Ein bieder wirkender 51-Jähriger, beliebt im Bekanntenkreis, angesehen im Städtchen Volkach, beruflich erfolgreich, seit vielen Jahren verbandelt mit seiner Lebensgefährtin, bringt am 4. April 2006 seine Stiefmutter um.
Das Wie ist kaum zu beschreiben. Es reicht zu wissen, dass es Stunden dauerte von ersten Schlag bis zu dem Moment, als die 74-Jährige Regina G. verblutete. Und dass dazwischen unvorstellbare, sexuell motivierte Folterungen, Quälereien und Erniedrigungen lagen.
Quälende 16 Verhandlungstage lang hat das Würzburger Schwurgericht über dieses Verbrechen verhandelt. Die sado-masochistischen Neigungen des Angeklagten waren ebenso ein Thema wie seine heimlichen Besuche bei Dominas, seine Vorliebe für Fetische und seine Affären mit zwei Nachbarinnen.
Stets war der Sitzungssaal C17 gut besetzt, manchmal mussten Interessierte wieder gehen, weil kein Stuhl mehr frei war. Am ersten Verhandlungstag, als die Anklage mit allen grausamen Details verlesen wurde, hatte der Sozialkundelehrer einer Kinderpflege-Schule seine 16-, 17-jährigen Schülerinnen unbegleitet in die Verhandlung gehen lassen.
Immer anwesend waren die Söhne von Regina G. Seit einer von ihnen am 7. Oktober überraschend starb, brennt an seinem Platz eine kleine, graue Kerze.
Am 23. Juli wurde im Gerichtssaal ein Porno-Video vorgeführt. Die Polizei hat es im Keller des Angeklagten gefunden, der Staatsanwalt vermutet, dass es den 51-Jährigen zu seiner Tat motivierte. Fast eine Stunde wurde auf einer Leinwand gezeigt, wie eine Frau gefesselt, ausgepeitscht und missbraucht wird. In der ersten Reihe verrenkte sich ein Zuschauer fast den Hals, um kein Detail zu verpassen. Später sagte der psychiatrische Gutachter, dass der Angeklagte keine derartigen Filme als Vorlage braucht: „Er hat jahrelang solche Bilder in sich gesammelt.“
Der 51-Jährige wirkte während des gesamten Prozesses ruhig. Ein blasser, unauffälliger Mann mit schütterem Haar und dünnem Vollbart. Nach außen ein Durchschnittstyp. Innerlich erfüllt von seinen abartigen sexuellen Vorlieben, für man nicht nur in Volkach kein Verständnis hat.
Beraten von seinem Verteidiger Norman Jacob machte der Maschinenbaumeister nur wenige Angaben zum Ablauf der Tat. Wie sollte er auch das Unfassbare erklären?
Im Kopf des 51-Jährigen hat sich der gewaltsame Tod seiner Stiefmutter ganz anders zugetragen als auf dem Papier des Staatsanwalts. Es habe Streit gegeben, ließ der Maschinenbauer den Anwalt am ersten Verhandlungstag erklären, die 74-Jährige habe ihm Vorwürfe gemacht, habe seine verstorbene Mutter beleidigt. Da sei er „explodiert“, habe sie geschlagen, sie sei gestürzt. „Ich spürte ihren Atem nicht mehr, fühlte ihren Puls nicht mehr, ich dachte sie sei tot.“ Erst dann habe er sie gefoltert und sich an ihr vergangen.
Später, in seinem Plädoyer, sprach Jacob davon, dass der Irrtum ein größerer Feind der Wahrheit sei als die Lüge. Wer glaube, dass ein Mensch tot sei, könne ihn nicht mehr ermorden. Also sei das, was der Maschinenbauer getan hat, eine fahrlässige Tötung mit anschließender Störung der Totenruhe.
Für Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager ist der 51-Jährige ein Mörder und Vergewaltiger. Der Ankläger möchte, dass das Gericht dem Maschinenbauer „die besondere Schwere der Schuld attestiert“ und damit seine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren Gefängnis verhindert.
Im Blickpunkt
Urteilsverkündung Die Schwurgerichtskammer des Würzburger Landgerichts verkündet ihr Urteil am Mittwoch um 11 Uhr. Wir berichten aktuell ausführlich unter mainpost.de und in unserer Freitagsausgabe.