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Würzburg
Sterbebegleitung und letzte Hilfe: Was kann  man tun am Sterbebett?
Was tun, wenn ein Angehöriger, ein Freund im Sterben liegt? Das Gefühl der Hilflosigkeit ist bei vielen groß. Claudia Schenke vom Malteser Hospizdienst in Würzburg weiß Rat.
Ansprechpartnerin für Hilfesuchende: Claudia Schenke ist beim ambulanten Malteser Hospizdienst Würzburg als hauptamtliche Koordinatorin tätig.
Foto: Thomas Obermeier | Ansprechpartnerin für Hilfesuchende: Claudia Schenke ist beim ambulanten Malteser Hospizdienst Würzburg als hauptamtliche Koordinatorin tätig.
Alice Natter
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:10 Uhr

Der Abschied vom Leben ist der schwerste Abschied überhaupt. Als Angehöriger, Freund oder Nachbar steht man dem Lebensende, dem Sterben oft hilflos gegenüber. Was kann ich für einen Menschen tun, der im Sterben liegt? Die Unsicherheit ist groß. Altes Wissen zur Sterbebegleitung ist schleichend verloren gegangen. Die Malteser in Unterfranken engagieren sich seit mehr als 25 Jahren ehrenamtlich in der ambulanten Hospizarbeit und begleiten Menschen, die schwer krank sind, im Sterben liegen oder nach einem Todesfall in der Trauerphase Hilfe brauchen. Und sie bieten "Letzte Hilfe-Kurse" an. Damit wollen sie Menschen ermutigen, einem Sterbenden offen und anteilnehmend zu begegnen. 

Claudia Schenke ist hauptamtlich beim ambulanten Malteser Hospizdienst Würzburg als Koordinatorin tätig. Die 51-Jährige war lange in einer Senioreneinrichtung im Bereich der Sozialen Betreuung tätig und setzt sich seit vielen Jahren mit den Themen Sterben, Tod und Trauer auseinander. Am kommenden Dienstag nun bietet sie den "Letzte-Hilfe-Kurs" bei der Main-Post-Akademie an. Ein Gespräch über letzte Stunden am Sterbebett.

Frau Schenke, wann beginnt letzte Hilfe?

Claudia Schenke: Wenn sich ein Mensch mit der Endlichkeit des Lebens auseinandersetzt.

Wenn man sich erst damit auseinandersetzt, wenn es soweit ist . . .

Schenke: Es ist gut, wenn man sich überhaupt damit auseinandersetzt. Wir alle leben mit schwer erkrankten, mit alternden oder hochbetagten Menschen zusammen, sei es im familiären Umfeld, im Freundeskreis oder der Nachbarschaft. Das Thema Sterben, Tod und Trauer begegnet uns überall und jederzeit.

Ist es zu spät, sich mit dem Thema zu befassen, wenn der Sterbeprozess begonnen hat?

Schenke: Nein, zu spät ist es nie. Sterben ist ein Teil des Lebens.

Begleitung am Sterbebett: sich neben das Bett setzen, seine Hand reichen, vielleicht die Hand halten. 'Es ist das Wichtigste: da zu sein. Einfach da sein', sagt Claudia Schenke. 
Foto: Katarzyna Bialasiewicz/Getty Images | Begleitung am Sterbebett: sich neben das Bett setzen, seine Hand reichen, vielleicht die Hand halten. "Es ist das Wichtigste: da zu sein. Einfach da sein", sagt Claudia Schenke. 
Was tun, wenn man sich keine Gedanken vorab gemacht hat – und ein naher Angehöriger plötzlich im Sterben liegt?

Schenke: Dann wäre auf jeden Fall möglich und gut, sich mit uns als ambulantem Malteser Hospizdienst in Verbindung zu setzen. In solch einer Situation, wenn man das Gefühl hat, man braucht Beistand oder Rat, stehen wir unterstützend zur Seite. Unsere ausgebildeten ehrenamtlichen Hospizbegleiter begleiten in allen Wohnformen – in der Häuslichkeit, Krankenhäusern, Senioreneinrichtungen, Hospizen, Palliativstationen, . . .  kostenlos. Sie können eine große Unterstützung als Ansprechpartner für Sterbende und deren Angehörige sein.

Haben wir, hat unsere Gesellschaft, die letzte Hilfe verlernt? Früher gehörte der Tod dazu, die Menschen sind daheim gestorben.

Schenke: Was ist "daheim"? Ist es wirklich immer die Wohnung, in der ich die letzten Jahre gelebt habe? Vielleicht sollten wir unseren Blick weiten - kann nicht auch zum Beispiel das Seniorenheim ein Zuhause werden? Während meiner Arbeit im Seniorenheim durfte ich kennenlernen, wie gut sich viele Menschen in dieser, ihrer letzten Wohnstätte, eingewöhnen, viele es ihr Zuhause nennen – eingebettet in vertraute Kontakte von Familie, Mitbewohnern und Pflegekräften.

