Der Schuss ging nach hinten los: Trotz fürsorglicher Hinweise des Gerichts, dass "nach Aktenlage" nicht die geringsten Erfolgsaussichten auf eine Bewährungsstrafe bestehen, wollte eine Angeklagte, dass das Berufungsverfahren in voller Breite durchgeführt wird. Wenn sie ins Gefängnis müsse, so ihre Begründung, könne sie bedürftige und kranke Familienangehörige in der Slowakei nicht mehr unterstützen.
Die 37-Jährige war vom Amtsgericht Würzburg für einen von ihr verschuldeten schweren Verkehrsunfall mit zwei Todesopfern und einem Schwerverletzten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt worden. Die Strafe ist vom Landgericht jetzt auf drei Jahre erhöht worden.
Mit hoher Geschwindigkeit, zwischen 120 und 160 km/h, mit 0,75 Promille Alkohol im Blut und einem Medikament gegen Heuschnupfen und Erkältungskrankheiten, war die Frau im Oktober 2018, an einem Sonntagabend auf der Kreisstraße zwischen Schönaich (Lkr. Schweinfurt) und Altenschönbach in einer leichten Linkskurve geradeaus weitergefahren. Das Auto hatte sich mehrfach überschlagen und war nach etwa 130 Meter schwer beschädigt auf dem Dach liegengeblieben. Von den vier Fahrzeug-Insassen, alle Arbeitskollegen aus einer Großbäckerei, hingen ein Mann (35) und eine Frau (25) beim Eintreffen der Rettungskräfte tot im Gurt, einer war herausgeschleudert und schwer verletzt worden.
Angeklagte erinnert sich an Unfall nur bruchstückhaft
Wie vor Antritt der Fahrt Alkohol in ihr Blut gekommen sein soll und dass sie ein schmerzlinderndes Medikament geschluckt haben müsse, das könne sie sich, so die Angeklagte, nicht erklären. Ihr fehle schon für die Phase vor dem Unfall die Erinnerung und die sei auch in den vergangenen Jahren nicht einmal bruchstückhaft zurückgekommen.
Wie schon in der ersten Verhandlung beschäftigte man sich erneut, aber erfolglos, mit einer weiteren möglichen Unfallursache. Der Fahrzeuginsasse, der schwerverletzt überlebt hat, berichtete, dass die Angeklagte kurz vor dem Unfall geweint und ihr Fahrzeug stark beschleunigt habe. Er habe die Tachonadel des VW Beetle bei 200 gesehen, Angst bekommen und gebeten, ihn aussteigen zu lassen. Danach setzt seine Erinnerung aus. Geweint habe die Fahrerin an dem Abend schon einmal, als man auf einem Parkplatz eine Zigarettenpause einlegte. Da habe sie ein Mitfahrer in den Arm genommen und zu trösten versucht.
Das abrupte Beschleunigen vor dem Unfall, so der Rechtsmediziner Dr. Thomas Tatschner, lasse sich nicht allein mit Alkohol und Medikament, sondern nur mit einer zusätzlichen psychischen Ausnahmesituation erklären: Die Frau müsse innerlich aufgewühlt gewesen sein, was ihr plötzliches Weinen erklären würde.
Unfallopfer wird sein Leben lang unter den Folgen leiden
Die Vernehmung des Zeugen, der den Unfall überlebt hatte, war auch für Prozessbeteiligte mit langer Gerichtserfahrung erschütternd: Er ist 33 Jahre alt, hat nach wie vor Metallplatten im Körper und ist "stark verschraubt", auch mit Gehhilfen kann er sich nur schleppend bewegen. Drei Wochen lang lag er im Koma, danach noch monatelang im Krankenhaus. Er hat 13 Operationen und danach Reha-Klinik hinter sich. Nach Angaben seiner Ärzte bestehe nicht die geringste Chance auf eine auch nur geringfügige Besserung seines Zustandes. Er werde nie mehr arbeiten können. Der Mann schilderte, was ihm darüber hinaus zusetzt: Ein Vater sei für seine Kinder da, aber seine vier und zwölf Jahre alten Buben müssten sich um den Vater kümmern. Der eine massiere ihm regelmäßig die ständig geschwollenen Beine und der andere reibe ihm den Rücken mit einer Salbe ein wegen der dauernden Schmerzen. Von der Angeklagten habe er nur erwartet, dass sie ihren Fehler zugibt und sich bei ihm entschuldigt. Aber da sei bisher "nichts gekommen".
Die Unfall-Versicherung der Angeklagten lässt es bei Leistungen für den überlebenden Mitfahrer auf einen Zivilprozess ankommen. Sie unterstellt ihm "Mitverschulden" an seinen schweren Verletzungen: weil er trotz der 0,75 Promille bei der Angeklagten eingestiegen war und vor allem bei der Fahrt nicht angeschnallt gewesen sei. Genau das habe ihm jedoch, so sein Anwalt Hans-Erich Jordan, das Leben gerettet, weil er beim Überschlag des Fahrzeugs nach draußen geschleudert wurde. Im Gurt hätte er vermutlich, wie zwei weitere Fahrzeuginsassen, nicht überlebt. Beim Spurensuchen im Fahrzeug-Wrack stellte ein Gutachter übrigens fest, dass der Zeuge sich gar nicht anschnallen konnte, weil der Verschluss des Gurts verklemmt war. Der Verletzte wird sich auf ein langes Prozessieren einstellen müssen.
Fahrerin war das Handy wichtiger als das Schicksal der Mitfahrer
Die auf drei Jahre erhöhte Strafe für fahrlässige Tötung in zwei Fällen und Straßenverkehrsgefährdung begründete die Vorsitzende der 3. Strafkammer, Susanne Krischker, unter anderem auch mit dem Verhalten der Angeklagten nach dem Unfall: Seitdem habe sie keinerlei Kontakt zu dem Landsmann aufgenommen, nicht einmal einen Brief geschrieben. Soweit sie sich in der Verhandlung entschuldigte, sei das "sehr formal" gewesen, "halbherzig, theatralisch und voller Selbstmitleid". Sie habe den Verlust ihres Handys an der Unfallstelle wegen der vielen wichtigen Daten mehr beklagt und bedauert als den Zustand des ehemaligen Arbeitskollegen, dessen Vorgesetzte sie in einer Großbäckerei war.
Das Urteil ist bereits rechtskräftig: Die Angeklagte hat es noch im Gerichtsaal angenommen – "obwohl ohne Rabatt, aber mit Zuschlag". Daraufhin verzichtete auch die Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel.
Lieber werden Anwaltskosten um ein vielfaches des Schadens bezahlt.
Da müsste schon längst der Gesetzgeber eingreifen.
Nirgends steht, dass eine Berufung ein besseres Strafmass für den Täter nach sich ziehen muss. Das Urteil ist ein Schritt in die richtige Richtung, um im Strassenverkehr dieses ich kann mich nicht erninnern wollen in den Griff zu bekommen.
Da gibts ein anderes Strafmaß, die Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen. Wir müssen Geduld beweisen und die Hoffnung nicht aufgeben.
Es findet gerade ein Umdenken statt.