
Kurz vor ihrem 95. Geburtstag hat sich Schwester Hanna Maura Hartwig von dieser Welt verabschiedet. In der Nacht vom 15. auf den 16. November starb die Frau, die hunderte Menschen auf dem letzten Weg begleitet hatte.
Das Leben der "Schwester mit dem Dirndl" böte Stoff für einen Film. Drei Jahre jung war sie, als die Nazis die Macht in Deutschland ergriffen. Ihre Kindheit verlief zweigleisig: Sie balancierte zwischen der warmen, menschenfreundlichen, kirchlich geprägten Welt in der Familie und der gefühlskalten Umgebung in Schule und Hitlerjugend.
Nach dem Krieg wollte die junge Hanna Hartwig Frieden mit sich und der Welt schließen, Gutes tun, im Auftrag Gottes wirken. An ihrem 90. Geburtstag erinnerte sie sich: "Bei den Pfadfinderinnen konnte ich frei sein für Gott und den Menschen dienen." Es sollte das Motto für ihr ganzes Leben werden.
Im Casteller "Schlösschen" entstand eine neue Gemeinschaft
Die Bundeszentrale für Pfadfinderinnen war so etwas wie die Keimzelle für einen Neuanfang im christlichen Sinn. Vorsitzende Christel Schmid und Maria Pfister aus Schweinfurt fanden 1950 in Castell ein Domizil für ihre junge Gemeinschaft: Sie zogen ins "Schlösschen", wo ein Pfarrer im Ruhestand und seine Frau ihnen Platz gewährten. Im Sommer 1952 schloss Hanna Hartwig sich ihnen an.
22 Jahre jung war sie da, hatte eine Ausbildung zur Erzieherin vorzuweisen und schon Berufserfahrung im Waisen- und Schülerheim sowie im Kindergarten des Flüchtlingslagers in Nürnberg gesammelt.
Sie hielt die Hand hunderter Sterbender
Mit der Zeit wurde der Casteller Dachboden zu klein für die Frauen aus ganz Deutschland. 1957 zog der junge Orden, die Communität Casteller Ring (CCR), auf den Schwanberg. Im Schloss dort oben war Platz geworden. Sieben Jahre lang hatte es als Altenheim gedient. Nun beherbergte es die Frauen, die nach der Regel des Heiligen Benedikt lebten. Die Schwestern kümmerten sich um Flüchtlingsfrauen, boten Kuren für junge Mütter an und organisierten Erholungs- und Begegnungsfreizeiten für Menschen aus Ost- und West.
In den 60er- und 70er-Jahren bauten die CCR-Schwestern das Ordenshaus, das Schulgebäude und das Internat. 1987 weihten sie die St.-Michaelskirche ein. Sie boten Lehrgänge in Hauswirtschaft an, lehrten soziale Frauenberufe und führten Förderlehrgänge für schwächere Schüler ein.
Schwester Hanna zeichnete für Waschküche und Bügelstube verantwortlich. Sechs Lehrlinge betreute sie dort Jahr für Jahr. Als Fürst Albrecht zu Castell-Castell 1984 bei den Schwestern anfragte, ob sie eine Seelsorgerin für die neu errichtete Klinik Kitzinger Land abstellen könnten, fand Schwester Hanna ihre Herzensaufgabe. Sie begleitete fortan Sterbende und unterstützte die Pflegekräfte. Viele Nächte wachte sie an Krankenhausbetten.
Durch einen dunklen Gang, der ans Licht führt
Sie sah im Tod viele Parallelen zu einer Geburt: "Man weiß nicht, wann es so weit ist, sondern kann nur warten." Säuglinge wie Sterbende müssen durch einen dunklen Gang, der für beide ans Licht führt – davon war sie überzeugt.
Am Mittwoch, 20. November, wird Schwester Hanna Maura um 11 Uhr auf dem Schwesternfriedhof im Schlosspark zu Grabe getragen. Allen, die sie gekannt haben, werden ihre zugewandte Art und ihr humorvolles Lächeln im Gedächtnis bleiben. Und ihre positive Lebenseinstellung, allen Schwierigkeiten zum Trotz. Als sie anlässlich ihres 90. Geburtstages zurückblickte, sagte sie: "Mein Leben war wunderbarer als ich es mir hätte ausdenken können."