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Kitzingen
Scharfe Kritik an Bauplänen für Kitzinger Schützenhaus-Areal
Mehr als 150 Wohnungen will eine „namhafte lokale Bank“ am Steigweg errichten. Anwohner laufen Sturm gegen das Vorhaben. Und der Projektentwickler hadert mit eigenen Aussagen.
Auf dem Gelände der Kitzinger Schützen am Steigweg könnten bis zu acht mehrgeschossige Wohnblocks entstehen. Im Umfeld regt sich Widerstand gegen diese Pläne.
Foto: Eike Lenz | Auf dem Gelände der Kitzinger Schützen am Steigweg könnten bis zu acht mehrgeschossige Wohnblocks entstehen. Im Umfeld regt sich Widerstand gegen diese Pläne.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:54 Uhr

Es geht um 16 000 Quadratmeter Grund, um mehr als 150 Wohnungen, um ein Millionengeschäft. Das ist die eine Seite. Und es geht um Natur- und Artenschutz, um Sichtachsen und um die Sorge vor weiteren heißen Sommern in Kitzingen. Das ist die andere Seite. Wer erst mit der einen Seite spricht und dann mit der anderen, wird schnell bemerken, dass die Interessen nur ganz schwer zusammenzubringen sind. Gegenseitig wirft man sich vor, mit vergifteten Pfeilen zu schießen. Wie passend erscheint es da, dass es um das Gelände der Kitzinger Schützengesellschaft geht.

Um die 150 Wohnungen will der Projektentwickler Jürgen Wörz dort für einen bisher nicht näher benannten Investor bauen. „Ein kolossaler Komplex mit bis zu acht Hochhäusern“, wie Anwohner sagen. „Eines der modernsten Wohnbauprojekte in Mainfranken“, wie es von der Gegenseite heißt. Die Frage, was denn nun stimmt und wer recht hat, ist nicht so leicht zu beantworten, da das Projekt noch in den Startlöchern steckt und es an belastbaren Daten und Fakten fehlt.

Was man beobachten kann: Die beiden Streitparteien werfen sich gegenseitig vor, mit unlauteren Mitteln zu arbeiten. Die Anwohner wollen nun eine Bürgerinitiative gründen. Marion Fessler, Frank Pfeuffer, Jens Fiebig und Burkhardt Volbers sitzen am Montagmittag zusammen in Fiebigs Kitzinger Büro und erklären ihre Ziele. Eine „Bebauung im Einklang von Mensch und Natur“ wollen sie erreichen, wie Pfeuffer sagt. Was Wörz davon hält, darf man nicht zitieren.

Das Grundstück der Schützen ist mehrere Millionen wert

Zum Ursprung: Die Sache nahm ihren Lauf, als die Königlich-Privilegierte Schützengesellschaft Kitzingen vor drei Jahren mitteilte, sich von ihrem Mitte des 19. Jahrhunderts errichteten Domizil am Steigweg trennen und in einen Neubau wechseln zu wollen. Das Grundstück ist Millionen wert und soll an einen Investor gehen, der dort Wohnungen bauen möchte. Dem Vernehmen nach handelt es sich um eine „namhafte lokale Bank“, mehr ist derzeit nicht zu erfahren. Als Ausgleich erhalten die Schützen auf einem Gelände zwischen der Großlangheimer Straße und der Nordtangente ein hochmodernes Schießzentrum mit Schießkino. Die Stadt ist dabei, den Weg für beide Projekte zu bereiten, indem sie Bebauungspläne aufstellt oder anpasst.

Das 16 000 Quadratmeter große Schützen-Gelände ist eine grüne Lunge der Stadt und zum Teil kartiertes Biotop.
Foto: Eike Lenz | Das 16 000 Quadratmeter große Schützen-Gelände ist eine grüne Lunge der Stadt und zum Teil kartiertes Biotop.

Im März 2020 waren die Anwohner zu einem Treffen ins Schützenhaus geladen. „Da haben wir erst einmal gesehen, was Herr Wörz da oben vorhat“, sagt Jens Fiebig. Man habe nichts gegen eine zweigeschossige Bebauung, wie es der 1996 aufgestellte alte Bebauungsplan an dieser Stelle vorsah. Jetzt aber sind acht Wohngebäude im Gespräch, alle mindestens fünf Stockwerke hoch. Auch ein Kindergarten mit 60 bis 90 Plätzen soll auf dem Areal errichtet werden. In einem Positionspapier der Gegner ist die Rede von „brutalem Zubetonieren von 90 Prozent der Flächen“, von einer „180-Grad-Kehrtwende in der Stadtbauplanung“.