Die gesellschaftlichen Strukturen haben sich verändert und das Thema Sterben wurde mehr und mehr "ausgelagert". Es gibt kaum noch mehrere Generationen einer Familie in einem Haushalt, die Kinder leben teilweise weit entfernt. Frauen, die früher die Pflege übernommen haben, sind jetzt berufstätig oder teilweise auch schon betagt. Viele Menschen leben allein. Mit der Entwicklung unseres Gesundheitssystems und unserer Lebensweise steigt die Lebenserwartung. Dies bringt aber auch mit sich, dass die Zahl der mehrfach erkrankten Menschen steigt.

Haben Angehörige Angst davor, dass der Sterbende daheim stirbt – und nicht in einem "professionellen Umfeld"?

Schenke: Einer Umfrage nach, wünschen sich 66 Prozent der Menschen in Deutschland zu Hause zu sterben, für 20 Prozent geht dieser Wunsch in Erfüllung. Mit der Situation einen sterbenden Menschen zu Hause zu begleiten, kann man sich leicht überfordert fühlen. Aber auch zu Hause kann ein "professionelles Umfeld" geschaffen werden. Zum Beispiel durch Unterstützung von Hausarzt, Pflegedienst, Sozialstation, die Spezialisierte Ambulante Palliative Versorgung (SAPV) und ehrenamtliche Hospizbegleiter. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Begleitung des Sterbenden zu Hause gut abzusichern.

Die man kennen muss . . .

Schenke: Viele wünschen sich hierfür eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema, um mehr Sicherheit im Umgang mit diesem Thema. Das Informationsdefizit in der Bevölkerung ist groß. Und hier wollen wir mit der "Letzten Hilfe" Unterstützung bieten. Nicht nur über unsere Dienststelle in Würzburg bieten wir als ambulanten Malteser Hospizdienst der Diözese Würzburg Letzte-Hilfe-Kurse an, auch in unseren Dienststellen Aschaffenburg, Schweinfurt, Bad Kissingen, Hassfurt stehen Mitarbeiter als Ansprechpartner zur Verfügung.

"Man kann nichts falsch machen."
Claudia Schenke, Sterbebegleiterin und Koordinatorin im Malteser Hospizdienst Würzburg
Was sind die größten Fehler, die man als Begleitender machen kann – am Sterbebett?

Schenke: Man kann nichts falsch machen. Es ist wichtig auf die Wünsche des Sterbenden zu achten. Das können ganz kleine Dinge sein, die sich auch aus der Biografie eines Menschen ergeben. Vielleicht ist es noch einmal das Lieblingsgetränk, der allabendliche Schoppen Wein oder das Glas Bier. Oder ein Lied, ein Gedicht, ein Duft, mit dem wohlwollende, glückliche Erinnerungen verbunden werden.

Wenn sich jemand nicht mehr äußern kann – wie bekomme ich mit, was ihm gut tut, was er sich wünscht, was er nicht mehr will?

Schenke: Achtet man aufmerksam auf Mimik und Gestik des Kranken, dann kann man auch ohne Worte dessen Bedürfnisse erkennen. Oft ist es viel wert, Ruhe auszustrahlen, sich vielleicht neben das Bett zu setzen, die Hand zu reichen. Das Bedürfnis, etwas "tun" zu wollen – darüber definiert sich ja auch unsere Gesellschaft, "aktiv sein" – das kann zu viel sein. Auch nichts zu machen kann richtig sein, weniger kann manchmal mehr sein. Da sein und da bleiben.

Da sein – ohne reden zu müssen?

Schenke: Ja. Oftmals ist es genau das, sich neben das Bett zu setzen, seine Hand zu reichen, bei Akzeptanz vielleicht die Hand halten. Es ist das Wichtigste: da zu sein. Einfach da sein. Zeigen, ich bin bei Dir, ich gehe mit Dir den Weg, Du bist nicht allein.

'Es darf auch gelacht werden, auch noch einmal gemeinsam mit dem Sterbenden', sagt Claudia Schenke, die 'Letzte Hilfe'-Kurse der Malteser leitet.
Foto: Thomas Obermeier | "Es darf auch gelacht werden, auch noch einmal gemeinsam mit dem Sterbenden", sagt Claudia Schenke, die "Letzte Hilfe"-Kurse der Malteser leitet.
Aber die Hand lieber nicht zu fest festhalten? Weil sonst das Loslassen nicht möglich ist? Das Gehenlassen? Erleben Sie das auch so?

Schenke: Man kann einen Menschen, auch ohne seine Hand zu halten, festhalten. Es kommt immer wieder vor, dass ein Mensch verstirbt, verlassen Angehörige kurz das Zimmer. Für die Hinterbliebenen ist dies oft schwer anzunehmen und auszuhalten. Aber vielleicht war es genau der Weg des Verstorbenen.

Und wenn jemand gegangen ist, tot ist – was dann?

Schenke: Dann gibt es erst einmal nichts zu tun. Verharren können – das kann nicht jeder. Wir versuchen, den Mut dazu zu geben. Es ist ein ganz besonderer Moment.

