Der Abschied vom Leben ist der schwerste Abschied überhaupt. Als Angehöriger, Freund oder Nachbar steht man dem Lebensende, dem Sterben oft hilflos gegenüber. Was kann ich für einen Menschen tun, der im Sterben liegt? Die Unsicherheit ist groß. Altes Wissen zur Sterbebegleitung ist schleichend verloren gegangen. Die Malteser in Unterfranken engagieren sich seit mehr als 25 Jahren ehrenamtlich in der ambulanten Hospizarbeit und begleiten Menschen, die schwer krank sind, im Sterben liegen oder nach einem Todesfall in der Trauerphase Hilfe brauchen. Und sie bieten "Letzte Hilfe-Kurse" an. Damit wollen sie Menschen ermutigen, einem Sterbenden offen und anteilnehmend zu begegnen.
Claudia Schenke ist hauptamtlich beim ambulanten Malteser Hospizdienst Würzburg als Koordinatorin tätig. Die 51-Jährige war lange in einer Senioreneinrichtung im Bereich der Sozialen Betreuung tätig und setzt sich seit vielen Jahren mit den Themen Sterben, Tod und Trauer auseinander. Am kommenden Dienstag nun bietet sie den "Letzte-Hilfe-Kurs" bei der Main-Post-Akademie an. Ein Gespräch über letzte Stunden am Sterbebett.
Claudia Schenke: Wenn sich ein Mensch mit der Endlichkeit des Lebens auseinandersetzt.
Schenke: Es ist gut, wenn man sich überhaupt damit auseinandersetzt. Wir alle leben mit schwer erkrankten, mit alternden oder hochbetagten Menschen zusammen, sei es im familiären Umfeld, im Freundeskreis oder der Nachbarschaft. Das Thema Sterben, Tod und Trauer begegnet uns überall und jederzeit.
Schenke: Nein, zu spät ist es nie. Sterben ist ein Teil des Lebens.
Schenke: Dann wäre auf jeden Fall möglich und gut, sich mit uns als ambulantem Malteser Hospizdienst in Verbindung zu setzen. In solch einer Situation, wenn man das Gefühl hat, man braucht Beistand oder Rat, stehen wir unterstützend zur Seite. Unsere ausgebildeten ehrenamtlichen Hospizbegleiter begleiten in allen Wohnformen – in der Häuslichkeit, Krankenhäusern, Senioreneinrichtungen, Hospizen, Palliativstationen, . . . kostenlos. Sie können eine große Unterstützung als Ansprechpartner für Sterbende und deren Angehörige sein.
Schenke: Was ist "daheim"? Ist es wirklich immer die Wohnung, in der ich die letzten Jahre gelebt habe? Vielleicht sollten wir unseren Blick weiten - kann nicht auch zum Beispiel das Seniorenheim ein Zuhause werden? Während meiner Arbeit im Seniorenheim durfte ich kennenlernen, wie gut sich viele Menschen in dieser, ihrer letzten Wohnstätte, eingewöhnen, viele es ihr Zuhause nennen – eingebettet in vertraute Kontakte von Familie, Mitbewohnern und Pflegekräften.
Die gesellschaftlichen Strukturen haben sich verändert und das Thema Sterben wurde mehr und mehr "ausgelagert". Es gibt kaum noch mehrere Generationen einer Familie in einem Haushalt, die Kinder leben teilweise weit entfernt. Frauen, die früher die Pflege übernommen haben, sind jetzt berufstätig oder teilweise auch schon betagt. Viele Menschen leben allein. Mit der Entwicklung unseres Gesundheitssystems und unserer Lebensweise steigt die Lebenserwartung. Dies bringt aber auch mit sich, dass die Zahl der mehrfach erkrankten Menschen steigt.
Schenke: Einer Umfrage nach, wünschen sich 66 Prozent der Menschen in Deutschland zu Hause zu sterben, für 20 Prozent geht dieser Wunsch in Erfüllung. Mit der Situation einen sterbenden Menschen zu Hause zu begleiten, kann man sich leicht überfordert fühlen. Aber auch zu Hause kann ein "professionelles Umfeld" geschaffen werden. Zum Beispiel durch Unterstützung von Hausarzt, Pflegedienst, Sozialstation, die Spezialisierte Ambulante Palliative Versorgung (SAPV) und ehrenamtliche Hospizbegleiter. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Begleitung des Sterbenden zu Hause gut abzusichern.
Schenke: Viele wünschen sich hierfür eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema, um mehr Sicherheit im Umgang mit diesem Thema. Das Informationsdefizit in der Bevölkerung ist groß. Und hier wollen wir mit der "Letzten Hilfe" Unterstützung bieten. Nicht nur über unsere Dienststelle in Würzburg bieten wir als ambulanten Malteser Hospizdienst der Diözese Würzburg Letzte-Hilfe-Kurse an, auch in unseren Dienststellen Aschaffenburg, Schweinfurt, Bad Kissingen, Hassfurt stehen Mitarbeiter als Ansprechpartner zur Verfügung.
