenwagen erreicht Heike Geiling in wenigen Minuten fußläufig Wald und Wiesen und kann mit den Kindern Ausflüge unternehmen.
Foto: Heike Geiling | Mit dem Krippenwagen erreicht Heike Geiling in wenigen Minuten fußläufig Wald und Wiesen und kann mit den Kindern Ausflüge unternehmen.

Tatsächlich arbeitet sie erst seit August 2023 in diesem Beruf. Vorher war sie fast 20 Jahre im Personal- und Projektmanagement tätig. Über ihr Engagement in der Gemüse Ackerdemie ab 2021, die mit Schulen und Kindergärten zusammenarbeitet, habe sie gemerkt, wie viel Freude ihr die Arbeit mit Kindern macht. Also habe Geiling in einem halben Jahr einen Lehrgang zur qualifizierten Kindertagespflege absolviert.

Dazu gehörten 160 Unterrichtsstunden, die Ausarbeitung einer Konzeption sowie Praktika in einem Kindergarten und bei zwei Tagesmüttern. Heike Geiling ist glücklich, dass sie diesen Schritt gewagt hat, und möchte auch andere ermutigen, sich für diesen Beruf zu entscheiden. Ihr Fazit: "Die Tagesmutter ist eine echte Alternative."

 
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