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Mainbernheim
Verein möchte Mainbernheims Gasthof "Zum Bären" zu einem Auszeithaus für Opfer sexualisierter Gewalt machen
Die Ärztin Ulrike von Schultzendorff betreut eine Frau, die schwere sexualisierte Gewalt erlebt hat. Sie und andere Traumatisierte sollen in einem Auszeithaus zu sich kommen.
Das einst so beliebte Gasthaus 'Zum Bären', die älteste Wirtschaft in Mainbernheim, steht zum Verkauf. Ein Verein möchte daraus ein Auszeithaus für sexuell misshandelte Menschen machen. 
Foto: Diana Fuchs | Das einst so beliebte Gasthaus "Zum Bären", die älteste Wirtschaft in Mainbernheim, steht zum Verkauf. Ein Verein möchte daraus ein Auszeithaus für sexuell misshandelte Menschen machen. 
Diana Fuchs
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:44 Uhr

So etwas hatte selbst die gestandene Ärztin Ulrike von Schultzendorff noch nicht erlebt. "Als die Frau vor 17 Jahren zu mir kam, war klar, dass sie besondere Unterstützung braucht, um in ein normales Leben zu finden", sagt die Medizinerin, die in einer Mainbernheimer Praxis arbeitet.  Zusammen mit anderen sozial engagierten Menschen hat von Schultzendorff nun den Verein "Wellen brechen e.V." gegründet. Dessen Ziel ist es, ein Auszeithaus für die Opfer komplexer sexualisierter Gewalt zu schaffen.

Im Auge hat der Verein dafür den Traditionsgasthof "Zum Bären" in Mainbernheim, der wie die dazugehörige Pension seit März geschlossen hat und zum Verkauf steht. Dessen Eigentümer würden befürworten, wenn die Idee vom Auszeithaus verwirklicht werden könnte. Im Interview erklärt die 69-jährige Ärztin die Ziele des Vereins.

Was genau ist ein Auszeithaus?

Ulrike von Schutzendorff: Es gibt Menschen, die – häufig seit frühester Kindheit – schwere sexualisierte Gewalt erlebt haben. Ihnen möchten wir in einem Auszeithaus die Möglichkeit geben, dem belastenden Alltag zu entfliehen. Durch meine Patientin habe ich erfahren, dass man den Ausstieg nur mit gutem Helfernetzwerk und mit beständiger Therapie schafft. Und man braucht eine sichere Umgebung. In einem vergleichbaren Auszeithaus im Allgäu hat meine Patientin dessen besonderen Wert erlebt. Daraus entwickelte sich dann die gemeinsame Idee, mit einem weiteren Auszeithaus noch mehr Betroffenen helfen zu können.

Ulrike von Schultzendorff sitzt in einem der Zimmer im ehemaligen Gasthof 'Zum Bären' in Mainbernheim. Mit einem Verein würde sie dort gerne ein Auszeithaus für Traumatisierte einrichten.
Foto: Diana Fuchs | Ulrike von Schultzendorff sitzt in einem der Zimmer im ehemaligen Gasthof "Zum Bären" in Mainbernheim. Mit einem Verein würde sie dort gerne ein Auszeithaus für Traumatisierte einrichten.
Soll das Haus auch ein Ort der Therapie sein?

Von Schultzendorff: Nein, es geht erst einmal darum, den Opfern sexueller Gewalt – meist sind es Frauen – für eine begrenzte Zeit kostenlos einen Ort der Entspannung, eine Auszeit, zu geben. So eine Möglichkeit ist ein wertvoller Bestandteil beim eigenen Ausstieg.

Für eine begrenzte Zeit – das heißt, einige Wochen? Oder länger?

Von Schultzendorff: Vier Zimmer, jeweils mit Bad, sollen Menschen offen stehen, die zwei, drei Wochen durchschnaufen und sich mit anderen Opfern austauschen möchten. Drei Wohneinheiten sollen für längerfristiges Wohnen zur Verfügung gestellt werden. Für Menschen, die den Ausstieg aus ihrem gewalttätigen Umfeld mit allen Konsequenzen in Angriff nehmen.

Von einer hohen Mauer umgeben vermittelt das Grundstück mit Garten viel Sicherheit.
Foto: Diana Fuchs | Von einer hohen Mauer umgeben vermittelt das Grundstück mit Garten viel Sicherheit.
Bedeutet das, Sie haben schon ein Haus in Aussicht?

Von Schultzendorff: Wir haben in Mainbernheim das perfekte Haus gefunden, das zum Verkauf steht: den ehemaligen Gasthof "Zum Bären". Er verfügt über ideale Räumlichkeiten und ist von einer hohen Mauer umgeben. Das wäre für Traumatisierte ideal.

Wie will der Verein so ein Haus finanzieren?

Von Schultzendorff: Indem wir, hoffentlich, viele Mitstreiter finden, die ihren Beitrag zahlen. Außerdem müssen wir um Spenden bitten. Der Kaufpreis beträgt 750.000 Euro, das ist ein Wort. Aber im Crowdfunding könnten wir es schaffen. Auch im laufenden Betrieb ist uns klar, dass die Finanzierung eine ewige Akquise bleiben wird. Doch das Haus ist so nötig, denn es gibt so viele Betroffene. Man kann und darf da nicht einfach wegschauen!

Versteigerung und Konzert

Mit der Versteigerung eines Kunstwerkes von Katja Gehrung beginnt der Verein "Wellen brechen e.V." am Sonntag, 17. September, ab 16 Uhr damit, Geld für das Auszeithaus zu sammeln. Das Werk wird an den Meistbietenden verkauft. Zuvor sind Katja Gehrungs "Metamorphosen fotografiert" über eine Woche lang im Casteller Rathaussaal zu sehen (Vernissage: Freitag, 8. September, 19.30 Uhr; Öffnungszeiten: 9. und 10. September von 12 bis 18 Uhr, 17. September von 15 bis 17.30 Uhr).  
Benefizkonzert: Am Sonntag, 17. September, findet ab 18 Uhr ein Benefizkonzert zugunsten des Auszeithauses statt. "Von Wasser und Wellen" nennen Sopranistin Hiltrud Kuhlmann und Holger Berndsen (Klavier) den Abend, bei dem ein Programm aus Werken von Clara Schumann, Franz Schubert, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Antonin Dvořák und anderen auf die Besucher der Casteller Grafschaftskirche wartet.
Infos: Ansprechpartnerin ist Ulrike von Schultzendorff, Mail: ulrike.v.schultzendorff@t-online.de
Quelle: ldk
 
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