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Kitzingen
Streitpunkt Ukraine-Hilfe: Misstöne im Kitzinger Stadtrat nach 100.000-Euro-Spende
Fast einstimmig spricht sich der Stadtrat für eine Finanzspritze an seine polnischen Partner aus. Das Innenministerium sieht keine Probleme. Doch im Gremium selbst reagiert mancher befremdet.
Ein Bild aus unbeschwerten Tagen: Im März 2020 verlieh der Trebnitzer Bürgermeister Marek Dlugozima (links) dem damaligen Kitzinger OB Siegfried Müller die Ehrenbürgerschaft.
Foto: Stadt Trebnitz | Ein Bild aus unbeschwerten Tagen: Im März 2020 verlieh der Trebnitzer Bürgermeister Marek Dlugozima (links) dem damaligen Kitzinger OB Siegfried Müller die Ehrenbürgerschaft.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:43 Uhr

Es war ein außergewöhnlicher Moment im Kitzinger Stadtrat, kein ganz normaler Austausch. Aber was ist in diesen Krisenzeiten schon normal? Im Würzburger Stadtrat waren neulich die Brüder Klitschko per Videoanruf aus dem ukrainischen Kriegsgebiet zugeschaltet. In Kitzingen hatte man jetzt eine Bildleitung ins polnische Trebnitz aufgebaut, und so tauchte auf der Leinwand der Alten Synagoge plötzlich Marek Dlugozima auf, der Bürgermeister von Kitzingens Partnerstadt. Er sei, so ließ er die an seiner Seite sitzende Dolmetscherin mitteilen, "im Herzen berührt", als er gehört habe, dass Kitzingen helfen will.

Es geht um eine Spende von 100.000 Euro, die Kitzingen – nach der Klärung rechtlicher Bedenken – an Trebnitz geben möchte und die der Stadtrat mit einer Gegenstimme von Tobias Volk auch bewilligt hat. Mit dem Geld soll dort den Geflüchteten aus der Ukraine geholfen werden. Doch bei allem Verständnis hat mancher im Stadtrat auch Probleme mit dem Ablauf des Verfahrens und Kritik an den polnischen Partnern geäußert.

Heikle Frage: Dürfen deutsche Steuergelder als Spende ins Ausland?

Die ÖDP hatte in Abstimmung mit dem Freundeskreis der Kitzinger Partnerstädte Anfang März, eine Woche nach dem Beginn von Putins Vernichtungskrieg, einen Antrag eingebracht. "Insbesondere unser Nachbarland Polen wird die Hauptlast der ständig steigenden Flüchtlingswelle tragen", heißt es darin. Die Stadt Kitzingen solle Trebnitz als Partner zur Seite stehen und für die Jahre 2022 und 2023 einen Sonderposten von 100.000 Euro bereitstellen. Der Antrag landete bei der Hauptverwaltung im Rathaus – und damit gingen die Probleme los. Darf eine deutsche Stadt deutsche Steuergelder – und seien sie noch so gut gemeint – ins Ausland schicken? Das war die heikle Frage, vor der die Stadt stand.

Wegweiser am Falterturm zu Kitzingens Partnerstädten: 665 Kilometer sind es von hier ins polnische Trebnitz.
Foto: Siegfried Sebelka | Wegweiser am Falterturm zu Kitzingens Partnerstädten: 665 Kilometer sind es von hier ins polnische Trebnitz.

Das bayerische Innenministerium äußerte sich auf Anfrage der Redaktion erstaunlich freizügig zu dieser Frage und sah in der Spende kein Problem, solange dadurch nicht der städtische Haushalt in Schieflage gerät. Also kam auch aus dem Rathaus grünes Licht, zunächst einmalig 100.000 Euro nach Polen zu überweisen. Einzige Bedingung: Mit dem Geld soll humanitäre Hilfe geleistet und kein Kriegsgerät beschafft werden. Das hat der Trebnitzer Bürgermeister dem Stadtrat in der Videoschalte noch einmal klar zugesichert. Man werde das Geld in die Sanierung und Ausstattung eines Gebäudes stecken, in dem geflüchtete Frauen und Kinder einquartiert werden. "Sie sollen sich ein bisschen zu Hause fühlen", sagte Marek Dlugozima. Möbel, Spielzeug, Schulsachen, all das soll mit dem Geld beschafft werden.

Rund 730 Flüchtlinge aus der Ukraine hat Dlugozima nach eigenen Angaben bis Ende vergangener Woche in der 13.300-Einwohner-Stadt im Süden Polens bereits aufgenommen. Aus Kiew. Aus Charkiw. Aus anderen zerstörten und mitunter dem Erdboden gleichgemachten Gebieten. Doch es werden viel mehr werden. "Man sagt, dass mehr als drei Millionen Flüchtlinge nach Polen kommen werden", so Dlugozima. Kinder mit nichts als ihren Kleidern am Leib, traumatisierte Frauen, die alles verloren hätten. Sie alle brauchen Medikamente, Essen, Kleider und ein Dach über dem Kopf. Von seiner Stadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Breslau gelegen, sind es etwa sechs Autostunden bis zur ukrainischen Grenze. Ende des Zweiten Weltkriegs brandschatzten sowjetische Soldaten etwa 60 Prozent der Gebäude in Trebnitz.

Befremden bei Stadtrat Pfeiffle über Vorgehen des Stadtrats

Für Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU) ist aus den Worten seines Amtskollegen klar geworden, welche Last Trebnitz zu tragen habe. Dlugozima bedankte sich überschwänglich für die zugesagte Hilfe und sagte: "Mein Herz wird immer größer." Aus dem Gremium ergriff danach nur Jens Pauluhn das Wort und erklärte, die Geflüchteten müssten in Polen gut versorgt werden und bedürften wohl auch, wenn der Krieg vorbei sei, noch Hilfe. Nach den Verheerungen durch die Russen werde die Ukraine auf lange Zeit ein "verbranntes Land" sein.

Erst zwei Stunden später, am Ende der Sitzung, meldete sich Uwe Pfeiffle (FW-FBW), um in der Sache Stellung zu nehmen. Es könne nicht sein, so Pfeiffle, dass in Trebnitz bereits Meldungen über die großzügige Hilfe aus Kitzingen in sozialen Netzwerken kursierten, noch bevor der Stadtrat überhaupt zugestimmt habe. Erst müsse entschieden sein, dann könne man sich bedanken. "Ich fand es sehr befremdlich, dass wir den Weg andersrum gehen." Aus "moralischen Gründen" habe der Stadtrat gar keinen Rückzieher mehr machen können. Sowohl der OB als auch Jens Pauluhn versicherten, keinerlei Meldungen nach Polen gesandt zu haben, wonach über die Spende bereits entschieden worden sei.

 
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