Das streng gesicherte, altehrwürdige Gebäude der Würzburger Rechtsmedizin, unterhalb des Uni-Campus in der Versbacher Straße, strahlt eine fast unheimliche Stille aus. Dort wird man täglich mit dem Tod konfrontiert. An der Hauptstraße weist ein schlichtes Schild den Weg für die Leichentransporte der Bestatter: "Anlieferung Rechtsmedizin".
"Durchschnittlich 400 Obduktionen werden pro Jahr durchgeführt", erklärt der Institutsleiter, Professor Michael Bohnert. Hinter jedem Toten steckt ein Schicksal: Suizid, Verkehrsunfall, manchmal auch Mord. Was immer einer Obduktion vorausgeht, ist eine staatsanwaltschaftliche oder gerichtliche Anordnung zur Leichenöffnung. Meistens hat schon vorher ein Arzt bei der Todesbescheinigung attestiert, dass hier ein "nicht aufgeklärter" oder "unnatürlicher" Tod vorliegt. Dann liegt es an den Rechtsmedizinern, die genaue Ursache herauszufinden.
"Eine Obduktion geschieht in zwei Schritten", erklärt der Professor. Zuerst kommt die "äußere Leichenschau." Bei dieser Betrachtung des Toten werden erste Befunde erhoben. Oft ist am Seziertisch ein Kriminalbeamter dabei, der den Medizinern im Fall eines Verbrechens Hinweise zur Tat und zum Tatort gibt. Wert legt der Institutsleiter auf die Feststellung: "Wir lösen keine Fälle. Das machen die Polizei und die Staatsanwaltschaft. Wir tragen mit unseren medizinischen Befunden dazu bei."
Schlimmster Fall: der Foltermord von Volkach
Der Volkacher Ernst Kraus hat schon oft mit der Rechtsmedizin zusammengearbeitet. Der ehemalige Kriminalhauptkommissar (KHK) hatte sich beim Erkennungsdienst der Würzburger Kripo spezialisiert auf das Suchen und Sichern selbst kleinster Spuren. Häufig stand er im Sektionsraum den Obduzenten zur Seite und erläuterte den Medizinern die Tatumstände. Sein wohl schlimmster Fall war 2006 der "Foltermord" an einer 73-jährigen Frau in Volkach: Die Leiche wurde vom Täter zerstückelt und im Keller des Wohnanwesens versteckt. In akribischer kriminalistischer Kleinarbeit sammelte Kraus mit seinem Team Finger- und DNA-Spuren, was letztendlich mit dafür entscheidend war, dass der Täter überführt werden konnte.
Der zweite Schritt der Obduktion sei die Leichenöffnung, sagt der Professor. Standartschnitte werden gesetzt, um das Herz und andere Organe entnehmen zu können. Sie werden gewogen, gemessen, und von jedem Organ werden Proben gesichert. Gemäß dem Vier-Augen-Prinzip stehen immer zwei Ärzte am Sektionstisch. Nach der Untersuchung kommen die Organe wieder in den offenen Körper, der dann fachgerecht zugenäht wird. Für Rechtsmediziner beruflicher Alltag.
Bis an die Grenzen der Belastbarkeit
Anders ist das für die begleitenden Polizeibeamten oder den Staatsanwalt, die mitunter der Geruch und die optischen Eindrücke an die Grenze ihrer Belastbarkeit führen. Für Professor Bohnert hingegen ist das Fach Rechtsmedizin das Spannendste, "was diese wunderbare Wissenschaft der Medizin zu bieten hat". Daher gab es für ihn nach dem Medizinstudium nur eines: die Weiterbildung zum Rechtsmediziner.
"Medizinische Befunde als kriminalistische Spuren zu bewerten" – so erklärt er seine Arbeit. "Tote reden nicht, und damit lügen sie auch nicht", sagt Bohnert. "Aber auch wenn sie nichts sagen, erzählen sie trotzdem eine Geschichte, die uns letztendlich zu den Erkenntnissen führt, warum sie gestorben sind." Von "Tatort"-Krimis wie mit dem allseits bekannten "Professor Boerne" und seiner Assistentin hält der Fachmann nichts. "Das ist so wirklichkeitsnah, wie wenn man in einem James-Bond-Film Hinweise auf die Arbeit des britischen Geheimdienstes erfahren würde", meint er.
Michael Bohnert räumt auch mit dem Gerücht auf, dass die Rechtsmedizin nur mit Leichen zu tun habe. "Das ist ein kleiner Teil von unserem großen Aufgabengebiet", sagt er und gibt weitere Beispiele: "Wir untersuchen auch lebende Opfer von Gewalttaten, analysieren giftige Proben, beurteilen Knochenfunde und erstellen Gutachten."
Was auch zur Rechtsmedizin gehört: "genetische Abstammungsanalysen", also der sogenannte Vaterschaftstest. Das ist dann eine Dienstleistung für jedermann, wie Bohnert sagt: "Den können Sie auch privat bei uns beantragen."