
Geilenkirchen als heißeste Stadt Deutschlands – irgendwie passt das ja doch zusammen. 40,5 Grad am Mittwoch im westlichen Nordrhein-Westfalen auf dem Flugplatz eines Nato-Stützpunktes bedeuteten einen neuen deutschen Hitzerekord. Am Donnerstag ging die etwas bizarre Rekordjagd dann weiter: Bonn meldete 40,6 Grad, und war da für wenige Stunden mal wieder Bundeshauptstadt. Am Abend wurden dann aus Lingen im Emsland sogar 42 Grad gemeldet. Da hatte sich der bisherige Spitzenreiter Kitzingen sich um einiges länger im Hitze-Ruhm sonnen können: Die 40,3 Grad aus dem Sommer 2015 – im Juli und ein paar Wochen später im August gleich zweimal gemessen – hielten doppelt besser, immerhin waren es am Ende über vier Jahre.
Die Stadt nahm den Verlust gelassen hin. Oberbürgermeister Siegfried Müller saß den gesamten Donnerstag in Besprechungen. Kurz zuvor hatte er noch hervorgehoben, dass es ja nicht unbedingt ein erstrebenswerter Rekord ist, der heißeste Ort zu sein. Andererseits habe die 40,3-Grad-Marke seine Stadt noch ein Stückchen bekannter gemacht: in allen Nachrichtensendungen wurde der Rekord gemeldet. Kitzingen hier, Kitzingen da, Kitzingen überall. Keine Quiz-Show, in der nicht die Frage nach der deutschen Hitze-Hauptstadt auftauchte. So gesehen sei der Rekord "schon eine tolle Geschichte" gewesen, so Müller.

Manch einer hatte sogar versucht, ein Geschäftsmodell aus der Hitze zu machen: Es gab Shirts und Tassen, auf denen die magische 40,3 prangte. Auch eine eigene Postkarte mit besten Grüßen aus dem "wärmsten Ort Deutschlands". Werben konnte auch die Kitzinger Tourist-Info mit der Zahl, die irgendwo in fast alles Hinterköpfen der Gäste abgespeichert war. Kitzingen und mediterranes Klima – auch das war eine Einheit. Im Rathaus der gut 21 000-Einwohner-Stadt waren nicht wenige Mitarbeiter froh, dass die Entfernung zur nächsten Eisdiele gerade einmal 35 Meter beträgt.

Als der Titel-Verlust am Donnerstag in den sozialen Netzwerken die Runde machte, blieb die sonst übliche Aufgeregtheit aus. "Endlich – kein erstrebenswerter Rekord!" hieß es da beispielsweise. Ein anderer vermutete mit einem Augenzwinkern, dass zu viele Kitzinger die Sonnenenergie in Strom umgewandelt und deshalb ihren ersten Platz verloren hätten. Aber es gab auch den trotzigen Hinweis, der sich wie eine Kampfansage las: "Abwarten, morgen ist auch noch ein Tag!"
30000 Blumen in der Hitzestadt
Dass es auch am ehemals heißesten Ort im Lande jederzeit grünt und blüht, liegt an den Stadtgärtnern. Um den Durst der etwa 30 000 Blumen im Stadtgebiet zu stillen, werden pro Tag 36 000 Liter Wasser ausgebracht. Keine Rolle spielt auch Wasserknappheit. Elf Tiefbrunnen fördern 1,3 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Ein Mengenproblem hat die bisherige Rekordstadt nicht, es kam immer genug Wasser aus dem Hahn. Was auch für das Freibad auf der Mondseeinsel gilt: Dort ist es im Grunde immer voll, was Aqua-Sole-Leiterin Verena Dambach erfreut. Bis zu 2000 Besucher an einem Tag können da durchaus schon mal zusammenkommen.
Bedeutend ruhiger geht es da bei Magdalena Michelsen zu. In ihrem Garten am Rande der Stadt wurde die Rekordtemperatur an einer Messstation des Deutschen Wetterdienstes (DWD) gemessen. Seither trägt sie den Namen Hitze-Oma und ist durchaus eine Berühmtheit. Seit über 20 Jahren betreut sie die Station, eine von 500 in Deutschland. Wobei die Kitzinger Messstelle eine Besonderheit aufweist: Sie steht in einer Stadt, die rund 200 Meter über dem Meeresspiegel in einem Kessel liegt. Auf Sandboden, der sich besonders leicht erwärmt. Ein ideales Hitzesammelbecken.
Kommt der Rekord zurück?
Genau deshalb kann sich die Hausherrin auch vorstellen, dass ihre Station eines Tages auch wieder einen Rekord vermeldet. Am Donnerstag war die allerdings einiges entfernt davon. Kurz nach 14 Uhr zeigte das Thermometer 38,2 Grad an.

Dass bei sich anbahnenden Hitzewellen regelmäßig Pressevertreter zu Besuch kamen, war längst zu einer lieb gewonnen Tradition geworden. Weshalb die 84-Jährige dem Rekord durchaus nachtrauert. In der Nacht zum Donnerstag, als die Kitzinger Rekordmarke gebrochen war, muss das die Hitze-Oma doch sehr gewurmt haben. Sie träumte jedenfalls davon, "dass es am nächsten Tag 46 Grad hat". Es gäbe ja noch so viel zu erzählen – wenn da nicht schon wieder ein Journalist an der Tür klingeln würde, der unbedingt wissen will, wie das Leben ohne Rekord denn nun weiter geht.
Traumhaft wäre wohl die richtige Antwort.