zurück
KITZINGEN
Stadt muss nicht für Sanierung ehemaliger Stollen aufkommen
Hindenburgring Nord in Kitzingen: Unter einem Teil der Häuser sollen ehemalige Kalksteinsollen verlaufen. Mit den möglichen Gefahren befasste sich jetzt das Verwaltungsgericht Würzburg.
Foto: Siegfried Sebelka | Hindenburgring Nord in Kitzingen: Unter einem Teil der Häuser sollen ehemalige Kalksteinsollen verlaufen. Mit den möglichen Gefahren befasste sich jetzt das Verwaltungsgericht Würzburg.
Andreas Brachs
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:47 Uhr

Erleichterung bei der Stadt Kitzingen – Enttäuschung bei den Hausbesitzern: Das Verwaltungsgericht Würzburg urteilte, dass die Stadt ehemalige Kalkstollen im Stadtgebiet nicht sichern und verfüllen muss. Einen Bescheid des Bergamts Nordbayern, der die Große Kreisstadt dazu in die Pflicht nehmen wollte, hat das Gericht für nichtig erklärt. Dabei ging es um Kosten von mindestens 900 000 Euro.

Vorgeschichte aus dem 19. Jahrhundert

Worum geht es? Außerhalb der Kitzinger Altstadt ist im 19. Jahrhundert Kalk abgebaut worden. Die Stollen unterhöhlen noch heute Bereiche des gewachsenen Stadtgebiets, auf denen nach und nach Wohngebiete entstanden sind. Deren Hausbesitzer wissen das und haben auf Forderung der Stadt eine entsprechend abgesicherte Bauweise gewählt. Doch als 2011 die Nordtangente gebaut war, entdeckte das Bergamt bislang unbekannte Stollengänge. In der Folge sanierte die Bahn aufwändig einen Teilabschnitt ihrer durch die Stadt führenden ICE-Strecke. Dabei fand das Bergamt Stollenfortsätze, die vermuten lassen, dass weitere Grundstücke am Rande der Altstadt unterhöhlt sein könnten.

Aktuell sind drei Grundstücke betroffen

Im aktuellen Streitfall geht es um drei dieser Grundstücke, auf denen in den 1960er und 1970er Jahren Geschäfts- und Wohnhäuser entstanden. Der Knackpunkt: Die Stadt hatte damals den Häuslebauern dort weder Hinweise auf einen Bergbau in diesem Bereich gegeben, noch eine Bebauung verboten. Die Hausherren erhielten Baugenehmigungen ohne Auflagen.

Streit zwischen Stadt und Bergamt

Das wiederum bemängelte das Bergamt Nordbayern in einem Bescheid an die Stadt von 2015. Darin erinnerte die Behörde an ihr Gutachten von 1950, in dem sie auf mögliche Gefahren für die betroffenen Grundstücke hingewiesen hatte. Aus Sicht des Bergamts habe die Stadt mit den auflagefreien Baugenehmigungen konkrete Gefahren für Menschen und Gebäude heraufbeschworen. Die Folge aus Sicht der Behörde: Die Stadt sei verantwortlich dafür, die fraglichen Stollengänge zu erkunden und anschließend vollständig zu verfüllen.

Die Stadt wiederum hatte argumentiert, das Gutachten von 1950 nicht zu kennen. Außerdem sei die konkrete Gefahr für Menschen und Gebäude nicht benannt worden und schließlich entspreche die vom Bergamt geforderte, aufwändige Sanierung „dem Porsche unter den technischen Möglichkeiten“. Daher hatte die Stadt vor Gericht geklagt, den Bescheid abzulehnen oder wenigstens das Bergamt in Höhe von 90 Prozent an den Sanierungskosten zu beteiligen. Das Gericht folgte dem Antrag der Stadt und lehnte den Bescheid ab. Eine Urteilsbegründung steht noch aus.

Hindenburgring Nord in Kitzingen: Unter einem Teil der Häuser sollen ehemalige Kalksteinsollen verlaufen. Mit den möglichen Gefahren befasste sich jetzt das Verwaltungsgericht Würzburg.
Foto: Siegfried Sebelka | Hindenburgring Nord in Kitzingen: Unter einem Teil der Häuser sollen ehemalige Kalksteinsollen verlaufen. Mit den möglichen Gefahren befasste sich jetzt das Verwaltungsgericht Würzburg.

Was kommt auf die Hauseigentümer zu?

Was aber bedeutet die Entscheidung für die Hausbesitzer? Herbert Karg, dessen Familie im betroffenen Gebiet einen Betrieb und ein Wohnhaus besitzt, hatte darauf gehofft, dass die Stadt, sprich die Allgemeinheit, für die Sicherung der Stollen verantwortlich sei. Er habe 1968 im guten Glauben gebaut, ein sicheres Grundstück erworben zu haben. „Die Stadt hat uns nicht auf irgendwelche Gefahren hingewiesen.“ Und tatsächlich habe er in den vergangenen 50 Jahren weder Risse noch Absenkungen beobachtet. Heute seien seine Grundstücke und Gebäude allerdings nichts mehr wert: „Wir können sie nicht verkaufen, nicht verpachten, möglicherweise in Zukunft nicht einmal mehr nutzen“, sagt Karg.

Mögliche Alternativen

Seine Sorge: Die Behörden könnten nun den Schwarzen Peter weiterreichen und die Hauseigentümer zur Bodensanierung verpflichten. Diese Möglichkeit hat die Stadt bereits diskutiert, wie Rechtsamtsleiterin Susanne Schmöger bestätigt. Eine Alternative wäre der Abbruch der Gebäude. Eine weniger dramatische: der Einsatz von Bodensonden, die auf Bewegungen im Untergrund reagieren und somit vor Gefahren warnen könnten. Darüber wird die Stadt nun beraten.

 
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Andreas Brachs
Bauweisen
Bergbau
Bewegungen
Frühzeit
Hauseigentümer
Porsche
Sanierungskosten
Stadt Kitzingen
Verwaltungsgericht Würzburg
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • P. K.
    Das Verwaltungsgericht Würzburg ist doch nur die erste Instanz.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. A.
    Da sieht man doch mal wieder wie verlogen unsere Politiker sind. Die Stadt will angeblich ein Guthaben nicht kennen aber diskutiert gleichzeitig darüber, ob man die Sanierung nicht den Hausbesitzern aufbürdet. Hier wird man den Verdacht nicht los das die Stadt das Gutachten hat selbst verschwinden zu lassen um sich dafür zu drücken, zum Glück ist das Verwaltungsgericht noch lange nicht die letzte Instanz. Und sollte beim Bergamt wirklich das Gutachten auftauchen dann hat die Stadt ganz schlechte Karten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Und in diesem Gebiet der unterirdischen Stollen soll nun das Archiv gebaut werden. Jetzt weiss ich warum die Baumaßnahme noch auf 40 Millionen geschätzt wird.
    Kennnen wir ja... das werden dann 75 Millionen davon versickern 45 Million in den Löchern u. Stollen. Warum tut die Stadt so unwissend 😡 ? Das Gebiet ist seit 55+ X Jahren als "verlöchertes" Tiefen-Krater-Gebiet bekannt. Die Stollen gehen im gesamten Deustergebiet runter bis zum Main und auch auf die andere Mainseite.
    Das wurde uns schon in der Deuster-Schule gelernt. Und der MüllerOB weiss es nicht ❓ Haha..
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten