Eine Altlast, deren Ursprünge mehr als 100 Jahre zurückliegen, könnte der Stadt Kitzingen auf die Füße fallen. Mit weitreichenden Folgen für die Sicherheit und den Geldbeutel. Mit dem Fall beschäftigt sich am Donnerstagvormittag das Verwaltungsgericht Würzburg.
Kalksteinabbau endete 1906
Der Kalksteintiefbau im 19. Jahrhundert hat Gebiete außerhalb der Kitzinger Altstadt unterhöhlt. Mittlerweile haben viele Häuslebauer über diesen alten Stollen, die spätestens 1906 aufgegeben wurden, ihre Wohnhäuser errichtet. So zum Beispiel am Eselsberg und im Winterleitenweg.
Diese Hausbesitzer hatte die Stadt vor dem Bau auf die Verhältnisse im Untergrund aufmerksam gemacht und eine entsprechend sichere Bauweise eingefordert. Doch inzwischen stellte sich heraus, dass das alte Stollensystem verzweigter ist als angenommen. Und davon sind Ein- und Zweifamilienhäuser betroffen, von denen man es bisher nicht vermutete – am Beginn des Hindenburgrings Nord.
Stollengänge bei Bauarbeiten entdeckt
Dass die Bergleute die Stollen weit in den Untergrund vortrieben, zeigte sich nach Worten von Susanne Schmöger, Leiterin im Rechtsamt der Stadt, als die Nordtangente 2011 fertig war. Im Zuge der Arbeiten habe das Bergamt Nordbayern Hohlräume unter den Bahngleisen entdeckt und daraufhin die Bahn aufgefordert, sie zu verfüllen und zu sichern. Dabei stellte sich heraus, dass Stollenfortsätze bis unter den Hindenburgring Nord reichen. Konkret bis unter drei Häuser am Straßenanfang.
Das Problem: Bevor diese Häuser in den 1960er und 1970er Jahren entstanden, hatte die Stadt die Hausherren nicht auf mögliche Überreste des Steinbruchs im Untergrund hingewiesen, obwohl eine gemeinsame Begehung von Bergamt und Stadt schon im Jahr 1950 Bergbauaktivitäten in dieser Gegend nicht ausschließen konnte. Das Protokoll dieser Begehung ist bei der Stadt zwar nicht mehr zu finden, wohl aber beim Bergamt. Das erließ im September 2015 einen Bescheid, in dem die Stadt verpflichtet wird, die Stollen am Hindenburgring zu erkunden und für Sicherheit zu sorgen. Und zwar auf hohem Niveau: Von „hohlraumfreier und kraftschlüssiger Verfüllung“ ist im Bescheid die Rede. Aus Sicht der Stadt: „der Porsche unter den Sicherungsmaßnahmen“, erklärt Schmöger.
Kosten von 1,5 Millionen Euro denkbar
Am Beispiel der Sicherungsarbeiten der Bahn hat die Stadt überschlagen, dass allein für die Verfüllung von Hohlräumen unter den drei Häusern am Hindenburgring Nord rund 1,5 Millionen Euro fällig werden könnten. Dazu kommt: Es ist noch längst nicht klar, ob eventuell weitere Gebäude am Rande der Altstadt vom ehemaligen Stollenbau betroffen sind – möglicherweise ein Fass ohne Boden.
Deshalb wehrt sich die Stadt nun gerichtlich gegen den Bescheid des Bergamts. Sie will Rechtssicherheit für die Zukunft. Laut Schmöger handelt es sich um einen Präzedenzfall in der Rechtsprechung. Das Gericht könne seine Entscheidung nicht auf vergleichbare Fälle stützen. Deshalb schließt die Rechtsamtsleiterin auch einen Gang durch die Instanzen nicht aus.
Vergleich kam nicht zustande
Einen Vergleich, den die Stadt dem Bergamt angeboten hat, hat die Behörde des Freistaats bislang nicht angenommen. Die Stadt wollte erreichen, dass die Fachleute des Amtes die Erkundung vornehmen und für die Verfüllung sorgen. Die Kosten hätte man sich teilen können. Doch das Bergamt sieht allein die Stadt in Pflicht. Das soll das Gericht nun klären.
Eine gute Nachricht ist nach Auskunft von Susanne Schmöger, dass im fraglichen Bereich weder Setzungen noch Risse aufgetaucht seien. Nur einmal – in den 1980er Jahren – habe es eine Senkung in der Zufahrtsstraße gegeben, die aufgefüllt worden sei. Deshalb scheint keine akute Gefahr gegeben – weder für die Gebäude noch für die Bewohner. Doch will niemand garantieren, dass das auf alle Zeiten so bleiben wird.
Beispiel Tierheim in der Kaltensondheimer Straße: Dort entstanden Risse, die mit der Zeit immer größer wurden. Das Gebäude steht ebenfalls auf alten Stollen. Deshalb muss es Anfang 2019 aufgegeben werden.
Mehrere Varianten denkbar
Mit den Hausbesitzern am Hindenburgring Nord hat sich die Stadt ebenfalls zusammengesetzt, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Denkbar sind mehrere Varianten: Eine ist die Verfüllung der Hohlräume im Untergrund, wobei fraglich ist, ob das ohne finanzielle Beteiligung der Hauseigentümer geschehen müsste. Deutlich günstiger wäre es, Sonden zu installieren, die potenzielle Erdbewegungen anzeigen. Einen Ankauf der Gebäude hat die Stadt ebenfalls schon diskutiert. Und schließlich gäbe es noch einen dritten Weg: eine Nutzungsuntersagung für die Häuser. Aber vor solch radikalen Schritten schreckt die Stadt in diesem Fall zurück. Am Ende ist alles eine Frage der Verhältnismäßigkeit – und abhängig von der Entscheidung des Gerichts.