Schenke: Man kann nichts falsch machen. Es ist wichtig auf die Wünsche des Sterbenden zu achten. Das können ganz kleine Dinge sein, die sich auch aus der Biografie eines Menschen ergeben. Vielleicht ist es noch einmal das Lieblingsgetränk, der allabendliche Schoppen Wein oder das Glas Bier. Oder ein Lied, ein Gedicht, ein Duft, mit dem wohlwollende, glückliche Erinnerungen verbunden werden.
Schenke: Achtet man aufmerksam auf Mimik und Gestik des Kranken, dann kann man auch ohne Worte dessen Bedürfnisse erkennen. Oft ist es viel wert, Ruhe auszustrahlen, sich vielleicht neben das Bett zu setzen, die Hand zu reichen. Das Bedürfnis, etwas "tun" zu wollen – darüber definiert sich ja auch unsere Gesellschaft, "aktiv sein" – das kann zu viel sein. Auch nichts zu machen kann richtig sein, weniger kann manchmal mehr sein. Da sein und da bleiben.
Schenke: Ja. Oftmals ist es genau das, sich neben das Bett zu setzen, seine Hand zu reichen, bei Akzeptanz vielleicht die Hand halten. Es ist das Wichtigste: da zu sein. Einfach da sein. Zeigen, ich bin bei Dir, ich gehe mit Dir den Weg, Du bist nicht allein.
Schenke: Man kann einen Menschen, auch ohne seine Hand zu halten, festhalten. Es kommt immer wieder vor, dass ein Mensch verstirbt, verlassen Angehörige kurz das Zimmer. Für die Hinterbliebenen ist dies oft schwer anzunehmen und auszuhalten. Aber vielleicht war es genau der Weg des Verstorbenen.
Schenke: Dann gibt es erst einmal nichts zu tun. Verharren können – das kann nicht jeder. Wir versuchen, den Mut dazu zu geben. Es ist ein ganz besonderer Moment.
Schenke: Es gibt verschiedene Rituale je nach familiärer Herkunft, Religion, kulturellem Hintergrund. Eine Kerze anzünden, vielleicht noch einmal ein Gebet sprechen. Vielleicht möchte man auch Angehörigen und Freunden die Möglichkeit geben, sich zu verabschieden. Nach dem Tod kann man dem Verstorbenen noch einmal die Hände waschen, ihn ankleiden, auch mit Unterstützung des Bestattungsinstituts. Man kann ihm eine Blume in die Hände geben, das Fenster öffnen . . .
Schenke: . . . es wäre eine große Erleichterung für die Familie. Es ist für jeden Menschen wünschenswert, sich mit seinem eigenen Tod auseinanderzusetzen und sich im besten Fall seinen Angehörigen mitzuteilen. Sei es in schriftlicher oder mündlicher Form.
Schenke: Das ist so nicht zu beantworten, weder über die Symptome, noch über die Dauer. Jedes Sterben ist ganz, ganz individuell. Jeder stirbt seinen eigenen Tod.
Schenke: Da sind wir wieder bei der Frage: Wann beginnt das Sterben? Wir haben eine hochbetagte Dame in einer Senioreneinrichtung, die seit sechs, sieben Jahren durch unseren ambulanten Malteser Hospizdienst betreut wird. Schon mehrmals erschien sie sich aus pflegefachlicher Sicht in der Finalphase zu befinden. Die Dame lebt noch.
Schenke: Die gibt es. Man kann es vielleicht gar nicht so sehr an einzelnen Momenten festmachen. Aber es gibt das Gefühl, jemandem gut begleitet zu haben, in seinem Sinne. Und auch die Angehörigen gut unterstützt zu haben. Dies stärkt das Engagement für die ehrenamtliche Hospizbegleitung.
Schenke: Ja. Es ist vielleicht kein lautes, kein schallendes Lachen. Aber es darf auch gelacht werden, auch noch einmal gemeinsam mit dem Sterbenden. Und vielleicht ist es mehr ein gemeinsames Lächeln. Es gibt ja auch schöne, freudige Erinnerungen.
Schenke: Manchmal muss am Ende des Lebens noch bisher Unausgesprochenes geklärt werden. Dann kann Redebedarf natürlich wichtig sein. Aus solch einem Gespräch kann sich für Angehörige und Freunde auch ein emotionaler Gewinn ergeben.
Schenke: Es ist wünschenswert, wenn Frieden geschlossen werden kann, für beide Seiten. Dem Sterbenden auf seinem Weg mitzugeben, ich kann Dich annehmen, mit all dem was war und wie Du bist, Du hinterlässt etwas Gutes, eine Spur. Etwas bleibt.