Die Anwohner weisen zudem darauf hin, dass durch das Projekt die in heißen Sommern so wichtige Frischluftzufuhr in die Stadt gestört werde, dass ein Großteil der dortigen Bäume verloren gehe, dass Rehe und Zauneidechsen verschwinden, wie Marion Fessler sagt. Sie werfen dem Investor vor, die „maximale Wohnungszahl“ in das Gelände „reinzupressen“ und bis zu 500 Bewohner „auf begrenzter Fläche“ unterzubringen. Und sie zeichnen das Bild einer „Satellitenstadt mit drohenden sozialen Spannungen“.

Die Sache zerrt an den Nerven des Projektentwicklers

Jürgen Wörz hat das Papier nach eigenen Angaben vergangenen Freitag auf sein Handy gespielt bekommen. Wie seine Reaktion darauf war, darf man ebenfalls nicht zitieren. Am Montagnachmittag sitzt Wörz in der Cafeteria seines Firmensitzes J-Werk im Kitzinger Industriepark ConneKT und ist ein Nervenbündel. Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück, beugt sich nach vorn. Dreimal steht er von seinem Platz auf, tigert durch den Raum. Die Sache zerrt an ihm, sichtbar und hörbar. Er weiß, dass es jetzt ans Eingemachte geht.

Mit am Tisch sitzen sein Bauleiter und seine Marketingassistentin. Die Zitate für diesen Artikel lässt er autorisieren. Am Tag darauf zieht er alle wörtlichen Zitate zurück und lässt über seine Marketingassistentin ausrichten: „Wir möchten auf die wörtlichen Zitate verzichten und uns auch von emotionalen Aussagen des gestrigen Tages distanzieren, um einen lösungsorientierten Ansatz mit allen Parteien zu gewährleisten.“

Wörz ist ein Bär von einem Mann, und er kann seinem Gegenüber rasch klar machen, dass man sich besser nicht mit ihm anlegt. Warum er an diesem Tag mit deutlichen und emotionalen Worten auf seine Kritiker losgeht, darf man nicht zitieren. Was er speziell Fiebig und Fessler im Hinblick auf deren Geschäftsgebaren vorwirft, auch nicht. Dass es mit den beiden am Karfreitag 2021 ein Gespräch gegeben hat, in dem es darum ging, „die Bedenken der Anwohner in der weiteren Planungsphase zu berücksichtigen und ihnen damit entgegenzukommen“, wird später von Wörz' Marketingassistentin bestätigt. Was Gegenstand dieses mehrstündigen Gesprächs war, darf man nicht zitieren.

Die jetzige Geländezufahrt könnte später die Einfahrt zur Tiefgarage sein, in der die meisten künftigen Bewohner ihre Autos abstellen sollen.
Foto: Eike Lenz | Die jetzige Geländezufahrt könnte später die Einfahrt zur Tiefgarage sein, in der die meisten künftigen Bewohner ihre Autos abstellen sollen.

Die Häuser, heißt es, entstünden im KfW-55-Standard und seien im späteren Betrieb CO2-neutral. Die Autos der Bewohner sollen größtenteils in einer Tiefgarage verschwinden. Und was die Luftströmung angeht: Dazu legt Wörz ein Papier des Würzburger Klimaforschers Professor Heiko Paeth auf den Tisch, wonach die Frischluftzufuhr durch das Objekt nicht verschlechtert, sondern sogar verbessert werde. Kurios dabei: Ihn zitiert auch die Gegenseite als Kronzeugen. 

Die Anwohner bündeln ihren Protest in einer Bürgerinitiative

Es ist nicht der einzige Widerspruch in dieser Sache. Auf die Frage nach Plänen für das Projekt heißt es von J-Werk, es gebe „keine finale Planung“. Die Anwohner aber legen sehr wohl konkrete Ansichten vor. Von J-Werk heißt es, diese seien veraltet. Was Wörz der Bürgerinitiative und einzelnen Mitgliedern vorwirft, darf man nicht zitieren.

Frank Pfeuffer sagt: „Wir wollen kein geschlossener Club von Anwohnern bleiben.“ Marion Fessler sagt: „Uns wird immer vorgeworfen, wir würden Einzelinteressen vertreten.“ Deshalb jetzt die Bürgerinitiative – „für ganz Kitzingen“, wie sie betonen. Selbst viele Mitglieder des Stadtrats wüssten gar nicht, was da oben vor sich gehe. „Das passt nicht in unsere strukturierte, gewachsene Stadt“, sagt Pfeuffer.

Jetzt ist der Stadtrat am Zug. Er hat laut Bauamtsleiter Oliver Graumann die Planungshoheit und kann im Rahmen des laufenden Bebauungsplanverfahrens in jeder Hinsicht Einfluss auf das Projekt nehmen: ob es die Verkehrsentwicklung, die Zahl oder die Höhe der Gebäude angeht. Nach der Sommerpause soll der Stadtrat das tun, was Anwohner und Projektentwickler bisher nicht geschafft haben: die unterschiedlichen Interessen gegeneinander abzuwägen.

 
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