Was empfehlen Sie, wenn jemand daheim stirbt?

Schenke: Es gibt verschiedene Rituale je nach familiärer Herkunft, Religion, kulturellem Hintergrund. Eine Kerze anzünden, vielleicht noch einmal ein Gebet sprechen. Vielleicht möchte man auch Angehörigen und Freunden die Möglichkeit geben, sich zu verabschieden. Nach dem Tod kann man dem Verstorbenen noch einmal die Hände waschen, ihn ankleiden, auch mit Unterstützung des Bestattungsinstituts. Man kann ihm eine Blume in die Hände geben, das Fenster öffnen . . .  

Wenn der Verstorbene zu Lebzeiten schon gesagt hätte, was er sich da wünschen würde . . .

Schenke: . . . es wäre eine große Erleichterung für die Familie. Es ist für jeden Menschen wünschenswert, sich mit seinem eigenen Tod auseinanderzusetzen und sich im besten Fall seinen Angehörigen mitzuteilen. Sei es in schriftlicher oder mündlicher Form.

"Jedes Sterben ist ganz, ganz individuell. Jeder stirbt seinen eigenen Tod."
Hospizhelferin und Koordinatorin Claudia Schenke
Ist irgendwas in den letzten Stunden immer gleich? Ist jedes Sterben anders?

Schenke: Das ist so nicht zu beantworten, weder über die Symptome, noch über die Dauer. Jedes Sterben ist ganz, ganz individuell. Jeder stirbt seinen eigenen Tod.

Wie lang kann das Sterben dauern?

Schenke: Da sind wir wieder bei der Frage: Wann beginnt das Sterben? Wir haben eine hochbetagte Dame in einer Senioreneinrichtung, die seit sechs, sieben Jahren durch unseren ambulanten Malteser Hospizdienst betreut wird. Schon mehrmals erschien sie sich aus pflegefachlicher Sicht in der Finalphase zu befinden. Die Dame lebt noch.

Gibt es schöne Momente bei der Sterbebegleitung?

Schenke: Die gibt es. Man kann es vielleicht gar nicht so sehr an einzelnen Momenten festmachen. Aber es gibt das Gefühl, jemandem gut begleitet zu haben, in seinem Sinne. Und auch die Angehörigen gut unterstützt zu haben. Dies stärkt das Engagement für die ehrenamtliche Hospizbegleitung.

Wird am Sterbebett auch gelacht?

Schenke: Ja. Es ist vielleicht kein lautes, kein schallendes Lachen. Aber es darf auch gelacht werden, auch noch einmal gemeinsam mit dem Sterbenden. Und vielleicht ist es mehr ein gemeinsames Lächeln. Es gibt ja auch schöne, freudige Erinnerungen.

Erleben Sie Sterbende, die noch viel und bis zuletzt sprechen?

Schenke: Manchmal muss am Ende des Lebens noch bisher Unausgesprochenes geklärt werden. Dann kann Redebedarf natürlich wichtig sein. Aus solch einem Gespräch kann sich für Angehörige und Freunde auch ein emotionaler Gewinn ergeben.

Dass muss ein Angehöriger, ein Begleiter dann teilweise erst mal ertragen, oder? Wenn man eine andere Sicht auf die Dinge hat . . .

Schenke: Es ist wünschenswert, wenn Frieden geschlossen werden kann, für beide Seiten. Dem Sterbenden auf seinem Weg mitzugeben, ich kann Dich annehmen, mit all dem was war und wie Du bist, Du hinterlässt etwas Gutes, eine Spur. Etwas bleibt.

Kurs "Letzte Hilfe"

Der Malteser Hospizdienst Würzburg und die Main-Post-Akademie bieten am kommenden Dienstag, 13. Juli, einen Kurs zur "Letzten Hilfe".  Dozentin Claudia Schenke vermittelt darin Basiswissen zur Sterbebegleitung. Die Teilnehmer erfahren, was für die Zeit des Sterbens und der Trauer wichtig ist und lernen einfache Methoden, um  Sterbende zu unterstützen. Die vier Module: Sterben als Teil des Lebens, Vorsorgen und Entscheiden, Leiden lindern, Abschied nehmen.
Der Kurs findet von 15 bis 19 Uhr von über die Plattform "Microsoft Teams" statt. Voraussetzung für die Teilnahme ist eine Internetverbindung sowie ein internetfähiges Endgerät (Smartphone, Tablet, Laptop/PC) mit Kamera. Kosten: 25 Euro. Anmelden kann man sich unter erlebniswelt.mainpost.de/mpakademie/
nat
 
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Kommentare
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  • R. G.
    Dass jemand stirbt, wenn er gerade einmal allein im Zimmer ist, kommt häufiger vor als man denkt. Gut zu wissen, denn so viele machen sich dann Vorwürfe, dass sie die Sterbenden gerade dann alleine gelassen haben. Dabei haben die nur auf die Gelegenheit gewartet.
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  • E. H.
    Vielen Dank für diesen Bericht!
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