Ziemlich genau vor einem Jahr war die Zuversicht groß. "Der Nordheimer Weingenießerclub wagt den Neubeginn", lautete die Überschrift über einen Artikel, in dem es darum ging, dass nach der Corona-Zwangspause wieder eine Faschingssitzung auf die Beine gestellt wird. Es war davon zu lesen, dass man endlich wieder durchstarten will. Dass der Generationswechsel eingeleitet ist. Kurzum: Der Karnevalsverein Weingenießerclub Nordheim (WGCN) schien auf einem guten Weg.
Im Januar 2024 ist von der Aufbruchsstimmung nicht mehr viel übrig. Es ist viel Frust im Spiel. Viel Enttäuschung. Ernüchterung. Zwar ging die Faschingssitzung im Februar 2023 gut über die Bühne. Die Besucher erlebten damals einen unterhaltsamen Abend in der Volkacher Mainschleifenhalle. Das Publikum, so hielt es der Berichterstatter seinerzeit fest, "dankte den Akteuren für den lustigen Abend mit Applaus in der Warnstufe drei".
Hinter den Kulissen aber hatte sich eine ganz andere Warnstufe aufgebaut: Zum einen waren weniger Besucher gekommen, als man das erwartet hatte. Zum anderen fehlte es an helfenden Händen. Wer sich engagierte, musste am Ende mit dem Gefühl klar kommen, sich aufgerieben zu haben. Die Stimmung: alles andere als gut.
Ein Neuanfang, der keiner war
Der erhoffte Neuanfang – es hat ihn schlichtweg nicht gegeben. Weshalb schon wenig später eine Entscheidung von großer Tragweite fiel: Noch einmal bekommen wir eine solche Ochserei nicht hin. Eine weitere Faschingssitzung erschien unter den gegebenen Umständen undenkbar. Weshalb bereits im Frühjahr 2023 klar war: 2024 ist das so nicht noch einmal zu schaffen. Kein Fasching mehr. Faschingsfrust statt Narrengala.
Die deutlich verjüngte Führungsriege des WGCN steht seither vor vielen Fragezeichen: Wer ist an der Helferfront eigentlich noch an Bord? Lässt sich die Faschingssitzung überhaupt jemals wieder stemmen? "Die Motivation lässt immer mehr nach", legt Benedikt Trost den Finger in die Wunde. Der Vorsitzende des WGNC will deshalb auch keine Prognose abgeben, wie es weitergehen könnte.
Was alles in Frage steht
Fest steht nur: Im Frühjahr sind Wahlen – und dann kann alles passieren. Lässt man den Fasching künftig ganz außen vor und konzentriert sich auf andere Dinge? Steht womöglich der gesamte Verein infrage, wenn sich immer weniger angesprochen fühlen, die Dinge in die Hand zu nehmen?
Trost selbst, der in so ziemlich jedem Nordheimer Verein aktiv ist, will sich noch nicht festlegen, ob er weiter macht. Er würde sich vor allem wünschen, "dass sich eine neue Vorstandschaft findet". Mehr Tatkraft also. Die bange Frage lautet allerdings: Warum soll etwas, das schon einmal nicht geklappt hat, diesmal funktionieren? Was, wenn von den rund 200 Mitgliedern am Ende doch wieder nur zehn Prozent zur Versammlung kommen, die bei der Frage nach Verantwortung ebenso dankend wie energisch ablehnen?
Überhaupt, die Hauptversammlungen: Sie müssen wegen diverser Regularien im Vereinsrecht sein, "locken aber keinen mehr hinter dem Ofen hervor", bringt es Trost auf den Punkt. Nordheim ohne WGCN – man müsse sich zumindest mit dem Gedanken auseinandersetzen. Auch wenn es natürlich "für den Verein wünschenswert" wäre, dass alles so bliebe.
Die Nachwehen der Corona-Pandemie
Nur: Ein Wunschkonzert, das zeigt die diesjährige Faschingsabsage, sind viele Dinge schon lange nicht mehr. Was umgehend auch zu dem Hinweis auf die Corona-Zeit führt: Das habe doch mehr durcheinandergewirbelt und Dinge verändert, als man das zunächst gedacht habe, macht sich Trost ebenso wie sein Stellvertreter Christian Glos so seine Gedanken.
Für ihn stellt sich zudem das Problem, dass er in seinem Heimatort keinen Bauplatz gefunden hat – und deshalb nach Wiesentheid gezogen ist. 32 Kilometer für Hin- und Rückfahrt – das will auch überlegt sein. Und es gäbe viele Gründe für viele Fahrten. Allein wegen der Hallenfrage. Am schönsten war es immer noch in der TSV-Halle – da sind sich viele Nordheimer einig. 200 Sitzplätze sind aber schlicht zu wenig – und zwei Veranstaltungen rechnen sich einfach nicht mehr, betont Trost. Zwar fand man vor gut zehn Jahren eine neue Heimat in der Volkacher Mainschleifenhalle – ideal aber war das nie, wenn man für den eigenen Fasching mit Mann und Maus in die Nachbarstadt muss. Wenn dann auch noch, wie im vergangenen Jahr, die Halle halb leer bleibt, trägt das auch nicht gerade zur Motivation bei.
Und weil das alles noch nicht reicht, kommen noch persönliche Schicksalsschläge hinzu. Seit Trainerin und Schriftführerin Petra Baumann unerwartet verstarb, ist die Zukunft der jungen Garde offen: Die "Mainschleifchen“ sind von der Bühne verschwunden. Ob vorerst oder für immer, ist ein weiteres der vielen Fragezeichen.
